Maschinelle Jam Session für Alleinstehende

Maschine JAM von Native Instruments im Test

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Diejenigen unter uns die ein Instrument spielen haben bestimmt schon mal eine Jam Session besucht. Das sind Events, bei denen sich reale Menschen mit echten Instrumenten treffen, also nicht über Lan oder in einer Social Community Online Gruppe, sondern so richtig mit Strom und Verstärkern. Jedenfalls darf bei solchen Happenings dann jeder zeigen wie gut er sein Instrument beherrscht, und eigentlich geht es vor allem darum möglichst viele Noten in kürzester Zeit zum Besten zu geben. Sicherlich gibt es große qualitative Unterschiede wenn es darum geht das musikalische Gesamt Erlebnis für den Zuhörer zu bewerten. Eine Jam Session ist leider immer nur so gut wie die einzelnen Musiker im Gesamtkontext. Zum Glück, und da spreche ich als Teilnehmer einiger solcher Jam Sessions aus geplagter Erfahrung, musste man den Content bei Native Instruments hinsichtlich seiner Qualität noch nie in Frage stellen. Das umfangreiche Bundle Komplete und die zahlreichen Libraries für Maschine gehören zum weltweiten Standard und finden in allen Bereichen der Musikproduktion ihren Einsatz. Bedeutet das etwa, dass wir heute auf allerhöchstem Niveau “Jammen”? Mit zuversichtlicher Erleichterung geht’s los…

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Im Gegensatz zum sozialen und kollektiven “Jammen” mit Gleichgesinnten bei Hopfenlimonade, werden mit dem neuen Hardware Controller von Native Instruments wohl eher autistische Erfahrungen gesammelt. Doch die innovative Firma mit Sitz in Berlin gibt sich große Mühe mit ihrem neuen Controller jeglichen Kontakt zur Aussenwelt aufs Notwendigste zu reduzieren, ich neige fast dazu zu sagen, obsolet zu machen. Aber fangen wir vorne an….

Auspacken

Beim Auspacken von Jam fällt auf, dass die Maße des Controllers denen der MK2 entsprechen. Die Multi-Color-Buttons, der berührungsempfindliche Push-Regler und die Dual-Touch-Smart-Strips fühlen sich nach gewohnter und somit ausgesprochen guter Native Instruments Qualität an. Zu den Anschlussmöglichkeiten zählen ein USB Anschluss zur Verbindung mit dem Computer, ein Kensington Lock sowie eine Klinkenbuchse zum Anschluss eines Fussschalters (der selbstverständlich nicht zwingend mit dem Fuß bedient werden muss). Zum Lieferumfang gehört auch ein flaches Stativ, durch das der Controller einen besseren Neigungswinkel erfährt. Die Stromversorgung erfolgt über den USB Bus und erübrigt ein Netzteil oder -kabel. Nach Anschluss an den Computer erwacht Jam zum Leben und empfängt den User mit einem Lichtermeer. Schön!

Allgemeines

Grundsätzlich ist ein Controller ohne einen angeschlossenen Host nur eine Hardware ohne wirklichen Nutzen. Wer also darauf hofft eine große Auswahl an internen Sounds anspielen zu können, der wird enttäuscht sein da der eigentliche Content auf dem Computer parkt. Als vor über 15 Jahren die ersten großen Hardware Controller analoge Mischpulte vom Markt verdrängten, sprachen Kritiker davon “ein Controller ist doch nur eine sehr große Maus”. Dieser oft verlauteten Kritik aus dem Lager der Neider möchte ich allerdings mit zwei entscheidenden Fakten widersprechen: Zum einen ist es die Möglichkeit mehrere Parameter gleichzeitig zu bedienen (ich habe es noch nicht geschafft mit der Maus gleichzeitig die Parameter Cutoff und Delay Feedback ohne vorangegangene Makroprogrammierung zu regeln). Der zweite entscheidende Punkt liegt in der Flexibilität neue Features und Formate zu implementieren. Mit jedem Software-Update erfährt ein Controller neue Funktionen und Sounds, und das erfreut natürlich auch den Besitzer, sind doch Software Updates in der Regel deutlich günstiger als der Kauf einer neuen Hardware. Schauen wir uns also zunächst die Software Maschine und damit das Herzstück von Jam an.

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Maschine

Mittlerweile in der Version 2.5 vorliegend entwickelt sich die Maschine Software immer mehr zu einer ernstzunehmenden DAW. Im Gegensatz zu anderen DAWs die nach dem Bandmaschinen Prinzip aufgebaut sind, also linear aus einer Timeline Audio- und Midiclips auslesend, basiert Maschine auf dem Pattern Prinzip. Die Arbeit mit Patterns in Maschine  schließt jedoch nicht die Möglichkeit aus, ein Song-Arrangement zu erzeugen. Es eröffnet aber gerade beim Arrangieren und performen mehr Flexibilität und kreative Freiheit. DAWs wie Ableton Live wurden beispielsweise erst in späteren Versionen mit einer Timeline ergänzt und waren in den ersten Versionen rein auf das Pattern Prinzip beschränkt. Umgekehrt verhielt es sich bei Sequenzern wie Logic. Hier entwickelte sich aus den Pattern basierten Vorgängern Creator und Notator erst im Laufe vieler Jahre das, was man heute als Logic X kennt, und was ausschließlich auf dem Bandmaschinen Prinzip basiert.

Um die Arbeitsweise von Maschine und somit auch Jam besser zu verstehen, sollten zunächst einige Begriffe geklärt werden:

Ein Song in Maschine heißt Projekt und unterteilt sich in sogenannte Scenes (vergleichbar mit Song Parts), welche wiederum aus mehreren Pattern bestehen können. Die Länge einer Scene richtet sich immer nach der Länge des längsten Patterns das dieser Scene zugewiesen ist. Die Pattern verteilen sich auf sogenannte Groups. Eine Group beherbergt neben mehrerer Patterns bis zu 16 verschiedene Instrumente plus zugehöriger Plug-Ins und weiterer Group Plug-Ins. Der Inhalt eines Patterns besteht aus meist vielen Events. Events können Noten oder Controller Daten sein.

Zur Maschine Software gehört eine über 9GB umfassende Library, bestehend aus 445 Drumkits, 1200 Patterns, mehrerer Drumsynthesizer und Loops sowie weiterer 25GB Sounds durch das mitgelieferte Komplete 11 Select Bundle. Zu letzterem zählen unter anderem die Vollversionen der Synthesizer Massive, Reaktor Prism und Monark. Die Sounds der Maschine Library überzeugen durchgängig durch ihre Klangqualität und Aktualität. Native Instruments arbeitet für die Entwicklung der Libraries eng mit namenhaften Produzenten elektronischer Musiks zusammen. Jeder einzelne Sound wird dabei aufwendig und mit hochwertigen analogen Signalprozessoren bearbeitet bevor er als Sample in Maschine zur Verfügung steht. Und das hört man!

Bedienung

Neben einer Matrix aus 64 Multi-Color-Buttons verfügt Jam über 8 berührungsempfindliche Dual-Touch-Smart-Strips. An den Seiten befinden sich Funktion Taster mit denen die unterschiedlichen Modes für Matrix und Strips ausgewählt werden. Ein Tastenkreuz und ein endlos Encoder dienen zum Navigieren durch Patterns und Groups oder bei der Auswahl von Sounds und dem Zuweisen von Parametern. Durch Betätigen der Taste Browse öffnet sich der neue Browser in der angeschlossenen Software, welcher nun fast auf Bildschirmgröße zoomt und somit das Navigieren deutlich erleichtert.

Im Song Mode erreicht man über die oberste Reihe Taster mit der Beschriftung 1-8 die unterschiedlichen Scenes eines Projekts. Weitere 8 Scenes blättert man über die Funktion Pin um. Die Engine quantisiert das Wechseln zwischen Scenes im Play Mode immer sehr sauber und ohne rhythmische Artefakte, wodurch kreativer Freiraum entsteht verschiedene Arrangements und Übergänge zu performen. Nach Auswahl einer Scene läuft diese solange im Loop bis entweder eine neue Scene angewählt wurde, oder die Loopfunktion abgewählt wurde. Unter den Scene Tastern befindet sich die Pattern Matrix, die im Song Mode das direkte Anwählen einer Gruppe gehörigen und der dazugehörigen Patterns ermöglicht. In diesem Mode lassen sich ebenso schnell neue Patterns erzeugen, löschen oder duplizieren.

Innerhalb der Matrix sind 4×4 der insgesamt 64 Buttons segmentiert, welche im sogenannten Pad Mode das Spielen der 16 einzelnen Sounds einer Group zulassen. Im Keyboard Mode kann man darüber hinaus die gesamten 64 Taster als Keyboard-Layout nutzen und somit den Einsatz einer Midi-Tastatur sparen. Einzige Einschränkung dabei ist die nicht vorhandene Vetocity Empfindlichkeit der Pads.


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Einer meiner persönlichen Favoriten ist der Step Mode, in welchem die Matrix zum Step Sequenzer wird. Die einzelnen Events eines ausgewählten Sounds werden hier über die gesamte Matrix auf die Länge eines Patterns dargestellt und können so editiert werden. Selbstverständlich kann man auch mit einem leeren Pattern beginnen und durch Drücken der Matrix Buttons neue Beats und Sequenzen entstehen lassen. Der Step Sequenzer ist sowohl für Drums als auch für melodische Instrumente geeignet. Wer schon einmal mit einem Step Sequenzer gearbeitet hat, der weiß wie schnell diese gar spielerische Herangehensweise unerwartete musikalische Ergebnisse birgt.

Unter der Matrix befindet sich eine weitere Reihe Multi-Color-Buttons mit der Beschriftung A-H für den direkten Zugriff auf die Groups eines Projekts.

Fast alle Taster von Jam sind dual belegt. Durch gleichzeitiges Drücken der Shift Taste gelangt man zur zweiten Funktion. Einfache Funktionen wie Solo, Mute und Level für Groups oder Instruments erschließen sich ebenfalls intuitiv. Nach kurzer Zeit “jamme” ich bereits durch eines der mitgelieferten Projekte und bin dabei so überzeugt von meiner Darbietung, dass ich kurz überlege diesen Bericht nicht weiter zuschreiben, um stattdessen für horrende Gagen auf weltweiten Festivals das eben erlernte darzubieten….Ich schreibe erstmal weiter.

dual-Touch-Strips

Eines der absoluten Highlights von Jam sind ohne Zweifel die acht berührungsempfindlichen Strips, die per Default mit dem Level der überliegenden Gruppe zugewiesen sind. Das Verhalten der Strips ist erstaunlich gut, und besonders in der Feinrasterung mit gehaltener Shift Taste lassen sich sehr nuancierte Veränderungen vornehmen. Über die Funktionstasten können neben dem Level von Groups und Instrumenten auch  Zuweisungen wie Aux, Tune, Makro oder Perform vorgenommen werden. Im sogenannten Notes Mode lassen sich sogar Tonabfolgen oder Gitarrentypische Strums über die Strips performen. Hierbei kann man zwischen verschiedenen Skalen wählen oder eigene erstellen. Die Auswahl der Noten erfolgt dafür über die Buttons der Matrix, welche sich über dem jeweiligen Strip befinden. Der Notes Mode öffnet eine völlig neue und intuitive Herangehensweise für das Komponieren und entwickeln eines Tracks. Die kreative Blockade beim Komponieren mit dem erlernten und gewohnten Instrument gehört in diesem Mode der Vergangenheit an.

Im Perform Mode wird jeweils ein Parameter einer Group zugewiesen. Bei Berühren des dazugehörigen Strips wird dieser Effekt dann aktiviert und je nach Position des Berührungspunkts der Paramterwert abgerufen (Dual-Touch!). Netterweise wurden für diesen Zweck gleich ein paar neue Perform FX mitgeliefert. Alle Parametereinstellungen zu den einzelnen Strip Modes werden übrigens automatisch nach Berühren des Encoders in der Software angezeigt und können dann über das Tastenkreuz und den Encoder verändert werden.

Leider muss ich an dieser Stelle eine Warnung aussprechen: Durch die Belegung der Strips mit Effekten wie Stutter, Reso-Echo oder Delay-Feedback kann schnell ein Raum-Zeit-Kontinuum entstehen, indem man für mehrere Stunden auf unerklärliche Weise verschwindet, während immer der gleiche Loop läuft und nicht immer zur gleichen Entzückung umliegender, meist unfreiwilliger Zuhörer wie Familienmitgliedern führt.

Kontakt zur Aussenwelt

Die Ähnlichkeit zu anderen Controllern Novation oder Ableton lässt natürlich die Frage aufkommen ob Jam denn auch andere Software wie Live steuern kann? Die Antwort ist: Ja. Ableton Live User können sogar mit fast allen von Jam zur Verfügung gestellten Bedienelementen ihre Software steuern. Andere ausser Live Software kann über entsprechende Midi Maps gesteuert werden.

Ein weiteres und sinnvolles Feature ist die Möglichkeit Jam mit anderen Controllern der Maschine Serie kaskadieren zu können. Während Jam sich eher auf die Bearbeitung und das Performen eines Arrangements fokussiert können mit einer weiteren MK2 als Beispiel einzelne Sounds zusätzlich detaillierter bearbeitet werden. Die größeren und Velocitiy empfindlichen Pads erleichtern ausserdem das Live Spielen von Sounds. Meines Erachtens eine absolut sinnvolle Kombination die auch optisch aufgrund derselben Abmessungen im Falle MK2 gut zusammenpasst.

Fazit

Während bei den bisherigen Controllern der Maschine Serie schnell die Übersicht über das Arrangement verloren gehen konnte, konzentriert sich Jam mit seiner Bedienoberfläche auf genau diesen Bereich und ergänzt das bestehende Portfolio an Controllern für Maschine dadurch sinnvoll. Das kreative Jammen mit einem Projekt, der Step Sequenzer sowie die intuitiven Einsatzmöglichkeiten der Strips sind in dieser Form bisher mit keinem anderen Controller der Berliner möglich gewesen. Jam macht unglaublich viel Spaß und in Kombination mit den Features der Maschine Software, die nebenbei eine der besten Libraries für elektronische Musik bereitstellt, ist Jam ein sehr gut durchdachtes Produkt zu einem fairen Preis Leistungsverhältnis. Einzige kleinere Kritik wäre das Kontrastverhältnis der Pads bei hellen Lichtverhältnissen. Hier braucht es ein bisschen Aufmerksamkeit und Übung, um die Darstellung der Beats oder den Mute Zustand einer Taste zu erkennen. Ausserdem wäre es noch schön, wenn das 4×4 Pad Segment innerhalb der Matrix Velocity fähig wäre. Bei Letzterem muss allerdings fairerweise auf die Möglichkeit verwiesen werden, Jam mit einem anderen Maschine Controller zu kaskadieren, der über dieses Feature verfügt.

Maschine Jam Hersteller Native Instruments UvP 399,- Euro

www.native-imnstruments.com

Pro & Contra

+++
sehr guter Zugriff auf das Arrangement eines Projekts in Maschine

++
Preis Leistung Verhältnis

+
Kaskadierbarkeit mit anderen Maschine Controllern


Pads im Pad Mode (noch?) ohne Velocity


Kontrast der Taster bei hellen Lichtverhältnissen

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Danke für diesen tollen Artikel! …einfach grandios geschrieben. NUR jetzt will ich auch sofort eine haben und morgen ist Feiertag :O

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  2. Hi, Meines Erachtens fehlt immer noch eine Aufnahme(Song)
    Funktion …
    es muss ein zusätzliches “Aufnahmegerät” bemüht werden um eine
    Wav.Datei
    Rauszubekommen die man auch teilen(und weiterbearbeiten) kann…
    Macht das Sinn ???

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