Extrem rauscharm

Lewitt LCT 540 S – Großmembran-Kondensatormikrofon im Test

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(Bild: Dr. Andreas Hau)

Vor zwei Jahren stellte Lewitt Audio das LCT 550 vor, ein Mikrofon mit 0 dB Eigenrauschen. An seine Stelle tritt nun das LCT 540 S — das »S« steht für »Subzero«, denn es ist das erste Mikrofon, dessen Eigenrauschen unter 0 dB liegen soll. Negatives Rauschen? Geht das? Wir haben nachgebohrt.

Ursprünglich angekündigt war das Mikrofon unter der Bezeichnung LCT 540 Subzero; so steht es auch auf dem Karton des Vorab-Testexemplars zu lesen. Während der NAMM im Januar stellte sich jedoch heraus, dass die Bezeichnung »Subzero« in Europa geschützt ist, und so musste es kurzfristig in LCT 540 S umbenannt werden, während im Rest der Welt das »S« als Subzero ausgeschrieben wird.

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Äußerlich gleicht das neue LCT 540 S seinem in S&R 5.2015 getesteten Vorgänger LCT 550 wie ein Ei dem anderen: Die Maße von 158 x 52 x 36 mm sind identisch, und auch der Lewitt-typische Look wurde unverändert beibehalten. Das Gehäuse aus Zink-Druckguss bildet einen anthrazitfarbenen Quader mit gebrochenen Kanten, dessen obere Hälfte der Mikrofonkorb aus wabenförmig gelochtem Stahlblech einnimmt. Die frontseitige Beschriftung, das rückseitige Lewitt-Logo und sogar der Membranring der Kapsel im Mikrofonkorb sind in einem leuchtenden Neon-Grün abgesetzt. In der Front eingelassen sind drei Bedientaster sowie ein Display, das die Betriebszustände anzeigt.

Gehalten wird das LCT 540 S in einer vorne offenen Spinnenhalterung aus Kunststoff. Für Gesangsaufnahmen lässt sich ein Pop-Schirm aus doppellagigem mikroperforiertem Metall aufsetzen. Dazu müssen keine fummeligen Schrauben angezogen werden; der Pop-Schirm wird magnetisch an Ort und Stelle gehalten. Zum Lieferumfang gehören außerdem ein Transport-Case aus »unkaputtbarem« Kunststoff, ein Kunstlederetui sowie ein Schaumstoff-Windschutz für Außenanwendungen.

Genauer betrachtet

Wie sein Vorgänger arbeitet das LCT 540 S mit fester Nierencharakteristik. Das gehört zum Ultra-Low-Noise-Konzept, denn wenn die hintere Membran einer Doppelmembran-Kondensatorkapsel elektrisch aktiv wird, dämpft ihre Kapazität den Ausgangspegel der vorderen Kapselhälfte (und umgekehrt). Da der Rauschpegel der Mikrofonelektronik aber gleichbleibt, ist der Signal-Rauschabstand bei einem umschaltbaren Kondensatormikrofon immer ein paar Dezibel schlechter als bei einem ansonsten baugleichen Kondensatormikrofon mit nur einseitig kontaktierter Kapsel, d. h. mit fester Nierencharakteristik.

Ebenfalls unabdingbar für einen guten Signal-Rauschabstand ist eine Kapsel mit einem kräftigen Ausgangssignal. Übertragerlose Kondensatormikrofone wie das LCT 540 S arbeiten meist mit Unity-Gain, d. h., das Kapselsignal wird von der Elektronik weder verstärkt noch abgeschwächt, sondern lediglich auf eine niedrige Ausgangsimpedanz gewandelt. Die hohe Effizienz von Lewitts 1-Zoll-Schallwandler lässt sich somit an der Mikrofonempfindlichkeit ablesen: satte 41 mV/Pa (−27,7 dBV re 1 Pa). Das ist nochmals gut 1 dB mehr als beim bereits sehr pegelstarken Vorgänger LCT 550 (36 mV/Pa) und sogar 5 dB mehr als beim bekanntermaßen recht pegelstarken Neumann TLM 103 (23 mV/Pa). Übrigens wird jedes LCT 540 S auf exakt die gleiche Empfindlichkeit abgeglichen; Lewitt nennt das »Perfect Match Technologie«.

Eine so hohe Empfindlichkeit birgt aber auch die Gefahr interner Übersteuerungen, wenn das Mikrofon hohen Schallpegeln ausgesetzt ist. Das ist mit ein Grund, warum moderne Kondensatormikros nach dem oben beschriebenen Prinzip »Stromverstärkung ohne Spannungsverstärkung« arbeiten, denn jede zusätzliche Signalverstärkung würde den Grenzschalldruckpegel herabsetzen. Das Lewitt LCT 540 S kann Schallpegel von bis zu 136 dB verzerrungsfrei verarbeiten; mit Vordämpfung (umschaltbar 0, −6, −12 dB) sogar bis zu 148 dB SPL. Das ist mehr als genug für alle sinnvollen Anwendungen. Der Vorgänger LCT 550 schaffte sogar 143 dB SPL bzw. 155 dB SPL mit Vordämpfung − allerdings um den Preis eines hohen Stromverbrauchs von 5,5 mA. Beim LCT 540 S wurde dieser auf 3,6 mA gesenkt.

Und das ist gut so! Weil nämlich viele Preamps bzw. Audio-Interfaces keine normgerechte Phantomspeisung bereitstellen und schon bei leicht erhöhter Stromentnahme einbrechen. Das betrifft insbesondere USB-Audio-Interfaces mit Bus-Powering, aber auch manchen ansonsten hochwertigen Vorverstärker. Vor diesem Hintergrund bemühen sich die meisten Mikrofonhersteller, den Strombedarf unter 5 mA zu halten, obwohl die Spezifikation eigentlich bis zu 10 mA erlaubt. Nach anfänglicher Rebellion − frühe Lewitts zogen bis zu 6,6 mA − scheint der Hersteller sich nun der Faktenlage zu beugen, denn allzu oft werden Klangeinbußen und Fehlfunktionen durch mangelnde Stromversorgung zu Unrecht auf das Mikrofon geschoben.

Eine andere Schwierigkeit besonders ausgangsstarker Kapseln ist, einen ausgeglichenen Frequenzgang zu erzielen. Das hat Lewitt offenbar sehr gut im Griff: Das LCT 540 S zeigt sich sogar außergewöhnlich linear für ein Großmembranmikrofon. In unseren Messungen entfernt sich das Lewitt bis etwa 3 kHz kaum von der 0-dB-Linie. Darüber steigt die Kurve sehr sanft an, wobei die leichte Präsenzanhebung nahtlos in eine etwas stärkere, aber immer noch moderate Höhenanhebung bei etwa 13 kHz mündet. Bemerkenswert gut ist die Höhendarstellung im Air-Band: Während die meisten Großmembran-Kondensatormikrofone oberhalb 15 kHz rasch abfallen, liegt das Lewitt LCT 540 S bei 20 kHz erst bei −1,5 dB. Chapeau!

Dem Rauschen lauschen

Was hat es nun aber mit »Subzero« auf sich? Kann ein Mikrofon weniger als 0 dB Eigenrauschen produzieren? Gibt es so etwas wie »negatives Rauschen«?

Dazu muss man ein wenig ausholen: Rauschpegel werden in Bezug zum menschlichen Hörvermögen angegeben. 0 dB SPL steht also nicht für das physikalische Minimum, sondern für die in Versuchen mit »normal« hörenden Probanden ermittelte Hörschwelle. Diese ist jedoch nicht für alle Frequenzen gleich (Stichwort: Fletcher-Munson-Kurve); am empfindlichsten ist unser Gehör bei etwa 3,5 kHz. Zwischen dieser Hörschwelle und dem physikalischen Minimum existiert somit noch ein Bereich unter 0 dB SPL. Dieser ist allerdings nur sehr schmal, zumal man bei der Ermittlung der Hörschwelle seinerzeit Fehler gemacht hat: Wie sich später herausstellte, liegt sie im empfindlichsten Bereich des Gehörs bereits unter Null, bei −5 dB SPL.


Moderne Technik:

Das Lewitt LCT 540 S hat eine übertragerlose Elektronik, die extrem rauscharm arbeitet und Schallpegel bis 136 dB ohne Vordämpfung verzerrungsfrei verarbeiten kann.

Das LCT 540 S zeigt sich über den gesamten Mittenbereich weitgehend linear. Die leichte Präsenz - anhebung ab 4 kHz mündet in eine etwas stärkere Höhenbetonung bei 13 kHz. Bemerkenswert ist der geringe Pegelabfall im Air-Band.
Die beiden Low-Cut-Einsatzfrequenzen von 80 und 160 Hz sind primär auf männliche bzw. weibliche Gesangsstimmen abgestimmt.
Das samt Kapsel gemessene Rauschen liegt laut Hersteller über alle Frequenzen unter der mensch - lichen Hörschwelle. (Diagramm: Lewitt)

Als ob die Sache nicht kompliziert genug wäre, kann man das Eigenrauschen eines Mikrofons in unterschiedlichen Verfahren ermitteln. Einige Hersteller tun dies auf rein elektronische Weise, indem sie die Kapsel durch einen Kondensator gleicher Kapazität ersetzen. Das ist eigentlich nicht normgerecht und führt zu geschönten Ergebnissen. Im Gegensatz zu einem einfachen Kondensator hat eine Kondensatorkapsel nämlich eine zusätzliche Rauschquelle in Form der sich bewegenden Luftmoleküle (Molekularrauschen). Rein elektronisch gemessen, erreichte der Vorgänger LCT 550 ein Eigengeräusch von 0 dB-A; das neue LCT 540 S erzielt laut Hersteller sogar −1 dB-A.

Die eigentlich normgerechte Methode ist, das gesamte Mikrofon inklusive Kapsel in einem Isolationsbehältnis (»Rauschbombe«) zu messen. Das ist bei extrem rauscharmen Mikrofonen keine triviale Aufgabe. Fürs LCT 540 S hat Lewitt ein 4,5 Tonnen (!) schweres Monstrum auffahren müssen, um ausreichende Isolation zu erzielen. Die Herstellermesskurve zeigt, dass das Eigenrauschen des LCT 540 S tatsächlich über alle Frequenzen unter der menschlichen Hörschwelle bleibt. Der numerische Wert liegt nach Summierung und A-Bewertung dennoch bei +4 dB-A.

Praxis

Genug der Theorie. Was bedeutet das für die Praxis? Nun, selbst in einem sehr leisen Aufnahmeraum bleibt immer ein gewisses Grundgeräusch, das wir normalerweise gar nicht wahrnehmen. Dieses Grundgeräusch ist in den allermeisten Fällen höher als das Eigenrauschen des Mikrofons. Insofern konnte ich im konkreten Vergleich mit dem rauschärmsten Mikrofon meiner Sammlung, dem Neumann TLM 103, keinen Unterschied im Rauschpegel ausmachen, obwohl das Eigenrauschen des TLM 103 mit 7 dB-A auf dem Papier 3 dB höher ist. Als Preamps kamen zwei extrem rauscharme True Systems PT2-500 zum Einsatz. Nach meiner Erfahrung ist bis zu einem Ersatzgeräuschpegel von ca. 10 bis 12 dB-A selbst unter sehr guten Bedingungen kein Unterschied auszumachen; wenn externe Rauschquellen wie Netzteillüfter, Klimaanlagen o. Ä. dazukommen, erst recht nicht. Dennoch bieten ultrarauscharme Mikrofone wie das LCT 540 S einen handfesten Mehrwert: Man kann absolut sicher sein, dass das Mikrofon kein zusätzliches Rauschen verursacht. Eine Sorge weniger!

LCT540S Lewitt
Das LCT 540 S kommt im typischen Lewitt-Look. Rechts, am Steg des Mikrofonkorbs, ist beim Vorabexemplar noch der »Subzero«-Schriftzug zu erkennen. (Bild: Dr. Andreas Hau)

Der beste Rauschabstand ist natürlich wenig wert, wenn das Mikrofon nicht auch andere Qualitäten besitzt. Das LCT 540 S bietet den typischen Lewitt-Sound: offen, spritzig, höhenreich. Stimmen und Instrumente werden weitgehend unverfälscht abgebildet. Unangenehme Resonanzen oder Verfärbungen waren nirgends auszumachen. Allerdings sind Großmembran-typische Vergrößerungs- und Verschönerungseffekte auch nur in geringem Maß vorhanden. Das LCT 540 S ist also eher ein neutraler Schallwandler als ein raffinierter Klangschmeichler. Aber die Klangmagie eines klassischen Röhrenmikrofons darf man von einem FET-Mikrofon unter 1.000 Euro kaum erwarten.

Was das LCT 540 S aus der Masse hervorhebt, sind das sehr gute Transientenverhalten und die detaillierte Abbildung der höchsten Höhen im Air-Band. Das prädestiniert das LCT 540 S für Instrumente mit starken Obertönen und/oder schnellen Einschwingvorgängen. An der Akustikgitarre zeigt sich das LCT 540 S sehr offensiv, aber keineswegs harsch. Die Plektrumanschläge werden noch stärker herausgestellt als beim zum Vergleich herangezogenen Neumann TLM 103. Mit seinem sehr detailreichen Klang eignet sich das LCT 540 S primär für solistische Aufnahmen; zur Songbegleitung wäre dagegen ein weicher bzw. dunkler klingendes Mikrofon geeigneter, um nicht zu sehr von der Gesangsstimme abzulenken.

LCT540S Lewitt
Zum Lieferumfang gehören eine elastische Aufhängung aus robustem Kunststoff und ein aufsetzbarer PopSchirm mit Magnethalterung. (Bild: Dr. Andreas Hau)

Eine sehr gute Wahl ist das LCT 540 S für Drums und Percussion. Dank des hohen Grenzschalldruckpegels wird man nur in den seltensten Fällen die Pad-Funktion benötigen. Wer’s genau wissen will: Das LCT 540 S bietet eine Clipping-History, die anzeigt, ob das Mikrofon übersteuert hat, sodass man nach dem Soundcheck weiß, ob man vielleicht doch die Vordämpfung (−6, −12 dB) aktivieren sollte. Praktisch ist auch ist die Key-Lock-Funktion, um unabsichtliches Betätigen der Pad- und Low-Cut-Schalter zu unterbinden. Die Low-Cut-Frequenzen 80 Hz und 160 Hz sind primär auf tiefe bzw. hohe Gesangsaufnahmen abgestimmt. Für Instrumentenaufnahmen hätte ich mir ein zusätzliches 40-Hz-Setting gewünscht, das lediglich tieffrequenten Störschall entfernt und den nutzbaren Audiobereich weitestgehend unangetastet lässt. Andererseits wird Trittschall ja bereits durch die mitgelieferte elastische Aufhängung reduziert. Sehr gut gefallen hat mir der aufsteckbare Poppschirm, der die Kapsel recht gut vor Plosivlauten schützt, ohne den Klang zu beeinträchtigen.

Fazit

Das LCT 540 S hat mehr zu bieten als »nur« besondere Rauscharmut. Es ist ein topmodernes Großmembran-Kondensatormikrofon mit ausgezeichneten technischen Werten und einem ebenso hochwertigen und modernen Sound: klar, sauber, höhenreich − typisch Lewitt eben. Trotz einer offensiven Note wirkt das Klangbild nicht unangenehm hart, und obwohl es recht klangneutral ist, würde ich es nicht als »steril« bezeichnen. Gleichwohl ist es kein Klangschmeichler. Wer ein Mikrofon sucht, das aus einer kleinen Stimme eine große macht, liegt hier falsch. Wer dagegen ein vielseitig verwendbares Studiomikrofon benötigt, das von Vocals über Gitarren bis hin zu Percussion alle üblichen Aufgaben in hoher Qualität abdeckt, der wird vom Lewitt LCT 540 S nicht enttäuscht werden.

LCT540S Lewitt(Bild: Dr. Andreas Hau)

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äußerst rauscharm
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sehr pegelfest
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sehr sauber verarbeitet
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Spinne und Pop-Schirm im Lieferumfang

Hersteller/Vertrieb: Lewitt/Musik & Technik
UvP/Straßenpreis: 832,− Euro / ca. 700,− Euro

www.lewitt-audio.com

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