Pierre Laube mit ungewöhnlichem Projekt

MIDI-Cembalo selbstgemacht

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Als Hobbymusiker, der akustische Cembali und Spinette besitzt, begeistert sich Pierre Laube auch für virtuelle Versionen historischer Originale. Die MIDI-Tastatur für das passende Spielgefühl fehlt bislang am Markt. Laube konstruierte ein eigenes Holzgehäuse mit entsprechender Klaviatur. Im Gehäuse sind Studiomonitore eingebaut, um den Klang aus der passenden Perspektive wiederzugeben. Ein Blick auf ein positiv »verrücktes« Projekt, dem sogleich noch ein zweites Instrument folgte.

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Bei Cembali und Spinetten reißt der Tastenanschlag Saiten per Plektrum an, statt sie wie beim Klavier von einem Hammer anzuschlagen. Lediglich eine Anschlagstärke existiert. Dabei spürt der Spieler einen Zupfwiderstand, bevor die Saite angerissen wird. Das Spielgefühl ist stilprägend für die Instrumente.

Mit meiner Software-Firma realsamples konzentriere ich mich auf das Sampling historischer Tasteninstrumente, darunter Cembali und Spinette. Viele Cembalisten vermissen die Cembalo-Haptik am MIDI-Keyboard – von der Aura ganz zu schweigen.

Eine Annäherung

… stellten bislang MIDI-Tastaturen mit Orgeldruckpunkt dar, wie sie etwa Doepfer anbietet. Die Haptik ist Pfeifenorgel-Tastaturen nachempfunden, sie geben bei Druck nach. Roland bot mit seinem C-30 ein »Digital-Cembalo« an: Mit der verbauten Tastatur versuchte Roland, das Spielgefühl zumindest grob in Richtung eines akustischen Cembalos anzunähern. Das digitale Instrument mit eigener Klangerzeugung lag preislich nahe einem guten gebrauchten Cembalo. Inzwischen ist das Modell nicht mehr erhältlich.

Dem Spieler vermittelt das C-30 immerhin die Grundidee des Cembalos – allerdings fehlte im Vergleich zu einem akustischen Cembalo noch der »Zupfpunkt«: Nähert sich die Taste dem Zupfpunkt des Kiels – ein Plektrum, das auf einem Springer montiert ist –, wird die Saite gedehnt, bis die Spitze klickend über die Saite streift und den Klang auslöst. Die Taste »bricht« sozusagen mit leichtfüßigem Widerstand ein. Das vermittelt Lebendigkeit beim Spielen. Ließe sich dieses Wechselspiel noch weiter annähern? Wie könnte eine möglichst erfüllende Lösung aussehen, die als Masterkeyboard umfangreiche Libraries ansteuert?

DIY-Projekt als Herausforderung.

Einer meiner Sample-Kunden, der Hobbymusiker Pierre Laube, besitzt akustische Cembali und Spinette, Nachbauten aus dem 20. Jahrhundert. Die historischen Originale aus Museen haben ihn ebenfalls fasziniert, besonders die Instrumente der Sammlung des 2016 verstorbenen Musikwissenschaftlers Andreas Beurmann, die ich gesampelt hatte. Im Direktvergleich mit seinen akustischen Instrumenten fehlte Laube in der MIDI-Welt jene »lebendige« Cembalo-Haptik. Einige Wochen später schickte er Detailfotos eines Projekts: Ein MIDI-Cembalo in Virginal-Bauform – das ist eine kompakte Cembalo-Bauform, deren Saiten quer zur Klaviatur verlaufen, wie bei einem Spinett – in einem kunstvoll ausgearbeiteten Gehäuse, mit stark modifizierter MIDI-Klaviatur. Für den Artikel gab Pierre Laube gerne Auskunft.

Leidenschaftlicher Tüftler: Pierre Laube, hier an seinem zweiten MIDI-Virginal
Leidenschaftlicher Tüftler: Pierre Laube, hier an seinem zweiten MIDI-Virginal (Bild: Pierre Laube)

Laube lebt nahe Zwickau, er arbeitet in der Sozialpsychiatrie im Bereich Wiedereingliederungshilfe, schätzt die Arbeit mit Menschen sowie Herausforderungen. In seiner Freizeit macht er Musik – teils härteren Rock mit seiner Band, gleichzeitig mag er Klassik. Dabei reizen ihn Do-It-Yourself-Projekte. »Mein erstes großes Projekt war 1999 ein Orgelpositiv aus Holz«, erinnert er sich. Das bezeichnet eine vergleichsweise transportable Orgel. »Die Orgel war so groß wie ein kleiner Schrank. Daran war nichts MIDI – sie funktionierte mit Balk und Stechern unter den Tasten, Ventilen und so weiter.« Neben der Musik seien Holzhandwerk sowie Tüfteleien schon immer sein Ding gewesen. Das habe er womöglich vom Vater – einstmals Lehrer – geerbt, der immer Dinge gefertigt habe – von der Modelleisenbahn in früheren Tagen, später Schnitzereien bis hin zum Ausbau der Wohnung, was in DDR-Zeiten oft notwendig war, erläutert Pierre Laube.

Die Idee zum MIDI-Virginal war Ende 2021 naheliegend, meint er. Sein Bandprojekt lag während der Pandemie auf Eis, zu dem Zeitpunkt war noch keine Normalität absehbar. »Und ich weigere mich, Lebenszeichen auf Social Media zu verlagern und unaufhörlich in die Videokamera zu hampeln«, schmunzelt er. »Ich muss allerdings immer etwas tun, das mich erfüllt.« Durch die Umgestaltung der Wohnung entstand Freiraum – der wollte möglichst sinnvoll gefüllt werden, wirft er augenzwinkernd ein.

Das Gehäuse

… entstand durch handwerkliches Geschick und Ideenreichtum, so Laube. »Ich habe mich bewusst nicht für eine barocke oder generell schlichte Optik entschieden.« Stattdessen glänzt Gotik »aus allen Ecken«, wie er sagt, »angelehnt an Möbel und Gebäude dieser – auch musikalisch – wunderbaren Stilepoche. Nicht zuletzt kommt auch eine Thematik zum Tragen, die mich als großen Freund der ›Geralt von Riva‹-Geschichten und ›The Witcher‹-Games von CD Projekt Red nicht loslässt. Somit habe ich als Innengemälde ›Geralt von Riva‹ in Temerien und außen ›Die Freie Stadt Novigrad‹ als Concept Art gewählt. Diese Fantasiefigur lebte ebenfalls in einer Art gotischen Epoche, einem fantastischen 13. Jahrhundert.« Die Gemälde sind als Drucke eingebracht, außen auf einer Art Hartschaum, innen auf High-Definition-Acryl. Eine Widmungstafel aus Ahorn-Mahagoni-Schichtholz mit Dank an den Instrumentensammler Andreas Beurmann und an meine Samples zur Inspiration für das Projekt hat er ebenfalls angebracht. »Die Intarsien und Insignien habe ich in entsprechender Schrift von einem alten Bekannten, einem Laser-Handwerker und Holzkenner, umsetzen lassen. Alle anderen Teile sind aus verschiedenen Ländern Europas zusammengetragen. Beim Finish habe ich auf dunkles Beizen verzichtet, um den Hölzern ihre natürliche Schönheit zu lassen. In einigen Jahren dunkelt das von selbst und ganz natürlich nach.«

MIDI-Virginal mit geöffnetem Deckel: Der Klang wird über zwei Presonus Eris-3.5-Studiomonitore ausgegeben, die vom externen Rechner-Setup mit der Sample-Wiedergabe gespeist werden.
MIDI-Virginal mit geöffnetem Deckel: Der Klang wird über zwei Presonus Eris-3.5-Studiomonitore ausgegeben, die vom externen Rechner-Setup mit der Sample-Wiedergabe gespeist werden. (Bild: Pierre Laube)

»Masterkeyboard-Komplettpaket« mit Sound-Ausgabe.

Wie funktioniert das MIDI-Virginal? Die verbaute Tastatur steuert einen externen Rechner an, auf dem die Samples im Kontakt-Sampler getriggert werden. Das Audiosignal läuft zurück ins MIDI-Cembalo. Der Deckel lässt sich aufklappen, darunter gibt ein Paar Presonus Eris-3.5-Aktivmonitore den Klang aus. Die Lautsprecher sollen die klangliche Perspektive entsprechend dem akustischen Instrument vermitteln – ähnlich wie in einem E-Piano. »Mit den Presonus-Monitoren bin ich für diese Größe sehr zufrieden. Ich habe sie auch immer wieder zum Aufnehmen im Einsatz.«

Als Tastatur

… kommt eine Doepfer 61TP/80 Waterfall inverted zum Einsatz. Die OEM-Komponente hat Laube modifiziert. Die Steuerung übernimmt eine Doepfer MKE Universal MIDI-Einheit. »In einem kleinen Kästchen ist ein Nummern-Pad versteckt, zu dem die beiden Taster der virtuellen ›Registerumschaltung‹ am Gehäuse führen. Die Taster docken an den Tasten ›8‹ und ›2‹ an und ermöglichen mir, im Sequenzer vorbereitete Register anzuwählen.« Die reinen Materialkosten des Instruments beliefen sich auf rund 1.250 Euro, er arbeitete rund acht Wochen daran, »praktisch jeden Tag ein paar Stunden, je nach Zeitfenster.«

Wie wurde die Klaviatur modifiziert? »Ich habe die Tasten mit Druckpunkten einer PC-Tastatur versehen. Diese sind exakt unter jeder Taste positioniert und auch herausnehmbar – so lassen sie sich bei Bedarf gut reparieren und ersetzen. Der Druckpunkt gibt mir zumindest den Hauch eines entsprechenden Spielgefühls und Widerstands, sowie ein etwas kerniges Feeling: Ich spüre ein angenehmes ›Plopp‹ am Finger – besonders, wenn ich mild und langsam spiele. Um dem – für Cembalo-Spiel schlichtweg grausamen – Federzug einer MIDI-Tastatur mit Semi-Gewichtung entgegenzuwirken und den Tasten eine entgegenkommende Schwerfälligkeit zu verleihen, habe ich alle Tasten im Inneren mit jeweils 20 oder 25 Gramm beschwert. Das fühlt sich ebenfalls sehr gut an. Das Repetierverhalten ist durch die Gewichtung in keiner Weise beeinflusst.« Auch sei die Tastatur durch die Modifikation der Gewichte angenehm leise geworden. »Das lästige ›Schnippsgeräusch‹ beim Zurückschnalzen der MIDI-Taste hat sich nahezu erledigt.«

Unterseite der Tasten, darunter auf einer Leiste die Druckpunkte. »Sie sind herausnehmbar – so lassen sie sich bei Bedarf gut reparieren und ersetzen.«
Blick auf die Tasten: Innen und am äußeren Ende hat Laube Gewichte eingebracht.
Die beiden verzierten Taster ermöglichen eine Sound-Umschaltung. Ihr Signal läuft in ein Nummern-Pad, das in einem Kästchen versteckt ist.
Die Steuerung zwischen Tastatur und Rechner erfolgt per Doepfer MKE Universal MIDI-Einheit.
Gotik-Stilelemente: Außen hat Pierre Laube ein Gemälde der ›Freien Stadt Novigrad‹ aus einem seiner Lieblings-Games, »The Witcher«, als Concept Art gewählt. Die Gemälde sind als Drucke eingebracht.

Somit sei der Grundstock für ordentliches Spiel gegeben, resümiert Laube. Es bleibt eine – immerhin ausdifferenzierte – Annäherung: Solange eine Zugfeder im Spiel sei – was praktisch alle MIDI-Tastaturen ohne Hämmer betrifft, könne man experimentieren, wie man will, meint Laube. »Es wird sich – ob mit oder ohne Druck- oder Zupfpunkt – kein hundertprozentiges Cembalo-Gefühl einstellen. Jeder, der eines gespielt hat und darüber nachdenkt, was mechanisch passiert, weiß, dass nach dem Auslösen des Kiels an der Saite die Taste zwar noch Gewicht hat, aber kein sich aufbauender Zug aufkommt. Das macht den Unterschied. Bei MIDI-Tasten zieht die Feder bis zum Schluss und katapultiert die Taste förmlich beim Loslassen zurück. Eine Cembalo-Taste hingegen ist mehr oder weniger ausbalanciert. Der schwerste Moment in der Bewegung ist der des Zupfens. Danach kann man Finger nahezu liegenlassen. MIDI bedeutet zunächst immer ›drücken‹ und halten. Dem komme ich mit Gewichtung entgegen –zur Abwechslung an der Vorderseite der Taste.«

Anfangs überlegte er, Holztasten mit richtigen Tastenschwänzen zu fertigen, auf die MIDI-Tastatur zu montieren und so zu gewichten, dass die Federspannung der MIDI-Tastatur vernachlässigbar wird. Das hätte allerdings Aufwand und Materialkosten ins Extrem getrieben, zudem hätte das Gehäuse deutlich größer ausfallen müssen.

Erweiterung um Raumhall-Lautsprecher.

Im Nachgang hat er ein Außenpaar Presonus-Studiomonitore zum Setup hinzugefügt, die er mit separaten Signalen ansteuert. »Aus dem Instrument kommen die Sample-Sounds. Das Außenpaar speise ich mit einem etwas höhenreduzierten ›Chamber‹-Nachhall-Feeling per Impulse-Response-Plug-in. Somit lassen sich beide Anteile nach Geschmack ideal mischen. Als Spieler sitze ich nun direkt an der Klangquelle, so wie es sich gehört (schmunzelt) – und das Instrument steht trotzdem im Raum.«

Zweites MIDI-Virginal.

Wenige Wochen nach dem Entstehen des MIDI-Virginals erreichte mich eine weitere Nachricht: Pierre Laube war von der Leidenschaft gepackt, baute ein zweites Instrument, unter Mitarbeit seiner Partnerin, seines Vaters und eines Freundes. Die Ästhetik war bei der Variante barock geprägt. Innen befindet sich eine Gemälde-Abbildung, die er auf Leinwand drucken ließ – um das Gewicht zu reduzieren und die Aufteilbarkeit gewährleisten zu können.

Diesmal kam eine Fatar TP-63-LW-Holzklaviatur mit Kirschbaum und Ebenholzauflagen zum Einsatz, dazu Klaviaturwangen mit handgemachten Schnitzereien, die sein Vater beisteuerte. Das Grundkonzept entspricht dem ursprünglichen Modell, mit Ausnahmen: Die Monitore wurden in Hörrichtung abgeschrägt eingebracht, direkt unter Akustikstoff frei verbaut. Die Klaviatur beschwerte Laube nicht, sondern stellte die Aufhängungen der Federn auf minimalen Federzug ein. Widerstand und Druckpunkt werden damit größtenteils von den Fatar-eigenen Druckpunkten bestimmt. Die Mechanik für die virtuelle »Registrierung« wurde über ein selbst entworfenes Hebelwerk in den Korpusbereich eingebracht. Die Materialkosten beliefen sich auf rund 1.500 Euro. Die Arbeit konnte er in fünf Wochen umsetzen, weil einige »Grundlagenforschung« entfiel.

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