Serie Location Recording

Lavaliermikrofone im Einsatz

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In dieser Ausgabe soll auf das Handling dieser hilfreichen Mikrofone eingegangen werden.

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Als optimaler Abstand eines Lavalier-Mikros gilt laut einer Faustregel der Abstand zwischen Daumenspitze und kleinem Finger (Bild: Harald Heckendorf)

Tatsache ist, dass manche Tonleute auf den Einsatz von Lavaliermikrofonen am liebsten ganz verzichten möchten. Andere wiederum bevorzugen Lavaliermikrofone und setzen sie ein, wann und wo immer es nur möglich ist. Die sinnvollen Einsatzmöglichen sind daher – wie immer – differenziert zu sehen. Denn wie schon bei den Richtmikrofonen an Tonangeln, so gilt auch bei den Ansteckern, dass erst das richtige Handling die besten Klangergebnisse hervorbringt. Dabei sind die Anforderungen innerhalb des jeweiligen Arbeitsbereichs maßgebend.

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Ein O-Ton während einer tagesaktuellen Berichterstattung, eine Dokumentation oder eine szenische Produktion verlangen natürlich nach unterschiedlichen Lösungen im Umgang mit Ansteckmikrofonen. Und nicht zuletzt die Entscheidung, ob ein Mikrofon sichtbar oder versteckt getragen werden kann (oder soll), erfordert eine spezielle Herangehensweise. Die Arbeitsweise in szenischen Produktionen verlangt in der Regel immer nach versteckten Mikrofonen, während dokumentarische bzw. halbdokumentarische Dreharbeiten (RealitySoaps) meist darauf verzichten können. Manchmal wird aber auch dort dazu übergegangen, Lavalier-Mikrofone unsichtbar anzubringen.

Doch Mikrofone in und unter der Kleidung so anzubringen, dass sie dauerhaft keine Störgeräusche verursachen, bedarf der Beachtung einiger Regeln und der Beherrschung einiger Techniken. Wenn man diese nicht kennt oder die dafür nötigen Bedingungen nicht vorfindet, sollte man sich (unter Produktionsbedingungen) gar nicht erst auf einen Versuch einlassen.

Die Praxis zeigt, dass selbst mancher erfahrene TV-Realisator die Möglichkeiten und die Bedingungen des Mikrofonversteckens nicht kennt. Mikrofone zu verstecken erfordern Zeit. Diese Zeit gibt es leider bei den Produktionsweisen vieler TV-Formate nicht. Wenden wir uns also zunächst der Arbeitsweise mit sichtbaren Lavalier-Mikrofonen zu.


 

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Das sichtbare Ansteckmikrofon

Interview, Statement oder Moderation: Ein Lavalier-Mikrofon ist schnell angebracht und kann die Arbeit erheblich erleichtern. Man kann sich an diese Arbeitsweise so sehr gewöhnen, dass man bisweilen versucht sein könnte, weitere Mikrofone im Teamfahrzeug zu lassen, wenn man, am Einsatzort angekommen, schwer bepackt zum Schreibtisch des O-Ton-Partners im 4. Stock einer Stadtverwaltung gehen muss. Wenn das Gebäude auch noch aus der Zeit stammt, als Fahrstühle noch nicht erfunden waren, ist man froh für jedes Gramm und jedes unhandliche Ausrüstungsteil, das nicht mitgeschleppt zu werden braucht (in diesem Fall Tonangel und Windkorb).

Im Büro des Interviewpartners angekommen, muss man jedoch plötzlich feststellen, dass die Kleidung des Interviewpartners dermaßen ungeeignet ist, um ein Lavalier-Mikrofon einigermaßen telegen zu drapieren, dass daher ein Interview besser „geangelt” werden sollte (Rollkragenpullover dürften auf der Skala der ungünstigen Befestigungsmöglichkeiten für Anstecker ganz oben stehen – etwa punkt- und torgleich mit nackten Oberkörpern …).

Also greift man dann doch wieder auf das Mikrofon an der Angel zurück und macht sich zunächst wieder auf den Weg zum Teamwagen, um Angel und Richtmikrofon zu holen. Passiert so etwas unter Zeitdruck, ist das Gesprächsthema für die Rückfahrt zum Studio an dieser Stelle bereits vorgegeben. Doch Spaß beiseite. Erstens sollte man sich als Tonverantwortliche(r) niemals ohne sein Hauptarbeitsgerät – Mikrofon an der Tonangel – am Set blicken lassen (zur Seite stellen kann man das unhandliche Arbeitsgerät schließlich immer noch) und zweitens gibt es sowohl für Rollkragen und auch nackte Oberkörper Befestigungsmöglichkeiten für Lavaliermikrofone.

Die gängigste Methode, ein Lavalier an der Kleidung eines Protagonisten anzubringen, ist der so genannte Alligator-Clip. Dabei wird ein Mikrofon in eine für das jeweilige Modell passgenaue Halterung eingesetzt, die sich am oberen Ende eines Abstandhalters befindet. Diese Halterung, die sich wiederum an einem Schenkel des Clips befindet, ist manchmal drehbar, sodass der Clip sowohl rechts als auch links angeklemmt werden kann. Diese Alligator-Clips eignen sich für eine Vielzahl verschiedener Kleidungstücke – aber meist nur für einen Mikrofontyp. Die meisten Hersteller verwenden zwar ähnliche Prinzipe, nur leider kommt es allzu häufig vor, dass die Systeme auf Grund der verschiedenen Mikrofonformen untereinander nicht kompatibel sind.

Besonders geeignet sind für diese Befestigungsmethode Knopfleisten an Hemden und Blusen bzw. Revers von Kostümen oder Anzügen sowie auch Krawatten. Trägt die Person, die mikrofoniert werden soll, einen Pullover oder ein T-Shirt, kann zwar auch das Mikrofon mit einem Clip befestigt werden. Eine optimale Entfernung zur Schallquelle ist meist nicht realisierbar, denn mit den Alligator-Clips ist nur eine Befestigung am Kragen eines T-Shirts möglich. Hier bietet es sich möglicherweise an, auf (weniger populäre) Dracula-Clips oder MagnetClips zurückzugreifen, um die optimale Position für das Mikrofon zu erreichen.

Doch was ist denn überhaupt die optimale Entfernung zur Schallquelle? Erfahrene Tonmeister haben eine Faustregel entwickelt, die auch im wahrsten Sinne des Wortes eine Faustregel ist. Als optimaler Abstand eines Lavaliermikrofons gilt danach der Abstand zwischen Daumenspitze und der Spitze des kleinen Fingers, während die übrigen drei Finger dabei im Handteller ruhen. Befindet sich die Spitze des Daumens auf Höhe der Lippen, dann deutet der Fingernagel des kleinen Fingers auf die Stelle, an der das Mikrofon angebracht werden sollte. Eine Anmerkung dazu: Diese Regel ist bei Erwachsenen anzuwenden und bei Kindern entsprechend zu variieren. Wie wichtig (oder wie hörbar) die Positionierung eines Lavaliermikrofons sein kann, soll uns ein Praxisbeispiel verdeutlichen.

Praxisbeispiel für die Positionierung eines sichtbaren Lavaliermikrofons

Mehrmals morgendlich meldet sich aus einer großen deutschen Börse ein Reporter, um den Heuschreckenschwärmen des 20. Jahrhunderts die Flugbahn vorzugeben. Die technische Betreuung für diese „Live-Schaltung” übernimmt jeden Tag ein EB-Team, das von einem nahen Landesstudio gestellt wird. An diesem Morgen ist die Aufgabe sowohl für den Kameramann als auch für den Tonverantwortlichen neu.

Die Probleme beginnen schon bei der Parkplatzsuche und enden erst, als der stets dafür vorgesehene kleine, teils verglaste Studioraum auf der Galerie der Börse in letzter Minute gefunden wird. Im letzten Moment kann dem Reporter das Mikrofon angebaut, die Leitung gesteckt und die Kamera eingerichtet werden. Dann ist man sofort auf Sendung. Geschafft. Nach der Live-Schaltung putzen sich alle Beteiligten glücklich den Schweiß von der Stirn. Getrübt wird die Stimmung, als plötzlich über die Rückleitung des Studios der Toningenieur höflich darum bittet, für die nächste Schalte in einigen Minuten das Mikrofon doch 5 cm höher zu setzen. Zu viel Raumanteil war zu hören.

Legt man zu Grunde, dass bei einem Raumvolumen von ca. 50 Kubikmetern (also einem großen Wohnzimmer oder Büro von 5 × 4 m und 2,5 m Höhe) und einer trockenen bis wenig halligen Akustik der Hallradius für ein ungerichtetes Mikrofon bei ca. 60-70 cm liegen dürfte, so kann man wohl kaum ein Ansteckmikrofon außerhalb des Hallradius’ an einer Krawatte befestigen. Eine solche Krawatte müsste über eine überproportionale Ausdehnung verfügen. Für den Toningenieur in der Senderegie war der überhöhte Raumeindruck dennoch hörbar.

Die akustischen Bedingungen in dem kleinen, nur für diese Art von Aufsager konzipierten Studios (viel Glasflächen, dadurch viele Reflexionen) verlangten nach einer präzisen Platzierung des Ansteckers, die, in diesem Fall auch durch die knappe Vorbereitungszeit, leider unberücksichtigt geblieben war. Sicherlich ist dieser Vorfall nicht als ein katastrophaler Fehler zu bezeichnen, aber er verdeutlicht, dass es durchaus von Bedeutung ist, ein Lavalier-Mikrofon präzise (d. h. nicht beliebig) zu platzieren.

Sonstige Hürden Die „richtige” Platzierung eines Ansteckmikrofons kann sich jedoch auch dann als unvorteilhaft erweisen, wenn zum Beispiel Kinder (oder auch Kleintiere) im Laufe der Dreharbeiten häufig an die Brust des Protagonisten gedrückt werden. Gleiches gilt für Begrüßungs- und Abschiedsszenen, in denen sich die Protagonisten gegenseitig an die Herzen drücken. Bei Dreharbeiten in Pkws sollte man vorausschauend darauf achten, dass Lavaliers nicht an der Stelle angebracht werden, an denen irgendwann die Sicherheitsgurte stören könnten.

Kein TV-Realisator merkt, wenn man als Tonverantwortlicher alles richtig macht, sondern nur, wenn ein Fehler auftaucht und man etwas korrigieren muss.

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Habe vor einigen Monaten eine neue Stelle übernommen, in der ich verantwortlich bin für die Produktion von TV-Sendungen. Vorher war ich als Videojournalist im Newsbereich tätig und arbeitete nur mit einem einfachen XLR-Kabel-Mikrofon. Jetzt muss ich bis zu 4 Personen gleichzeitig verkabeln mit Lavalier Ansteck-Miks. Schnell musste ich merken, wie tricky es eigentlich ist, dass alle Töne einfach “gut” sind. So schnell ertönen doch Reib-, Stör- oder Knackgeräusche. Die richtige Anbring-Methode kann Wunder bewirken und ich bin immer noch viel am dazu lernen. Nichts nervt mehr als wenn du im Schnitt merkst, wie sch…. der Ton eigentlich ist und du Zeit verlierst mit Ton ausbessern (was man ja nie perfekt hinkriegt). Lange hatte ich auch unerklärliche Störgeräusche, bis ich merkte, dass wir auf nicht mehr erlaubten Frequenzen sendeten. Arbeite nun mit den AVX digital Miks von Sennheiser, da fällt schon einmal das Frequenzen-Problem weg. Was ich bereits gelernt habe: Mehr Zeit nehmen beim Verkabeln und mehr mit Gaffa arbeiten :).

    Liebe Grüsse
    André

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