Das Schweizer Taschenmesser der DAWs

DAW von Cockos: Reaper 5.2 im Test

Anzeige

“Cockos Incorporated“ wurde im Jahr 2004 ins Leben gerufen. Gründer Justin Frankel und seine vierköpfiges Entwickler-Team arbeiten seitdem kontinuierlich an der DAW namens „Reaper“, welche so einiges auf Lager hat.

Cockos Reaper

Anzeige

In den letzten Jahren hatte ich einige DAWs unter den Fingern, doch keine hat es geschafft, während dem Betrieb, weder eine systembedingte Fehlermeldung oder gar einen Absturz zu bescheren – mit Ausnahme von Reaper. Das muss man den Entwicklern hoch anrechnen. Mit einem nur 11 MB kleinen Installer ist die Software blitzschnell einsatzbereit, und im Notfall kann man das Programm sogar direkt vom USB-Stick starten.Vielleicht sind das auch Gründe, warum man Reaper in Deutschland immer wieder an diversen FOH-Plätzen antrifft – für den Mitschnitt von Live-Shows. Es wäre jedoch keinesfalls gerecht, Reaper nur auf eine günstige Bandmaschine zu reduzieren, denn es handelt sich hier um das Schweizer Taschenmesser unter den DAWs. Der Allrounder läuft sowohl auf 32- als auch 64-Bit-Systemen, ab Windows XP bzw. OS X 10.5.

Im Gegensatz zu anderen Herstellern liefert Cockos seine Updates in sehr kurzen Intervallen, oft nur ein paar Wochen. Dabei achtet das Entwickler-Team sehr genau auf die Wünsche seiner Nutzer, die Feature-Requests äußern dürfen. So hatte ich gerade die Software installiert und schon am nächsten Tag wies mich ein Dialog auf die neue Version 5.25 hin.

Eine derartig ausgereifte Produktionsumgebung hier vorzustellen würde das gesamte Heft sprengen, insofern konzentrieren wir uns neben ein paar wichtigen Grundlagen primär auf die neusten Funktionen.

GUI und Worklflow 

Die graphische Oberfläche kommt in Version 5 mit einem etwas moderneren und schlichterem Design daher. Freunde der bisherigen Optik dürfen dennoch zu der „Theme“ aus Version 4 zurückzukehren. Die Möglichkeiten zur Individualisierung sind groß, denn die GUI verfügt über ein sehr übersichtliches Fenster-Management mit Docking-System. Alle Funktionen lassen sich außerdem frei mit Tastenkombinationen belegen und optional sogar per MIDI-Befehl abfeuern.

Die Lernkurve mag für Neueinsteiger etwas steiler als etwa bei Presonus StudioOne oder Ableton Live sein, allerdings ist der Funktionsumfang dementsprechend höher. Am auffälligsten ist, dass man in Reaper nicht zwischen den gängigen „Spur-Arten“ unterscheidet. Jede Spur kann als MIDI-, Audio-, Group- oder Effekt-Spur arbeiten. Dem nicht genug, denn eine Audio-Spur erlaubt es, bis zu 64 Audio-Ströme zu verarbeiten. Das klingt stark nach Umgewöhnung, hat man sich aber einmal orientiert, lassen sich sehr flexible Setups realisieren.

Cockos gibt seinen Nutzern die Möglichkeit, per Skript eigene Plug-ins oder Funktionen in die Software zu integrieren. Wer nicht selbst programmieren möchte, kann auf bestehende Erweiterungen zurückgreifen – die Foren sind voll damit. Ein absoluter Klassiker sind beispielsweise die kostenlosen „SWS Extensions“, die Reaper mit weiteren nützlichen Features wie z.B. Groove-Quantisierung, Snapshots oder Loudness Normalization nachrüsten.

Mixing, Effekte und Plug-ins

Beim ersten Start durchforstet Reaper die Systemplatte nach installierten Plug-ins. Man staunt nicht schlecht, wenn in der 64-Bit-DAW plötzlich fast vergessene Effekte wieder erscheinen, denn hier werden 32-Bit-Plug-ins automatisch „bridged“ und sind somit sofort einsatzbereit. Zudem wird auf Windows sogar noch die angestaubte DirectX-Schnittstelle unterstützt. Erst in der neueren Version ist nun auch eine VST3-Unterstützung vorhanden. Top!

reaper

Neben DX- und JS- wird nun auch das VST3-Format unterstützt.

Cockos liefert seinen Software-Sequenzer mit den „ReaPlugs“ aus – eine Sammlung, die übrigens auch kostenlos für andere Windows-DAWs zum Download bereit steht und einen Großteil der Brot-und-Butter-Effekte abdeckt. Zudem ist ein riesiges Repertoire an JS-Plug-ins mit dabei, die jegliches Segment von Transient-Designer über Stereo-Enhancer und Soft-Clipper bis hin zu Faltungshall bedienen. Hinsichtlich der Klangbearbeitung ist man also bestens ausgestattet, was die eigentliche Klangerzeugung betrifft, sieht es hingegen sehr finster aus. Richtige virtuelle Instrumente, oder Sound-Libraries sucht man hier vergeblich. Dies unterstreicht deutlich, dass die Zielgruppe eher der ambitionierte Engineer ist, statt dem Musiker, welcher eben mal ein Demo erstellen möchte.

Reaper überzeugt schon lange mit seinen hochflexiblen Routing- und Mixing-Optionen die keine Wünsche offen lassen. Zu den Grouping-Funktionen, die selbst Pro Tools in nichts nachstehen, kommen nun endlich auch klassische VCA-Fader hinzu. Wie vor einiger Zeit bei Steinberg Cubase, wundert man sich etwas, warum dieses wichtige Feature so lange auf sich warten ließ – aber besser spät als nie. Bisher ging das nur mithilfe des Plug-ins „JS VCA“, das auf den entsprechenden Spuren als Master- und Slave-Instanz eingefügt wurde.

Ab sofort reicht es aus, eine beliebige freie Spur auszuwählen und die Option „VCA Master“ zu aktivieren. Im Anschluss kann man beliebige Spuren als „VCA Slave“ einer von 32 Gruppen zuweisen. Selbstverständlich lässt sich ein VCA Master automatisieren. Die Lautstärken-Automation kann im Anschluss sogar auf die inkludierten VCA Slaves übertragen werden. Ein sehr hilfreiches Werkzeug, um Instrumentengruppen zu mischen, ohne auf Busse oder Track Folder zurückzugreifen.

reaper

Die Optionen „VCA Master“ und „VCA Slave“ sind nun im Grouping-Menü vorhanden.

MIDI

Zur weit verbreiteten „Piano Roll“ und „Event List“, gesellt sich ab Version 5 ein waschechter „Notation Editor“. Besonders nützlich ist das Editing per „Key Snap“. Wählt man im Editor beispielsweise „A Dur“ an, lassen sich die Noten nur auf jenen Stufen platzieren, die auch in der entsprechenden Skala erlaubt sind. Das intuitive Handling zeigt viele Ähnlichkeiten zur Piano Roll, besonders was das Trimmen oder Verschieben von Noten betrifft. Zudem ist dieser Editor fähig, verschiedene Artikulationen einzuzeichnen, Akkorde zu beschriften oder Text zu notieren. Zwar kann Reaper eine Notation im „MusicXML“-Format exportieren, doch leider fehlt die Option zum Drucken bzw. dem direkten Speichern als PDF. Mal abwarten!

reaper

Erst seit Version 5 mit dabei: der Notations-Editor

Video

Fast alle DAWs ermöglichen den Import von Video-Material, um entsprechende Audio-Produktionen bildsynchron zu erstellen. Reaper geht allerdings noch einen Schritt weiter und erlaubt tatsächlich, Videos zu schneiden. Sogar ein „Video Processor“ ist dabei, also ein JS-Plug-in, das grundlegende Effekte der Bildbearbeitung umsetzt. Verpixeln, Titel einblenden, Sättigung oder Helligkeit variieren – zahlreiche Presets decken ein vielseitiges Repertoire ab und wer der Skript-Programmierung mächtig ist, kann die Effekte im Editor sofort umgestalten. Der „Video Processor“ arbeitet aber nicht nur als Insert-Effekt auf der Spur selbst, sondern auch als „Item FX“, was das automatisieren der Parameter vereinfacht. Unter dem Strich, ein einfaches Werkzeug, um simple Musikvideos zu erstellen.

reaper

Video-Schnitt in Reaper? Ja, obwohl der „Video Processor“ noch etwas kompliziert aussieht.

Fazit

Reaper, genauer „Rapid Environment for Audio Production, Engineering and Recording“ wird seinem Namen mehr als nur gerecht. Zwar ist die DAW etwas schwerer zu erlernen als etwa Presonus StudioOne oder Ableton Live, hat man die ersten Anfangshürden geschafft, macht die Arbeit großen Spaß – und spart vor allem Zeit!

Die Software ist mit zwei verschiedenen Lizenz-Modellen erhältlich: „Discounted“, welche mit einem Preis von nur 53 Euro für private Nutzung oder kleine Unternehmen mit einem Jahresumsatz von unter 20.000 $ in Frage kommt. Die „Commercial“-Lizenz stattdessen schlägt mit ca. 200 Euro zu Buche. In beiden Fällen liegt hier ein super Preis-/Leistungs-Verhältnis vor.

Wer nach einer kostengünstigen und extrem umfangreichen DAW für Recording und Mixing sucht, sollte sich unbedingt die Demo-Version herunterladen. Diese arbeitet ohne jegliche Funktionseinschränkungen. Auch nach 60 Tagen ist dies der Fall – bis auf einen kleines Dialog-Fenster bei Programmstart.


+++

hochperformante, stabile und umfangreiche DAW

+++

erstklassiges Preis-/Leistungsverhältnis

+++

kurze Update-Intervalle

++

Notations-Editor, VST3-Unterstützung und VCA-Fader nun endlich vorhanden

etwas steilere Lernkurve


Hersteller: Cockos

Downloadpreis: ca. 53,- Euro (discounted) / ca. 200,- Euro (commercial)

www.reaper.fm

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Sehr interessant geschrieben, Danke, Top! Ich denke Reaper wird da ganz schön noch von sich hören lassen… die Plugins an der Grund Ausstattung reicht für den Anfang, es wurde sogar an ein Intonations-Korrektur Plugin ala Melodyne und Co gedacht!

    Auf diesen Kommentar antworten
  2. Reaper ist auch perfekt geeignet, einen Setup für Live-Performance mit VST-Instrumenten zu gestalten. Ich habe das auf einem Windows-Rechner laufen, der “auf der Bühne” ohne Monitor, Mouse und Computer-Tastatur betrieben wird. Auch hier gilt das oben gesagte: Die Lernkurve ist etwas steiler als bei anderen Tools, die so etwas erlauben, aber die Möglichkeiten sind unbegrenzt, wenn man sich eingearbeitet hat. Und ich empfinde es als riesigen Vorteil dasselbe Programm sowohl als Instrument” als auch als Aufnahme und Nachberabietungs-Tool verwenden zu können (nur einmal bezahlen, nur einmal lernen 🙂 ).

    -Michael

    Auf diesen Kommentar antworten
  3. ich arbeite derzeit an verschiedenen projekten, an vier verschiedenen standorten, habe alle audiodateien auf usb-3-platte dabei, ebenso, auf gleicher disc, reaper. egal, wo ich bin,egal, ob pc oder mac, … alles läuft tadellos! in der portable-version sind alle meine shortcuts abgespeichert, also überall gleiche tastenbelegung (mac und pc natürlich unterschiedlich…) und alle makros (automatische abfolge beliebiger bedienschritte per tastaturkommando). platte anschließen, reaper starten, kurz die jeweilige audiohardware zuordnen… fertig, los! reaper ist nicht nur plattformübergreifend, sondern auch historienkompatibel: 5er-version-dateien lassen sich auch mit älteren programmversionen öffnen. es erscheint lediglich ein hinweis auf informationen, die nicht verarbeitet werden können, weil wahrscheinlich mit neuerer version erstellt. wer sich mit reaper schwer tut, erhält auf der website excellente tutorials, natürlich umsonst, und kann diese seit neuestem auch noch downloaden und also immer dabei haben. timestretching, autotuning, standard plugins erster güte, dazu offene schnittstellen (python usw.)… reaper bringt alles mit. das programm ist ein echtes wunder…

    Auf diesen Kommentar antworten
  4. Hi
    Ich benutze nun Reaper erst seit knapp einer Woche und muss jetzt schon feststellen dass das Geld was ich damals für Steinberg Cobase 6 und dann das Update auf die Version 7 ausgegeben habe, woanders viel sinnvoller angelegt wäre. Da kommt einfachmal ein kleiner Entwickler mit seinem Programm und lässt die ganzen großen Hirsche ziemlich alt aussehen, schon allein durch den Preis und die Leistung die man dafür als User bekommt. Geschweige den von der Flexibilität und Möglichkeiten von Reaper. Gewisse sogenannte neue Funktionen werden bei Steinberg und Co. einem als Update für teures Geld angeboten oder teilweise auch dazu gezwungen die Updates zu kaufen weil die DAWs dessen Versionsnummer nicht mehr aktuell ist teilweise verbugt sind und nicht mehr supportet werden wenn man mal das Neuere Betriebssystem drauf hat. Bei Reaper weiß man wo man dran ist und der User wird dort meiner Meinung nach nicht einfach weiter gemolken wenn er sich schon mal für das Produkt entschieden hat.

    Auf diesen Kommentar antworten
    1. Kein kleiner Entwickler. Justin Frankel ist der Programmierer von Winamp und Gnutella

      Auf diesen Kommentar antworten
  5. Das klingt alles recht gut. Ich steige, umständehalber, gerade von Strings auf Keys in Verbindung mit DAW um. Natürlich hab ich weder einen Apfelcomputer noch den neuesten Windws-Rechner (wenigstens 10 pro) und wenig Antrieb mehr als 500€ in eine DAW zu investieren ohne zu wissen was daraus wird.
    Vor allem da ich auch nicht weiß, wann und wie oft ich mich meinem Hobby widmen kann.

    Daran liegt mein Zögern zwischen Ardour und Reaper. Testversion, günstig, Updates.. alles schön. Aber wenn ich Reaper installiere läuft die Testphase.
    Da ich nicht weiß ob ich in dieser Zeit einmal für wenige Stunden oder jedes Wochenende (Frei-) Zeit habe, stehe ich bei Ablauf vor der Entscheidung “Kaufen auf gut Glück” oder “zurück zur Freeware”, vielleicht ohne ausführliches “try the reaper”.
    Es wäre doch mal eine super Idee, einen (30h ?) Nutzungs-Zeitraum einzubinden der sich an Programmstart und Ende orientiert, nicht am Datum.
    However:
    Sonar, Reason, Live 9 in den Basis-Versionen liegen preislich in der Nähe, aber die Updates… Schon das ist ein essentielles Argument für Reaper.

    Auf diesen Kommentar antworten
    1. Die Testversion ist die Vollversion. Wie im Text beschrieben läuft sie zeitlich unbegrenzt; ich habe meine Version 2 Jahre lang immer wieder mal gelegentlich intensiv getestet, bevor ich sie dann endlich gekauft habe. Alles gut 🙂

      Auf diesen Kommentar antworten
  6. Mühsames Programm. Viele Bugs.

    Auf diesen Kommentar antworten
    1. Danke für die ausführliche Darstellung in solch blumiger Prosa, das hilft sicherlich Allen weiter

      Auf diesen Kommentar antworten

Schreibe einen Kommentar zu Melo Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.