Vintage FX

Digitalhall – Sony DRE 2000 (*1981)

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(Bild: Dr.Georg Müller)

Das Sony DRE 2000 führte lange Zeit ein Schattendasein. Erst als die mixenden Brüder Chris und Tom Lord-Alge das Teil zu ihrem Lieblingshall für Drums erklärten, wandelte sich die silberfarbene Kiste vom Geheimtipp zum Kultgerät.

Genau genommen handelt es sich beim DRE 2000 um das erste digitale Effektgerät aus dem Land der aufgehenden Sonne. Allein deshalb würde es seinen Platz unter den Vintage-FX’ mehr als verdienen. Um zu verstehen, warum der erste japanische Digitaleffekt nicht von Roland oder Yamaha stammt, muss man wissen, dass Sony schon seit 1974 zu den Pionieren in Sachen digitaler Audiotechnik zählte. So wurden zwischen 1974 und 1980 mehrere Wandlersysteme, digitale Zwei- und Mehrspur-Bandmaschinen und schließlich – zusammen mit Philips – die „Laserdisc“ (sprich CD) ins Leben gerufen. Schon Ende der 1970er-Jahre existierte eine breite Produktpalette für digitale 16-Bit-Aufzeichnungssysteme mit bis zu 24 Spuren (!). Im Februar 1981 wurde ein sogenanntes „Digital Audio Mastering System“ vorgestellt, welches neben Wandlern und einem Editiergerät auch das DRE 2000 beinhaltete.

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Digitale Pioniere

Dem DRE 2000 ging ein 1978 fertiggestellter, aber nie vermarkteter Prototyp namens DRX 1000 voraus. Das DRE 2000 wurde Ende 1980 auf der New Yorker AES Convention vorgestellt. Wenig später wurde das Gerät weltweit in Fachmagazinen vorgestellt und großformatig beworben. Dennoch fand das DRE 2000 nur eine vergleichsweise geringe Verbreitung. Der hohe Verkaufspreis war daran sicher nicht ganz unschuldig: Anfänglich musste man stolze 15.000 Dollar (ca. 34.000 Mark) anlegen. Auch 1984 waren noch 31.000 Mark für ein leicht abgespecktes DRE 2000A (s. u.) fällig. Damit war der Sony-Hall deutlich teurer als seine Konkurrenz. Zum Vergleich: Ein VW Golf GTI kostete seinerzeit etwa 20.000 Mark.

Außen und Innen

Das DRE 2000 wirkt im Vergleich zu seinen damaligen Kollegen überaus modern. Sein 3HE-Rackgehäuse bringt 15,5 kg auf die Waage. Außer dem Power-Schalter und einem Wahlschalter für die Eingangsempfindlichkeit, der nach dem Öffnen der Gehäusetür erreichbar ist, verfügt es über keinerlei Bedienelemente. Die Steuerung erfolgt vollständig über die mit reichlich Sensortasten ausgestattete Remote-Control. Das Gerät bietet vier Reverb- sowie je zwei Echo- und Delay-Programme. Es handelt sich jedoch nicht um verschiedene Hall-Algorithmen, sondern lediglich um vier Werks-Presets. Drei zusätzliche Algorithmen liefert erst die 1982 erschienene Version 2.

Zur Programmierung gibt es folgende Parameter: »Early-Reflection« steht für Laufzeit und Pegel eines einzelnen Rückwurfs. Mit »Pre-Delay« bestimmt man den Einsatzpunkt des Nachhalls, dessen Dauer mit »Reverb-Time« festgelegt wird. Tiefe und hohe Frequenzen lassen sich separat regeln. Erklärungsbedürftig ist der »Sub-Reverb«: Offenbar wird nach dem ersten Rückwurf ein Signalanteil abgezweigt und mit einer zusätzlichen Verzögerung (und regelbarem Pegel) in den Nachhallgenerator geschickt − der Sub-Reverb. Beim Delay handelt es sich um einen simplen Mono- bzw. Stereo-Rückwurf mit regelbarer Laufzeit. Echo fügt noch einen Feedback-Parameter (»K«) hinzu.

Zehn Programme können als Presets gespeichert werden. Der abschaltbare Buzzer kommentiert geräuschvoll jeden Tasterdruck und schlägt zudem bei Überhitzung Alarm. Interessanterweise haben die vier für die Entwicklung des DRE 2000 verantwortlichen Sony-Konstrukteure, auf eine Simulation des Anhalls mittels Multitap-Delays verzichtet und stattdessen das ungewöhnliche Konzept des »Sub-Reverbs« eingeführt (s. o.). Den Nachhall erzeugen zwei Signalstränge (stereo) zu je vier Kammfiltern und zwei Allpässen entsprechend dem Schröder-Algorithmus. Im Gegensatz zu anderen Herstellern hat man auf eine Delay-Modulation zur Minimierung von hörbaren Kammfiltereffekten gänzlich verzichtet.

ALU- und MEM-Board bilden den Signalprozessor zur Audioverarbeitung. Die ALU besteht aus fünf Bit-Slice-Prozessoren (AM2901 wie auch z. B. im Eventide SP-2016) sowie weitgehend diskret aufgebauter TTL-Logik. So entsteht eine Rechenbreite von 20 Bit. Den Speicher bilden 60 16K-RAMs. Auf dem Steuerungs-Board arbeitet eine Z80-CPU mit Firmware-EPROMs.
Das AD-DA-Board: Dem eingangsseitigen 12-Bit-Wandler-Chip (Burr-Brown ADC84KG-12) wird mittels zusätzlicher Beschaltung zu einer 16-Bit-Rate verholfen. Er befindet sich unter einer Abschirmung. Ausgangsseitig findet sich ein monolithischer DA-Wandler (Burr-Brown DAC71-COB-V), der via Multiplex-Verfahren beide Ausgänge versorgt. Der Analogteil verfügt über eigene Spannungsregler und ist sorgfältig abgeschirmt.
Auf der Rückseite finden sich die analogen Ein- und Ausgänge (trafosymetriert), eine Buchse für die Remote und der digitale In/Out in Form einer 16-poligen Buchse mit Schraubdeckel. Aufgrund der großen Einbautiefe von knapp 50 cm hat man rückseitige Stützen für den Rack-Einbau angebracht.

Version 2

1982 erschien ein Software-Update. Es soll die Halldichte erhöhen, den Raumeindruck verbessern, die Abklingkurvenglätten und eine zweite Early Reflection alternativ zum Sub-Reverb hinzufügen. Zudem finden sich nun tatsächlich vier verschiedene Algorithmen, nämlich die verbesserte Originalversion sowie Simulationen einer mittelgroßen Konzerthalle und zwei Hallplatten. 1984 erschien das DRE 2000A, dem augenscheinlich nur der Digital-In/Out fehlt.

Wie klingt’s ?

Das DRE 2000 besitzt einen ganz eigenen und sehr überzeugenden Sound, der sich von seinen britischen und amerikanischen Kollegen durchaus unterscheidet. So liefert das Gerät eine recht gute Räumlichkeit, Hall- und Programmsignal verbinden sich auf sehr angenehme Weise. Der Sony-Hall klingt jedoch längst nicht so »schön« und »wolkig« wie etwa ein Lexicon-Klassiker. Diese Tatsache dürfte der fehlenden Modulation im Algorithmus geschuldet sein. Das DRE klingt unaufdringlich, ein wenig »kühl«, dabei hörbar, aber nicht unangenehm metallisch und besitzt somit eine gewisse Art von musikalischer Künstlichkeit, wie sie auch einer Hallplatte eigen ist. Überhaupt lassen sich im DRE-Sound gewisse Parallelen zur Hallplatten-Charakteristik feststellen. Auch kleine Räume und perkussive Signale weiß das DRE vergleichsweise gut zu meistern − nicht verwunderlich, dass einige Produzenten ihre Drums gerne mit dem Sony-Hall veredelt haben. Zudem arbeitet das Gerät sehr sauber und rauschfrei. Typische Hall-Effekte wie etwa Gate- und Reverse-Reverb gehören nicht zum Repertoire des DRE 2000.

Wer hat’s?

Im Vergleich zu seinen weitaus prominenteren Kollegen hat das Sony DRE 2000 immer ein Nischendasein geführt. Seinen Aufstieg zum Kult-Objekt verdankt es vor allem den Lord-Alge-Brüdern, die das Gerät in mehreren Interviews zu ihrem Lieblings-Drum-Hall erklärt haben. Unter den bekannten Studios, die das Gerät nutzten oder möglicherweise noch immer verwenden, finden sich die irischen Windmill Lane Studios in Dublin und die Wisseloord Studios in Hilversum, darüber hinaus Sony Music in Tokyo (wen wundert’s?) und die Firma Onkyo, ebenfalls in Tokyo ansässig.

Fazit

Die Qualitäten des DRE 2000 dürften auch heute noch Bedürfnisse wecken. Ein Exemplar aufzutreiben, ist verständlicherweise nicht ganz einfach. Zudem ist die Service-Situation recht unklar. Bei genauer Betrachtung sind zwar die meisten der vermeintlich japanischen Spezial-Chips nichts anderes als umgelabelte Standardbauteile, dennoch finden sich sehr wohl einige Komponenten, deren Beschaffung kompliziert und teuer sein dürfte.

Wer neben der Investition den »Klotz im Studio« scheut, kann sich mit Impulsantworten behelfen. Dr. Georg Müller (»swissdoc«) hat uns freundlicherweise mit zahlreichen Infos, Fotos und Sounddemos unterstützt. Bei ihm sind auch Impulsantworten des DRE 2000 erhältlich:

www.swissdoc.de/download/Sony_DRE-2000_Impule_Responses.zip

 

Alben, auf denen das DRE 2000 zu hören ist:

Bob Dylans Shot Of Love (1981)
Africa Bambaatas Planet Rock (1982 – einziger Hall), ...
Dire Straits’ Brothers In Arms (1985 – mit EMT-Hallplatte)
Sugar Cubes’ Stick Around For Joy (1992 – für Drums)

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