Motown-Mojo

Im Test: Heritage Audio Motorcity Equalizer

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Heritage Audio Motorcity EQ(Bild: Dr. Andreas Hau)

Zahllose Legenden ranken sich um die Motown Recording Studios in Detroit, die in den 1960ern Hit auf Hit produzierten – stets im typischen, selbst für Laien erkennbaren Sound. Zum verwendeten Equipment war lange nur wenig bekannt, außer dass viele Sonderanfertigungen zum Einsatz kamen. Ein wichtiger Baustein jener geheimen Klangrezeptur macht nun Heritage Audio in Form des Motorcity EQualizers erstmals für jedermann verfügbar.

Es gibt magische Orte der Popmusik. Neben den Abbey Road Studios in London gehören dazu unbedingt auch die Motown Recording Studios in Detroit. »Hitsville, U.S.A.« stand in großen Lettern auf dem Schild, und es war keine Übertreibung. Zwischen 1961 und 1971 entstanden hier 110 Top-Ten-Hits. 1972 zog Motown nach Los Angeles, und obwohl das Label auch danach noch große Erfolge feiern konnte, nicht zuletzt mit dem unglaublichen Stevie Wonder, der nun erst richtig aufblühte, sind es die frühen Aufnahmen aus Detroit, die den typischen Motown-Sound ausmachen.

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Legenden ranken sich um die Session-Musiker, die »Funk Brothers«, allen voran Bassist James Jamerson, aber auch um die verwendete Technik. Bereits 1964 – fünf Jahre vor Abbey Road – installierte Motown eine Achtspur-Bandmaschine – von den hauseigenen Ingenieuren selbst gebaut! Auch viele andere Geräte waren Sonderanfertigungen oder wurden speziell für Motown umgebaut. So auch ein 7-Band-EQ, der auf einem rein passiven Equalizer von Langevin basiert. Um den prinzipbedingten Pegelabfall auszugleichen, bekam die Motown-Version einen eingebauten Aufholverstärker. Nicht etwa mit Röhrenelektronik, sondern – damals ganz modern – in Transistortechnik. Nur 46 Stück sollen gebaut worden sein, heißt es. Die meisten von uns werden wohl nie ein Original zu Gesicht bekommen. Aber nun gibt es ja einen Nachbau von Heritage Audio!

Heritage Audio Motorcity EQ
Einfach und effizient: Sieben Bakelitknöpfe für die sieben EQ-Frequenzen, ein weiterer für Gain sowie ein Dreifach-Schalter: Ein/Bypass/Off. (Bild: Dr. Andreas Hau)

Inspektion

Der Name Motown taucht auf dem Gerät nirgends auf; es handelt sich also nicht um einen offiziell lizenzierten Nachbau. Vielmehr geschah es, dass Mix-Guru Michael Brauer seine beiden Motown-EQs zu Black Lion Audio brachte, um sie überarbeiten zu lassen. Dort kontaktierte man die spanischen Freunde von Heritage Audio, und gemeinsam hat man den legendären Motown-EQ reverse-engineered.

Der Motorcity EQualizer kommt als 19-Zoll-Rackgerät mit zwei Höheneinheiten. Die Frontplatte in gebürstetem Aluminium trägt acht große Drehknöpfe – sieben für die EQ-Bänder, einen für Makeup Gain – sowie einen großen Schiebeschalter, der das Gerät ein-/aus- bzw. auf Bypass schaltet. Die Einsatzfrequenzen der sieben Bänder sind dieselben wie beim Langevin 245A von dem der Motown-EQ abstammt, nämlich 50, 130, 320, 800, 2.000, 5.000 und 12.500 Hz. Anders als bei Langevin kommen jedoch keine Slider zum Einsatz, sondern Drehknöpfe. Für den Dauereinsatz bei Motown war Ausfallsicherheit höchstes Gebot, daher entschied man sich für robuste Drehschalter mit je 17 Positionen, die ±8 dB inklusive Neutralstellung in präzise reproduzierbaren 1-dB-Schritten abdecken. Eine klassische rote Jewel Lamp zeigt an, ob das Gerät eingeschaltet ist. Und das war’s auch schon!

Heritage Audio Motorcity EQ
Simpler geht’s nicht: Eingang und Ausgang mit XLR-Steckverbindern sowie eine Buchse für das externe Netzteil. Die Netzteilbuchse sowie der Audio-Input sind leider ohne Verriegelung. (Bild: Dr. Andreas Hau)

Die Geräterückseite ist noch übersichtlicher: Eingang und Ausgang sind als XLR-Steckverbinder ausgeführt. Strom erhält das Gerät über ein externes Schaltnetzteil. Die simple Netzteilbuchse hat leider keine Zugentlastung. Bei einem Gerät dieser Preisklasse würde man sich eigentlich einen verriegelbaren Steckverbinder wünschen. Oder gar ein eingebautes Netzteil – aber das wäre problematisch in Bezug auf Brummeinstreuungen. Denn der Motorcity EQualizer ist einwie ausgangsseitig trafosymmetriert, und der Passiv-EQ arbeitet mit einer großen Zahl von Spulen, die ebenfalls für elektromagnetische Streufelder empfänglich sind. Insofern ist ein externes Netzteil audiotechnisch die sauberere Lösung. Tatsächlich ließ Michael Brauer bei seinen beiden Motowns die Netztrafos entfernen und durch externe Netzteile ersetzen.

Reingeschaut

Wie angesprochen, ist die eigentliche Equalizer-Schaltung vollständig passiv aufgebaut, d. h., die Filter bestehen aus Widerständen, Kondensatoren und Spulen. Und zwar einer ganzen Menge davon! Insgesamt sind 21 speziell gewickelte Spulen verbaut, d. h. drei pro EQ-Band, und auch die 21 hochwertigen Folienkondensatoren sind Spezialanfertigungen. Eine enorme Herausforderung besteht in der komplexen Verschaltung dieser passiven Bauelemente über die sieben Drehschalter mit jeweils vier Schaltebenen. Hier kommen moderne Produktionsmethoden zum Tragen: Früher hat man solche Geräte fliegend verdrahtet, d. h., Bauelemente wurden direkt an die Schalterkontakte gelötet und, wo das nicht funktioniert, Kabel kreuz und quer verlegt. Das ist extrem arbeitsaufwendig und wäre heute finanziell nicht mehr darstellbar. Beim Motorcity EQ hat Heritage Audio daher die Schalter in Platinen eingebaut, vier Stück an der Zahl, eine für jede Schaltebene. Auf diesen Platinen sind die Widerstände in SMD-Form bereits aufgelötet. Die Verbindung zu den Spulen und Kondensatoren stellen Flachbandkabel her. Das ist bedeutend ökonomischer, ohne dass audiotechnische Kompromisse gemacht werden müssten. Schwierig wird’s, sollte ein Schalter mal ausgetauscht werden müssen, denn dieser wäre aus vier Platinen auszulöten. Immerhin machen die Schalter einen robusten Eindruck, sodass man guten Mutes sein darf, dass es nie dazu kommen wird.

Heritage Audio Motorcity EQ
Sauberer Aufbau: links der Passiv-EQ, rechts die aktive Ausgangsstufe. Die Stromversorgung ist auf ein externes Netzteil ausgelagert. (Bild: Dr. Andreas Hau)

In den originalen Motown-EQs kam ein sehr hochwertiger Eingangsübertrager von UTC zum Einsatz, der heute nicht mehr erhältlich ist. Diesen hat Heritage Audio nach eigenen Angaben originalgetreu nachbauen lassen. Bei der Ausgangsstufe war man weniger zimperlich: Im Original kamen (meist) Verstärkerbausteine von Opamp Labs zum Einsatz, gefolgt von einem Ausgangsübertrager von Freed. Unter Engineers, die die Originale benutzt haben, wie Bob Ohlson, war die Opamp-Labs-Ausgangsstufe nicht sehr beliebt, zumal hier häufig Defekte auftraten. Heritage Audio hat daher gar nicht erst versucht, sie nachzubauen, sondern an deren Stelle eine Class-A-Ausgangsstufe eingebaut, die Heritages Neve-Clones entlehnt ist: Zum Einsatz kommt der gleiche Carnhill-Übertrager, der u. a. auch im Brit Strip und dem 1073-Clone HA-73 verbaut ist, Neve-typisch angetrieben von einem 2N3055-Leistungstransistor.

Heritage Audio Motorcity EQ
Der eigentliche Equalizer ist rein passiv aufgebaut aus 21 Spulen, 21 Kondensatoren und ungezählten Widerständen. Die komplizierte Schaltlogik erfordert Drehschalter mit vier Ebenen. (Bild: Dr. Andreas Hau)

Praxis

Man könnte meinen, dass ein solcher Vintage-EQ, noch dazu eine Sonderanfertigung für ein legendäres Studio, einen ganz eigentümlichen Klang haben muss, mit viel »Mojo« in Form von Klirrkomponenten und geheimnisvollen »Phasenschweinereien«. Das Gegenteil ist der Fall: Der Motorcity EQ klingt ungemein sauber und Hi-Fi! Das mag mit seiner Abstammung zu tun haben, denn der zugrundeliegende Passiv-EQ von Langevin war für Anwendungen beim Filmton konzipiert. Damals wie heute geht es dort in erster Linie um hochklassigen, lupenreinen Sound ohne irgendwelche Artefakte. In den 50ern und 60ern hat man keine Mühen gescheut, das mit sehr aufwendigen passiven Filterschaltungen hinbekommen. Als diese von modernen Parametric-EQs ersetzt wurden, ging es vor allem um Kostenreduktion. Okay, flexibler waren sie auch. Aber klanglich besser? Eindeutig nein!

Der Motorcity EQ besticht mit einer Natürlichkeit, die ich von einem modernen Parametric-EQ nie gehört habe – einzige Ausnahme: der SPL PQ in 120-Volt-Technik (s. S&R 5.2017). Egal wie man den Motorcity EQ einstellt, das Klangergebnis wirkt immer »echt«, als ob es schon immer so gewesen wäre, selbst bei recht drastischen Eingriffen. Dagegen habe ich bei üblichen Parametric-EQs, auch digitalen, immer das Gefühl, dass der Klang zunehmend unnatürlicher wird, je stärker man eingreift. Am Ende hat man zwar die unerwünschten Überbetonungen beseitigt und hier und da die schönen Frequenzen herausgearbeitet, aber wenn man mit dem unbearbeiteten Signal vergleicht, stellt man ernüchtert fest: Das bearbeitete Signal klingt »verstellt«. Das ist beim Motorcity EQ nie der Fall. Absolut großartig!

Heritage Audio Motorcity EQ
Auch der Eingangsübertrager ist eine Spezialanfertigung, da der im Original verwendete UTC-Trafo nicht mehr erhältlich ist. (Bild: Dr. Andreas Hau)

Natürlich ist ein 7-Band-Equalizer mit festen Bändern kein Alleskönner. Chirurgische Eingriffe wie Resonanzen ziehen sind nicht sein Metier. Die Bänder arbeiten nach dem Proportional-Q-Prinzip, d. h., geringe Anhebungen und Absenkungen wirken breitbandig, stärkere Eingriffe eher schmalbandig. Das ist im Allgemeinen das, was man möchte – aber eben nicht immer. Am besten eignet sich der Motorcity EQ als Channel-EQ zur Klangformung bzw. zur Korrektur der Energieverteilung – so wurde er in den Motown Studios ja auch eingesetzt. Man hat das Gefühl, das Audiosignal förmlich mit den Händen anfassen und durchkneten zu können. Die Drehschalter mit ihren Bakelit-Knöpfen liegen gut in der Hand. Anfangs fand ich die Haptik der Schalter ein wenig soft; bei den echten Vintage-Geräten der 50er und 60er arbeiten die Schalter deutlich »zackiger«. Nach einer Weile lernte ich die Heritage-Audio-Knöpfe zu schätzen, weil das Schaltgeräusch leiser und damit weniger störend ist.

Mit seiner Natürlichkeit und hohen Klangqualität ist der Motorcity EQ auch fürs Mastering hoch interessant. Allerdings dürfte die Auflösung in 1-dB-Schritte manchem Mastering Engineer etwas grob erscheinen, zumal die Bänder ja bei subtilen Eingriffen, wie sie im Mastering üblich sind, recht breitbandig arbeiten. Aber wer für die Kleinarbeit bereits einen geeigneten Kandidaten hat, findet im Motorcity EQualizer ein großartiges Werkzeug, das auch bei stärkeren Eingriffen angenehm und natürlich klingt.

Heritage Audio Motorcity EQ
Die Opamp-Labs-Ausgangsstufe des Originals wurde durch jene Ausgangsstufe ersetzt, die Heritage Audio in Neve-Clones verwendet. Entsprechend kommt ein Carnhill-Übertrager zum Einsatz. (Bild: Dr. Andreas Hau)

Fazit

Mit dem Motorcity EQualizer macht Heritage Audio ein sagenumwobenes Gerät erhältlich, das selbst weitgereiste Engineers bislang nur vom Hörensagen kannten. Obwohl die Originale zahllose Motown-Hits formten, sollte man nicht erwarten, dass alles, was man durch den Motorcity EQ schickt, sofort nach »Hitsville, USA« klingt. Vielmehr erhält man einen fantastischen, überraschend sauber klingenden EQ, den man für schlichtweg alles einsetzen kann, am besten aber, wie in den Motown Studios, als Mix-EQ zur Bearbeitung von Einzelsignalen oder Gruppen. Man würde sich wünschen, ein halbes Dutzend dieser Geräte zur Verfügung zu haben – das wäre ein Traum! Aber angesichts des Verkaufspreises wird es wohl ein Traum bleiben. Nichtsdestotrotz ist der Preis absolut gerechtfertigt. Tendenziell sogar günstig, angesichts der sehr aufwendigen Fertigung mit teuren, vielfach sogar speziell angefertigten Komponenten. Ein echtes Stück Recording-Geschichte, das heute noch so relevant ist wie damals!


Hersteller: Heritage Audio

UvP/Straßenpreis: 2.379,– Euro / 1.949,–Euro

Internet: www.heritageaudio.net

Unsere Meinung:
+++ großartiger, sehr natürlicher Klang
+++ sehr gute Audio-Performance
+++ sehr hochwertige Komponenten
++ sauberer Aufbau
– Netzteilbuchse ohne Verriegelung

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