Audio-Interface, MIDI-Keyboard & Controller

Line 6 TonePort KB37 im Test

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Line 6, Pioniere der authentischen DSP-Simulation von Gitarren-Amps und -Effekten, wenden sich seit einiger Zeit auch der Herstellung von speziellen Audio-Interfaces zu und überlassen die Klangberechnung der DAW.

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(Bild: Dieter Stork)

Das TonePort KB37 fällt zunächst durch sein extravagantes Design ins Auge. Das glänzend schwarze Kunststoffgehäuse mit seinen abgerundeten Formen wird von zwei schräg ins Gehäuse eingelassenen runden VU-Metern beherrscht, die den Charme eines Harley-Davidson-Cockpits verbreiten. Umrahmt sind die honiggelb beleuchteten Pegelanzeigen von großen chromfarbenen Reglern für die Mikrofonpegel, Ausgangs- und Kopfhörerlautstärke sowie Peak-LEDs und einer Reihe von Transportfunktions-Tastern.

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Diese können sowohl zur Steuerung des „Player” genannten Phrase-Trainers als auch zur Kontrolle eines Host-Programms genutzt werden. Die linker Hand befindlichen vier SoftControl-Potis und die darunter angeordneten Taster samt der Sound-Select-Buttons dienen der Steuerung zuweisbarer Parameter der Amp- und Effekt-Simulation, können aber auch zusätzlich oder exklusiv MIDI-Controllern zugewiesen werden. Die Potis haben ein angenehmes, leicht gedämpftes Regelverhalten, bedienen sich aber zuweilen etwas hakelig. Das liegt wohl am langen Kunststoffschaft der Potis, die das erhabene Profil des Gehäuses notwendig machte.

 

Das angenehm zu spielende dreioktavige Keyboard nimmt fast die volle Breite des Gehäuses ein. Modulation- und Pitch-Wheel mit darunter angeordneten Octave-SelectButtons und deren LED-Anzeige wurden links oberhalb der Tasten integriert.

Sämtliche Anschlüsse befinden sich auf der im typischen Line-6-Rot gehaltenen Rückseite des Gerätes. Neben den XLR-Anschlüssen mit zuschaltbarer 48V-Phantomspeisung für zwei Mikrofone gibt es einen separaten Hi-Z-Eingang mit Pad-Schalter für den Impedanz-gerechten Anschluss von Gitarren und Bässen. Ebenso vorhanden: zwei Line-Eingänge und eine Monitor-In-Buchse.

Der Kontakt zur Außenwelt wird über die Analog-Outs, den Kopfhöreranschluss und den S/PDIF-Ausgang hergestellt. Dazu gibt es noch Anschlüsse für zwei Fußschalter und ein Expression-Pedal.

Vermissen Sie etwas? Richtig, von MIDI-Buchsen war nicht die Rede. Tatsächlich hat Line 6 dem TonePort zwar eine Tastatur und MIDI-Funktionalität für die Soft-Potis und -Taster spendiert, MIDI wird aber per USB in den Rechner übertragen, und der Kontakt zu MIDI-fähigen externen Geräten wie Pedal-Boards oder Synthesizern muss dann über ein zusätzliches Interface hergestellt werden.

Auch ein Netzteilanschluss fehlt. Das ist jedoch kein Nachteil, denn auch die eher schwachbrüstige USB-Stromversorgung eines Mac PowerBooks ist locker in der Lage, den TonePort zu betreiben.

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Bestens versorgt mit Ein- und Ausgängen – lediglich die MIDI-Anbindung fehlt. (Bild: Dieter Stork)

Software

Die Software GearBox bietet in Form einer Standalone-Version und als Plug-in für VST und AU Zugriff auf die emulierten Effekte, Amps und Cabinets. Leider bleibt die VST-Schnittstelle den PC-Besitzern vorbehalten, Mac-User sind bislang auf AU-kompatible Host-Programme angewiesen. Immerhin gehört auch eine spezielle Ableton-LiveVersion zum Lieferumfang, sodass auf jeden Fall eine kompatible Host-Umgebung zur Verfügung steht.

Neben den notwendigen Treibern der Gear-Box und des Plug-ins wird zudem ein Preference-Panel in der Systemsteuerung installiert, über das sich die umfangreichen Plug-in- und MIDI-Funktionen der Buttons und Regler des TonePort zuordnen und speichern lassen. Dieses Programm übernimmt auch, falls erforderlich, die Konvertierung der SampleRate auf 88,2 oder 96 kHz. Die Wandler des Gerätes selbst arbeiten in 24 Bit mit 44,1 oder 48 kHz.

Als Nächstes lässt man den „Line 6 Monkey” sein Werk verrichten. Dieses Programm gibt Auskunft über alle Software-, Treiber- und Firmware-Versionen und installiert, sofern eine Internetverbindung besteht, die jeweils aktuellsten Versionen. Zudem können hier Add-On-Packs mit weiteren Amp-Simulationen und Effekten sowie die „gitarristenfreundliche” Recording-Lösung Riffworks gekauft und direkt installiert werden. Überraschenderweise gehört die Plug-in-Version der GearBox ebenfalls zu den kostenpflichtigen Zusätzen – die installierten Plug-ins entpuppen sich als funktionslose Dummies, die sich erst durch die Zahlung von 199 Dollar aktivieren lassen. Das Plug-in braucht man aber tatsächlich nur zu Re-Amping-Zwecken, also wenn ein trocken aufgenommenes Signal nachträglich mit Effekten, Verstärker- und Abnahme-Modellen versehen werden soll.

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Über die Record-Send-Wege kann das Signal an verschiedenen Punkten abgenommen werden.

Software-Tandem

Dreh- und Angelpunkt des Geschehens ist die GearBox, die parallel zum verwendeten Aufnahmeprogramm betrieben wird und das TonePort-Interface völlig unabhängig von der Art der verwendeten Recording-Software macht. Gleichzeitig sorgt dieses „ToneDirect” genannte Konzept für eine angenehm kurze Latenz, die von der I/O-Latenz der Recording-Software unabhängig ist, sodass diese ressourcenschonend mit hoher Latenz betrieben werden kann.

Spielen wir einmal ein typisches Aufnahmeszenario durch. Zunächst wählt man die gewünschte Input-Konfiguration aus. Im Source-Select-Menü lassen sich verschiedene Kombinationen von bis zu zwei Signalen der Mikrofon-, Line- und Instrument-Eingänge anwählen. Dabei erhält im sogenannten Dual-Tone-Modus jeder Kanal eine eigene Signalkette mit individuellen Verstärker- und Effekt-Optionen. Die „Ausspielung” in die Recording-Software geschieht über die Record-Send-Sektionen. Diese Stereo-Busse befinden sich im Dual-Tone-Modus am Ende der Effektkette. In Betriebs-Modi mit nur einer Signalkette lässt sich der Record Send 3+4 auch direkt an den Eingang legen – ohne Amp und Effekte. Auf diese Weise lässt sich das Signal gleichzeitig völlig trocken und zusammen mit den gewählten Effekten aufnehmen.

Die CPU-Last der Gear-Box ist erstaunlich gering. Auch im Dual-Tone-Modus begnügte sich das Programm mit ca. 10 % der Leistung eines 2-GHz-Dual-G5-Macs. Seltsamerweise schnellt dieser Wert auf über 60 % an, sobald man die Player-Funktion aktiviert.

Amps und Effekte

Praktisch für die Gitarren-Abnahme: Die Hum-Reducer-Schaltung analysiert die typischerweise über die Single-Coil-Tonabnehmer einer Stratocaster eingestreuten Nebengeräusche und beseitigt die höherfrequenten Brumm-Anteile recht effektiv, ohne das Signal merklich zu beeinträchtigen. Das Gate arbeitet sauber und unauffällig, mit butterweichem, linearem Ausklingverhalten. Für Mikrofonaufnahmen finden sich eine Auswahl von Vorverstärker-Emulationen wie etwa des Neve-Klassikers 1073 oder des Avalon VT 737 als Vertreter eines modernen Röhren Pre-Amps. Die insgesamt 18 GuitarAmp-Modelle bieten so ziemlich alle Varianten angesagter Verstärkersounds der letzten Dekaden. Die Palette der emulierten Geräte umfasst diverse Fender-, Marshall-, Orange- und Vox-Verstärker sowie moderne HighGain-Boliden von Mesa Boogie oder Soldano. Dazu gibt es noch Line-6-eigene Kreationen, die extreme Gain-Reserven bieten oder speziell für die Aufnahme von Piezo-Tonabnehmern konzipiert sind. Die Vielfalt der Amps kann mit einem von 23 Speaker-Cabinets kombiniert werden und mittels virtueller Shure-SM57-, Sennheiser-MD421- oder Neuman-U67-Mikrofone abgenommen werden, wobei sich der Mikrofonabstand und damit der Raumanteil (Early Reflections) stufenlos regeln lässt.

Die Effekte, für die natürlich auch diverse Klassiker Pate standen, teilen sich in folgende Kategorien auf:

– Pre-Amp/Abnahme: Gate, Volume- und Wah-Pedal, Stomp-Box (Verzerrer, Octaver, De-Esser),

– Post-Amp/Abnahme: Compressor, EQ,

– Pre/Post schaltbar: Mod-Effekte (Chorus, Flanger, Phaser, Rotary-Speaker, Uni-Vibe und Opto-Tremolo), Reverb, Delays (analog, digital und Tube).

Abgesehen von den Pre/Post schaltbaren Effekten, ist die Effektreihenfolge festgelegt.

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Auch als Übungspartner bestens geeignet: Das Metronome entpuppt sich als Drumcomputer.

Sound-Garden

Aufnahmen mit dem TonePort sind dank der winzigen Latenz und der Qualität der Emulationen die reine Freude. Die differenzierte Soundvielfalt der Amp-Simulationen bestätigt die Kompetenz und langjährige Erfahrung von Line 6 auf diesem Gebiet. Hier kann es analytisch-clean à la Roland Jazz-Chorus zugehen oder zart angeraut bis gut durchgebraten sein. Man kann natürlich auch „Tons of Gain” mobilisieren – falls Sie sich durch Panzertüren schmelzen wollen. Selbst die extremen High-Gain-Bereiche versinken dank des gut arbeitenden Gate und des Hum Reducers nicht in einem Teppich aus Rauschen und Nebengeräuschen und reagieren dabei sensibel und nuancenreich auf dynamisches Spiel und den Umgang mit dem Lautstärkepoti der Gitarre.

Die Wirkung des Expression-Pedals lässt sich, da leider nicht skalierbar, nicht so gut dosieren. Ein Standardpedal steuert den Wah-Effekt bereits nach halbem Weg voll an. Die Mikrofonvorverstärker klingen sauber und haben genügend Gain-Reserven. Mit Hilfe der Pre-Amp-Simulationen und des virtuellen LA2A-Kompressors lassen sich Charakter und Präsenz einer Stimme gut herausarbeiten.

Die MIDI-Fähigkeiten des TonePort sind dagegen etwas rudimentär ausgefallen. Das Keyboard sendet zwar Note-Off-Velocity, die Velocity-Kurve lässt sich aber nicht skalieren. Von den Soft-Potis hätten es auch ein paar mehr sein dürfen, die meisten der Verstärkernachbildungen haben immerhin schon sechs Regler. Die Belegung der Bedienelemente kann zwar komfortabel editiert werden, lässt sich aber nicht mittels Prg-Change oder per TonePort-Button umschalten, sondern muss immer über die MIDI-Control-Settings im Systemeinstellungs-Panel geschehen.

Fazit

Klanglich ist der TonePort über alle Zweifel erhaben. Bereits die Grundausstattung an Emulationen deckt so ziemlich alle musikalischen Genres und Spielarten des Gitarrenklanges ab. Ein Wermutstropfen ist allerdings der Aufpreis für die Re-Amping-Möglichkeiten, die das Plug-ins bietet.

Als kompakte All-in-One-Lösung für Gitarristen, die gelegentlich einen Keyboard-Part einspielen wollen, ist die MIDI-Ausstattung völlig ausreichend, ohne mit Funktions-Overkill zu überfordern. Wer hier Wert auf mehr Komfort legt oder bereits ein Keyboard besitzt, findet im TonePort UX-2 ein Gerät mit den gleichen klanglichen Fähigkeiten, das auf die zusätzliche MIDI-Austattung verzichtet.

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Dass das Ding etwa 2006 herausgekommen ist, muss man sich erst anderswo zusammenreimen. Artikeldatum !

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    1. Das Artikeldatum wurde angepasst. Danke für den Hinweis und die Ergänzung.
      Gruß aus der Redaktion.

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