You’ve Got the Silver, You’ve Got the Gold

Manley Reference Silver Großmembran-Kondensatormikrofon im Test

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Manley-Reference-Silver
(Bild: Dr. Andreas Hau)

Dass die kalifornische Röhrengerätemanufaktur Manley auch Mikrofone baut, ist hierzulande gar nicht so bekannt. Dabei gelten die Mikrofone der Reference Series in Manleys US-Heimat längst als etablierte Studiostandards. Neu im Portfolio ist das Reference Silver mit einer exquisiten, mechanisch umschaltbaren Großmembrankapsel.

Viele der heute angebotenen Röhrenmikrofone beziehen sich auf Klassiker der 1950er und 60er. Das trifft auch auf das Manley Reference Silver zu. Doch anders als üblich geht es hier einmal nicht um Mikrofonlegenden von Neumann oder AKG, sondern um ein japanisches Mikrofondesign der 1950er, das hierzulande nur wenige kennen, in den USA aber ein sehr gesuchtes Vintage-Schätzchen ist. Die Rede ist vom Sony C-37A. Ein Fan und Kenner dieses besonderen Röhrenklassikers ist David Josephson, der in seiner kalifornischen Mikrofonmanufaktur seit einigen Jahren ein zeitgemäßes Update des transistorisierten Nachfolgers C-38B anbietet, das Josephson C 715 (s. S&R 11.2010). Neben seinen eigenen Mikrofonen fertigt Josephson Engineering auch die Großmembran-Kondensatorkapseln für Manleys Reference Gold Mikrofon. Was lag näher, als sich erneut zusammenzutun, um ein amerikanisches Remake des japanischen Röhrenklassikers zu entwickeln?

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It’s (not) a Sony!

Das Ergebnis dieser kalifornischen Koalition liegt nun vor mir. In einem unkaputtbaren Kunststoffkoffer befinden sich das Mikrofon samt elastischer Halterung und Staubschutz-Überzieher, das zugehörige Netzteil sowie ein siebenpoliges XLR-Kabel, um Mikrofon und Netzteil miteinander zu verbinden.

Ungewöhnlich sind zwei Dinge: Zum einen fällt das Netzteil durch ein sehr geringes Gewicht auf, denn es handelt sich um ein modernes energieeffizientes Schaltnetzteil, das alle international üblichen Netzspannungen von 100 bis 240 V ohne Modifikationen verarbeiten kann. Ein echter Weltbürger! Zum anderen fällt auf, dass Mikrofon und Spinne nicht separat im Koffer liegen, sondern als Einheit. Es ist nämlich laut Manley gar nicht vorgesehen, die beiden zu trennen. Warum auch?

Schauen wir uns das Mikrofon mal näher an. Das 24 cm lange Gehäuse besteht aus einer Aluminiumröhre mit einem Durchmesser von 51 mm. Die passend zur Produktbezeichnung silberfarbige Oberfläche hat ein interessantes schlangenartiges Muster. Wie ich gehört habe, wird es in einem ebenso simplen wie cleveren Verfahren hergestellt: Vor der Oberflächenbehandlung wird der Gehäuseröhre ein Netz übergezogen! Auf der Front des Mikrofon-Bodys ist außerdem ein mächtiger Manley-Schriftzug aufgebracht. Der großzügig ausgeschnittene Einsprechkorb ist mit einem einlagigen, schwarzen Drahtgeflecht hinterfüttert, das akustisch offen wirkt und die Schallausbreitung kaum behindern dürfte. Auf der Rückseite ist eine Öffnung in den Korb eingelassen: Hier wird ein Spezialwerkzeug eingeführt, mit dem die Richtcharakteristik der Kapsel auf mechanischem Weg reguliert wird. Dazu später mehr. Am unteren Ende des Gehäuses befindet sich ein kleiner Schalter zur Aktivierung des LowCut-Filters.

Das gesamte Innenleben bestehend aus Kapsel und Elektronik lässt sich nach Lösen von nur zwei Schrauben am Stück aus der Gehäuseröhre ziehen. Servicearbeiten wie das Wechseln der Röhre sind somit leicht auszuführen.

Vom Feinsten ist die technische Umsetzung des Manley Reference Silver Studiomikrofons

Die Elektronik sitzt auf einer großzügig dimensionierten Platine, auf deren Rückseite eine Doppeltriodenröhre vom Typ 5670 sowie der von Manley selbst gewickelte Ausgangsübertrager Platz finden. Erst bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass sich ganz vorne im Hochimpedanzbereich ein kleiner Feldeffekttransistor befindet. Es handelt sich also um keine »alttestamentarische« Vollröhrenelektronik, sondern um eine Hybridschaltung. Mit solchen konnte Manley ja bereits in einigen neueren Produkten wie dem Nu Mu ausgezeichnete Klangergebnisse erzielen (s. S&R 7.2017). Hybridtechnik muss also kein Makel sein, erst recht nicht, wenn man, wie bei Manley, ansonsten keine Kosten und Mühen scheut. Ins Auge fallen beste Bauteile wie audiophile Folienkondensatoren und eine saubere Verarbeitung. Beim Testmikrofon gibt es allerdings auch eine Umverkabelung mit fliegender Verdrahtung − hier wurde offenbar das Schaltungsdesign verändert, nachdem die Platine bereits geätzt war. Das dürfte auch die Performance-Abweichungen gegenüber dem Datenblatt erklären. Das Reference Silver ist nämlich mit einer recht niedrigen Empfindlichkeit von 7 mV/Pa spezifiziert; das Testmikrofon war mit knapp 25 mV/Pa sehr viel pegelstärker. Offenbar wurde das Gain der Mikrofonschaltung um rund 10 dB erhöht, um in den heute üblichen Bereich zu kommen.

Die Kapsel selbst liefert nämlich einen geringeren Output als übliche Großmembrandesigns. Wie eingangs angesprochen, handelt es sich um eine sehr hochwertige Reproduktion der C3-Kapsel des Sony C-37A bzw. dessen transistorisierten Nachfolgern C-37 FET und C-38B. Diese japanischen Groß- membrankapseln sind völlig anders aufgebaut als europäische von Neumann oder AKG. Bei diesen Sony-Designs handelt es sich um Einzelmembrankapseln, deren Richtcharakteristik sich auf mechanischem Weg verändern lässt. Ähnliches findet man gelegentlich im Bereich der Kleinmembranmikrofone z. B. bei der Schoeps-Kapsel MK 5.

Vom Prinzip her ist die Konstruktion simpel: Ein mechanischer Schieber verschließt die rückwärtigen Öffnungen der Kapsel. So wird aus dem Nierenmikrofon (das zu gleichen Teilen als Druckempfänger und Druckgradientenempfänger arbeitet) ein reiner Druckempfänger mit Kugelcharakteristik. In der praktischen Umsetzung ist es allerdings schwierig, in beiden Betriebsarten sehr gute Klangergebnisse zu erzielen. Denn Druckempfängerkapseln benötigen in der Regel eine deutlich höhere Membranspannung als Nierenkapseln. Dass das bei diesem Sony Design dennoch sehr gut funktioniert, liegt vermutlich an ihrer zweiten Besonderheit: Sie arbeitet mit höherer akustischer Dämpfung als übliche Großmembrankapseln. Das beschert ihr hohe Linearität und ein exzellentes Transientenverhalten, andererseits aber auch einen niedrigen Ausgangspegel.

Das Sony C-37A war außerdem mit einer Kathodenfolgerschaltung bedacht, die als reiner Impedanzwandler keinerlei Spannungsverstärkung bewirkte; und als wäre das nicht genug, wurde der Ausgangspegel durch einen Abwärtsübertrager weiter abgesenkt. Somit hatte das Sony C-37A einen ebenso niedrigen Ausgangspegel wie ein dynamisches Mikrofon. Und das erklärt wohl auch, warum es in den USA beliebt war, während es hierzulande weithin unbekannt blieb. US-Tonstudiotechnik der 1950er und 60er war nämlich auf Bändchenmikrofone ausgelegt, die bekanntlich eine sehr niedrige Empfindlichkeit haben und entsprechend viel Verstärkung benötigten. Mit europäischen Kondensatormikros, die einen viel höheren Pegel lieferten, kam es daher immer wieder zu Übersteuerungen. Nicht so mit den Kondensatormikros von Sony!

Heute sieht das freilich anders aus. Inzwischen sind Mikrofonvorstufen primär auf pegelstarke Kondensatormikrofone optimiert. Entsprechend hat Manley gut daran getan, die veraltete Sony-Schaltung durch eine eigene zu ersetzen, die dem Manley Reference Silver zu einem zeitgemäßen Ausgangspegel verhilft. Und natürlich zu exzellentem Klang!

Praxis

Das Manley Reference Silver hat definitiv eine eigene Stimme, abseits der üblichen Neumann- und AKG-Vorbilder. Das Klangverhalten ist schwer zu beschreiben, denn es paart »japanische« Präzision mit »amerikanischem« Wohlklang. Während Sony-Style-Kapsel ein detailreiches, aber grundsätzlich eher nüchternes Bild zeichnet − im Josephson C 715 konnte ich sie bereits mit einer Transistorelektronik erleben −, fügt die Röhrenelektronik den typischen Manley-Sound hinzu: edel und sehr amerikanisch. Hier prallen Realismus und romantische Verklärung aufeinander, und doch entsteht kein Widerspruch. Das Ergebnis wirkt wie der Realismus einer fernen Epoche, wie ein Dokumentarfilm aus den 1950ern. In Sepia-Farben und zeitgemäßer UHD-Auflösung!

Konkret hat das Manley Reference Silver eine bestens austarierte Klangbalance. Von den Bässen über den gesamten Mittenbereich bis in die unteren Höhenfrequenzen arbeitet das Mikrofon weitgehend linear. Die oberen Höhen erfahren bei 12 kHz eine breite Anhebung um knapp 4 dB. Dadurch erhält das Klangbild einen angenehmen Glanz, den die Röhrenelektronik, bildlich gesprochen, in ein goldenes Abendlicht hüllt. Die hohe Impulstreue der Kapsel sorgt dafür, dass Sprachkonsonanten dennoch nicht verwischen oder ausfransen.

Ein verlässliches Datenblatt bleibt Manley leider schuldig; das wundert auch deshalb ein bisschen, weil der daran beteiligte David Josephson sich innerhalb der AES für die Vergleichbarkeit von Mikrofondaten engagiert. Das Eigenrauschen des Reference Silver gibt Manley in unüblicher Form als Verstärkerrauschen an; das bringt aber wenig, weil jeder Bezug zur Kapselempfindlichkeit fehlt. Das Testexemplar kommt auf ein Eigenrauschen von etwa 16 dB-A, was in Anbetracht an der niedrigen Kapselempfindlichkeit ein guter Wert ist − und wahrscheinlich auch nur unter Verwendung eines FETs in der Eingangsstufe zu erreichen. Die alten Sony C-37A waren nämlich nicht besonders rauscharm und wurden bevorzugt für laute Instrumente verwendet.

Die kann auch das Manley Reference Silver verarbeiten. Der Grenzschalldruckpegel ist mit 150 dB SPL angegeben. Wahrscheinlich liegt er tatsächlich einige Dezibel niedriger, da ja das interne Gain der Mikrofonschaltung angehoben wurde (jedenfalls beim Testmikrofon). Aber selbst wenn es »nur« 140 dB SPL wären, wäre es immer noch mehr als bei fast allen anderen Röhrenmikrofonen. Insofern kann das Manley Reference Silver gut auf einen Pad-Schalter verzichten. Der schaltbare Low-Cut greift sehr tief bei 55 Hz, und, wie die Messungen belegen, mit einer geringen Flankensteilheit von 6 dB/Oct. Sinnvoll ist er vor allem in Verbindung mit der Kugelcharakteristik, um ultratiefe Subbässe auszubremsen. Denn die Kapsel arbeitet dann ja als echter Druckempfänger mit nahezu unbegrenzter Tiefenabbildung.

Klanglich ist die Kugelcharakteristik ebenso ausgewogen wie die Nierencharakteristik. Bis auf eine leichte Absenkung bei 3 kHz ist der On-Axis-Frequenzgang der Kugel nahezu kongruent mit dem der Niere. Das ist eine technische Meisterleistung, insbesondere in Hinblick auf den nahezu identischen Höhenfrequenzgang. Aufgrund des großen Kapseldurchmessers ergibt sich auch in Kugelstellung eine gewisse Richtwirkung in den oberen Frequenzen. Das würde ich aber gar nicht als Nachteil betrachten, sondern als eine Klangeigenschaft, die sich gewinnbringend einsetzen lässt. Ähnlich wie es ja auch bei den »gerichteten Kugeln« von Neumann M 50 bzw. M 150 der Fall ist, wo eine ähnliche Richtwirkung in den oberen Frequenzen bewusst erzielt wird, indem eine Kleinmembrankapsel in eine Schallbeugungskugel eingelassen wird.

Beim Manley Reference Silver in Kugelstellung nimmt die Richtwirkung zu den oberen Frequenzen recht gleichmäßig zu. Schall aus dem Rückraum klingt weich bis dunkel, ohne dass auffällige Verfärbungen in den Mitten stören. So ergibt sich trotz Omnicharakteristik eine angenehme Fokussierung auf das frontale Halbfeld. Eine tolle Klangoption für akustische Instrumente, die Rauminformation benötigen, um gut zu klingen, aber dennoch nicht im Klangbrei enden sollen. Diese mechanisch umschaltbare Kugelcharakteristik des Manley Reference Silver hat definitiv größeren Praxiswert als die Kugelstellung elektrisch umschaltbarer Großmembranmikrofone. Dafür kann das Manley allerdings nicht mit Achtercharakteristik dienen.

Prinzipiell möglich wären Positionen zwischen Kugel und Niere, d. h. Breitniere oder offene Niere. In der Praxis lässt sich das aber nur schwer umsetzen, denn der mechanische Slider arbeitet nicht linear, d. h., die Mittelpositon ergibt keineswegs die Breitniere. Zudem muss vor der Betätigung der Einstellschraube das Mikrofon ausgeschaltet werden, sodass man die akustischen Auswirkungen nicht »live« mithören kann.

Fazit

Das Manley Reference Silver ist ein außergewöhnliches Großmembranmikrofon mit einzigartigen Klangeigenschaften. Es verbindet akustische Präzision mit der typischen edlen »amerikanischen« Manley-Sound-Signatur. Dabei übertreibt es in keine Richtung: Weder driftet die Kapsel ins Analytische ab, noch trägt die Röhrenelektronik zu dick auf. Es ist ein in jeder Hinsicht bestens austariertes Mikrofon mit einem entsprechend weiten Anwendungsfeld. Es eignet sich sehr gut als Gesangsmikrofon; der Hersteller empfiehlt es primär für weibliche Stimmen; mir scheint es ein tolles Mikrofon für alle Sänger, ob männlich oder weiblich, die bereits genügend Stimmvolumen mitbringen und lediglich ein wenig zusätzlichen Glanz vertragen können.

Dieser sehr natürliche Klang mit ein wenig »Feenstaub« macht das Manley Reference Silver auch zu einem vielseitig verwendbaren Mikrofon für eine Vielzahl von Instrumenten. Aufgrund der verfärbungsarmen Frequenzdarstellung, der hohen Impulstreue und der enormen Pegelfestigkeit geht nahezu alles von Akustikgitarre über Drums bis hin zu Bläsern. Zumal die mechanisch umschaltbare Kugelcharakteristik eine hoch interessante Option für größere Klangkörper bzw. Ensembleaufnahmen darstellt.

Dass man für ein so exquisites Mikrofon tief in die Tasche greifen muss, ist leider unvermeidlich. Ob der Qualität und der tadellosen Verarbeitung ist der hohe Kaufpreis jedoch angemessen.


+++
einzigartige Klangeigenschaften
+++
erstklassige Verarbeitung
+++
beide Richtcharakteristiken vollwertig nutzbar
++
gute bis sehr gute technische Werte

unvollständiges/fehlerhaftes Datenblatt

 

Hersteller/Vertrieb: Manley Labs/S.E.A. Vertrieb

UvP/Straßenpreis: 4.997,− Euro / ca. 4.200,− Euro

www.sea-vertrieb.de

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