Gar kein Rauschen mehr?

Lewitt LCT 550 Großmembran-Kondensatormikrofon im Test

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(Bild: DR. ANDREAS HAU)

Seit Jahren unterbieten sich die Hersteller von Studio-Kondensatormikrofonen mit immer niedrigeren Rauschwerten. Das neue Großmembran-Kondensatormikrofon des österreichisch-chinesischen Herstellers Lewitt wirbt nun gar mit 0 dB Eigenrauschen! Geht das überhaupt? Und vor allem: Wie klingt es?

Entwickelt werden Lewitt-Mikrofone in Wien, gebaut werden sie in China. Nun hat sich inzwischen rumgesprochen, dass China nicht gleich China ist; die Palette reicht vom klapprigen Billigschrott bis hin zum makellos verarbeiteten iPhone. Und auf der letztgenannten Seite des Spektrums ist zweifellos auch das Lewitt LCT 550 angesiedelt. Das nachtschwarze Gehäuse ist penibel verarbeitet; auch bei genauster Betrachtung ist nicht die geringste Nachlässigkeit zu erkennen. Ein so hohes Fertigungsniveau ist freilich auch in China nicht zum Billigtarif zu haben. Die unverbindliche Preisempfehlung beträgt 719,− Euro.

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 Unboxing 

Geliefert wird das LCT 550 in einem stabilen, fast würfelförmigen Koffer, in dem neben dem Mikrofon auch ein Schaumstoff-Windschutz und die zugehörige Spinnenhalterung Platz finden. Das Mikrofon selbst ist quaderförmig mit einem zylindrischen Haltestiel auf der Unterseite, welcher gleichzeitig die XLR-Ausgangsbuchse beheimatet. Dass das Styling an AKGs Großmembran-Klassiker C 414 erinnert, ist gewiss kein Zufall: Lewitts CEO Roman Perschon war einst für das Wiener Traditionshaus tätig. Vor der Inbetriebnahme gilt es, eine Papierbanderole um den Mikrofonkorb zu entfernen, die die Einsprechseite markiert. Keine schlechte Idee, denn da könnte es leicht zu Verwechslungen kommen: Normalerweise markiert das Herstellerlogo die MikrofonFront, während Schalter gerne auf die Rückseite verbannt werden, um Sänger nicht zu irritieren. Bei Lewitt ist es genau umgekehrt: Das Logo ist auf der Rückseite, und die Bedientaster samt LED-Display befinden sich auf der Einsprechseite. Was aber ganz praktisch ist für Musiker, die sich selbst aufnehmen. Als Schallwandler kommt eine klassische, mittenkontaktierte 1-Zoll-Großmembrankapsel zum Einsatz.

Die FET-Elektronik des Lewitt LCT 550 arbeitet übertragerlos. Höchst beeindruckend sind die technischen Daten. Der Grenzschalldruckpegel ist mit enormen 143 dB SPL spezifiziert und lässt sich über eine zweistufige Vordämpfung (−6 bzw. −12 dB) auf bis zu 155 dB SPL erhöhen. Sogar eine Clipping-History und eine Automatik, die die geeignete Pad-Einstellung anhand des Audiosignals ermittelt, wurden integriert. In der Praxis dürfte man weder diese Zusatzfunktionen noch die Pad-Einstellungen jemals benötigen, denn bereits 143 dB sind ein irrsinniger Schalldruck. Von mehr Relevanz ist der zweistufige Low-Cut. Die beiden Settings, 80 Hz bei 12 dB Flankensteilheit und 160 Hz bei 6 dB Flankensteilheit, sind sinnvoll gewählt, um Trittschall zu entfernen bzw. den Nahbesprechungseffekt zu kompensieren. Am meisten Aufsehen erregt das mit 0 dB-A spezifizierte Eigenrauschen. Ist das überhaupt möglich? Jein! Im Kleingedruckten weist der Hersteller darauf hin, dass sich diese Angabe allein auf die Mikrofonelektronik bezieht, während die Mikrofonkapsel aufgrund der Brownschen Molekularbewegung einen Rauschpegel von 3 dB-A erzeugt. Auch diese Aussage muss man ein wenig relativieren. Dass eine Mikrofonelektronik absolut null Rauschen produziert, ist physikalisch unmöglich, denn bereits ein einfacher Widerstand ist ein kleiner Rauschgenerator. Jedoch dürfte das Rauschen der LCT-550-Elektronik so niedrig sein, dass es von den besagten 3 dB-A der Kapsel verdeckt wird. Somit wäre der Beitrag der Mikrofonelektronik zum Gesamtrauschen tatsächlich null. Dennoch sollte der Hersteller, wie allgemein üblich, den Wert für das gesamte Mikrofon angeben, also 3 dB-A. Was immer noch Weltrekord wäre. Zweifelsfrei verifizieren lassen sich so niedrige Werte allenfalls unter Laborbedingungen in einem extrem schalldichten Isolationsbehältnis, am besten in einem Bunker fernab der Zivilisation. In der realen Anwendung gibt es selbst in sehr stillen Aufnahmeräumen einen weit höheren Geräuschpegel durch Heizungsrohre, Klimaanlagen, Außengeräusche (trotz dreifach verglasten Fenstern) oder − o Schreck! − atmende Musiker. Selbst unter besten Bedingungen hört man Unterschiede im Rauschverhalten erst ab Werten über 10 − 12 dB-A. Insofern sind alle Mikrofone mit Eigenrauschen im einstelligen Bereich quasi rauschfrei, da das Eigengeräusch stets vom Raumgeräusch überdeckt wird. Nichtsdestotrotz muss man den Hut ziehen vor dem Lewitt LCT 550, denn der resultierende Dynamikumfang (Grenzschalldruckpegel minus Eigengeräusch) von 140 dB übersteigt den eines erstklassigen AD-Wandlers um fast 20 dB! Das ist absolutes Topniveau.

Messen und lauschen

Unsere Messungen zeigen eine breitbandige Präsenzanhebung bei 4 kHz und eine etwas schmalere, kräftigere Höhenanhebung bei 12,5 kHz. Außergewöhnlich gut für ein Großmembranmikrofon ist die Response im Air-Band; bei 20 kHz fällt die Kurve nur knapp unter die 0-dB-Marke. Die feste Nierencharakteristik des LCT 550 hat eine Tendenz zur Hyperniere und weitet sich zu den tiefen Frequenzen weniger als bei vielen anderen Großmembran-Kondensatormikrofonen. Der Nahbesprechungseffekt, der mit dem Richtverhalten zusammenhängt, ist daher recht stark ausgeprägt, sodass sich im Messabstand von 33 cm noch immer eine deutliche Bassanhebung einstellt. In üblichen Mikrofonabständen erscheinen die Mitten daher leicht zurückgenommen. Trotz der markanten Frequenzkurve klingt das Lewitt LCT 550 auf subjektiver Ebene überraschend natürlich und unverfälscht. Die hervorgehobenen Höhen wirken keineswegs scharf. An der Akustikgitarre gefällt der frische, detailreiche Klang mit sehr guter Transientenwiedergabe. Letztere empfiehlt das Lewitt LCT 550 auch für Drums und Percussion, zumal es auch höchste Schallpegel verzerrungsfrei verarbeiten kann − sofern der nachgeschaltete Preamp mitspielt. Denn mit einer Empfindlichkeit von 36 mV/Pa liefert das LCT 550 einen sehr hohen Ausgangs – pegel; bei Erreichen seines Grenzschalldruckpegels satte +22 dBu!

Auch wenn der Hersteller es nicht primär als Gesangsmikrofon anpreist, eignet sich das LCT 550 sehr wohl auch für Vocals. Zwar ist der subjektive Vergrößerungseffekt, den man sich von einem Großmembranmikrofon verspricht, eher schwach ausgebildet, doch besonders für Charts-Pop und Rap weiß der moderne, in den Höhen bestens ausgeleuchtete Sound durchaus zu gefallen. Für erdige bzw. Rock-orientierte Musikrichtungen würde man sich etwas kernigere Mitten wünschen. Zischlaute werden sehr natürlich ohne Zerrartefakte eingefangen − hier zahlt sich der hohe interne Headroom aus. Aufgrund der starken Höhenwiedergabe wird man dennoch mitunter zum DeEsser greifen müssen.

Fazit

Das Lewitt LCT 550 ist ein topmodernes Großmembranmikrofon mit einem ebenso modernen, crispen, quietschsauberen Klangbild. Die technische Performance ist ausgezeichnet. Das Eigenrauschen ist sensationell niedrig, der Grenzschalldruckpegel extrem hoch − in der Praxis sind das zwei Sorgen weniger. Trotz der festen Nierencharakteristik ist das LCT 550 recht universell einsetzbar, denn bis auf die durchaus geschmackvolle Höhenbetonung fängt es Schallquellen weitgehend unverfälscht ein. Wer einen Soundmacher mit dem besonderen Mojo sucht oder ein klangschmeichlerisches Gesangsmikrofon, liegt hier falsch. Das Lewitt LCT 550 ist ein technisch hoch entwickeltes, transparent klingendes Universalmikrofon ohne Starallüren.


+++ extrem rauscharm

+++ sehr pegelfest

++ sehr sauber verarbeitet

+ recht universell verwendbar

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