Für alles offen

Austrian Audio Hi-X65 – Studiokopfhörer im Test

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Die ersten beiden Kopfhörermodelle des Wiener Herstellers Austrian Audio Hi-X50 und Hi-X55 konnten in Klang, Konstruktion und Verarbeitung voll überzeugen. Bislang hatte man aber nur die Wahl zwischen ohraufliegend und ohrumschließend; beide sind geschlossene Kopfhörer. Mit dem Hi-X65 erweitert man nun die Palette um ein offenes Modell – das prinzipbedingt noch bessere Klangeigenschaften verspricht!

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Ich mag offene Kopfhörer. Sehr sogar. Vielleicht wegen der glücklichen Stunden, die ich in jungen Jahren mit meinem Walkman verbracht habe. Damals hörten alle mit offenen Kopfhörern – meist ultraleichte Sonys oder Sennheiser HD 414 mit klatschgelben Ohrpolstern. Geschlossene Modelle galten als altbacken. Die offene Bauweise hat tatsächlich große Vorteile in Sachen Kopfhörerakustik. Ohne rückwärtige Dämpfung können die Schallwandler optimal arbeiten; es entstehen keine störenden Resonanzen, und Impulse können schnell und präzise wiedergegeben werden. Dass heute vorwiegend geschlossene Kopfhörer verkauft werden, liegt definitiv nicht an ihren Klangeigenschaften, sondern am Wunsch des modernen (Stadt-)Menschen nach Abschottung. Inzwischen ist zumindest im professionellen Bereich, aber auch im Hi-End-Consumer-Segment eine Rückbesinnung zu erkennen: Das klangliche Nonplusultra für Mixing, Mastering und royalen Hörgenuss bleibt die offene Bauweise.

Linke und rechte Muschel sind klar gekennzeichnet. Zum Transport lässt sich der Hi-X65 flach machen. (Bild: dr)

Déjà-vu

Der neue offene Hi-X65 sieht dem bekannten geschlossenen Hi-X55 zum Verwechseln ähnlich. Bis auf die perforierten Ohrabdeckungen ist der Aufbau identisch (oder wie man in Wien sagt: ident). Während manche Hersteller, die eher auf den Hi-End-Consumer-Markt schielen, zu »esoterischen« oder »abgespacten« Designs tendieren, gibt sich Austrian Audio ganz funktionsorientiert. Grob gesprochen, bestehen alle grauen Elemente aus Metall. Dazu gehören der Kopfbügel und die Gabelhalterungen samt Gelenken. Die mechanisch weniger beanspruchten Teile bestehen aus Kunststoff und sind schwarz gehalten. Das ergibt einen attraktiven Kontrast und eine klare Designsprache.

Zu den Besonderheiten des Hi-X55 und nun auch seines offenen Zwillingsbruders Hi-X65 gehören die speziell geformten Ohrpolster. Sie sind relativ dünnwandig, sodass der Innenraum der ohrumschließenden Muscheln überraschend geräumig ist. Obwohl die Hörermuscheln nicht besonders groß sind, stoßen selbst größere Lauscher nirgends an. In Verbindung mit den angenehm anschmiegsamen Polstern aus Memory Foam ergibt sich ein hoher Tragekomfort. Der obere Teil des Kopfbügels ist ebenso weich gepolstert; die Kunstlederoberflächen wirken geradezu hautschmeichlerisch. Das Gewicht von 310 g verteilt sich sehr gut und wirkt auch über längere Zeit nie störend. Die drehbaren Gabelaufhängungen sorgen dafür, dass sich der Hörer automatisch der individuellen Kopfform anpasst, sodass Druckstellen vermieden werden.

Zum Transport lässt sich der Hi-X65 falten oder durch drehen der Muscheln flach machen; ein Transportbeutel liegt bei. Zum Lieferumfang gehören zwei Kabel, ein langes (3 m) und ein kurzes (1,2 m). Beide Kabel sind gerade (d. h. nicht gewunden) und enden in einem 3,5-mm-Miniklinkenstecker; ein Aufschraub-Adapter auf 6,3-mm-Großklinke liegt bei. Die Kabelzuführung erfolgt einseitig an der linken Muschel über einen 2,5-mm-Klinken-Steckverbinder mit Verriegelung.

Wie die allermeisten Studiokopfhörer arbeitet der Hi-X65 mit dynamischen Treibern nach dem Tauchspulprinzip. Grundsätzlich sind die Treiber sehr ähnlich denen, die im geschlossenen Hi-X55 zum Einsatzkommen. Die offene Bauweise erfordert eine andere akustische Abstimmung, doch die elektrischen Daten sind identisch: Die Empfindlichkeit (Sensitivity) von 110 dB SPL/V ist sehr hoch. Mit einer Impedanz von nur 25 Ohm ist der Hi-X65 ein sehr niederohmiger Kopfhörer. Das bedeutet, dass der Hi-X65 selbst an schlappen Kopfhörerausgängen auf mehr als ausreichende Lautstärke kommt.

Der Hi-X65 lässt sich falten und im mitgelieferten Stoffbeutel kompakt im Reisegepäck verstauen. (Bild: Dr. Andreas Hau)

Praxis

Grundsätzlich klingt der offene Hi-X65 ganz ähnlich wie der geschlossene Hi-X55 (den ich nach dem Test erworben habe). Das Klangbild ist klar und präsent mit sauberen, leicht angehobenen, aber nicht übertriebenen Höhen. Die Mitten wirken leicht zurückgenommen, was einen angenehmen luftigen, ermüdungsfreien Gesamtklang ergibt. Die Klangabstimmung ist im Grunde die gleiche wie beim geschlossenen Hi-X55, wobei aber die prinzipbedingten Vorteile eines offenen Systems zum Tragen kommen: Die Bässe und unteren Mitten wirken trockener, präziser und transparenter. Die oberen Frequenzen erscheinen luftiger, offener. Man kann bestens zwischen beiden Kopfhörermodellen wechseln, ohne sich umgewöhnen zu müssen.

Der Hi-X65 ist kein Schönfärber oder Schmeichler; seine Klangdarstellung ist ehrlich und nüchtern. Zwar gibt es aufgrund der leichten Mittensenke eine Tendenz zu einem eher Pop-orientierten Klang, aber das bedeutet nicht, dass er färbt. Vielmehr gibt er dem Toningenieur ein vertrautes Klangbild mit einer hohen Kompatibilität zu Consumer-Kopfhörern, die ja oft noch viel stärker die Bässe und Höhen betonen. Vollkommen neutral ist ohnehin kein Kopfhörer, schon weil sich die Linearität nicht so ohne Weiteres nachmessen lässt. Die Interaktion zwischen Ohr und Kopfhörer ist zu komplex und sowieso individuellen Unterschieden unterworfen. Die Klangabstimmung eines Kopfhörers ist daher immer auf die Expertise von Testhörern angewiesen. Daher ergibt sich auch oft eine herstellerspezifische Klangästhetik.

Bekanntlich ist Austrian Audio eine Neugründung ehemaliger AKG-Mitarbeiter, und seine Wiener Herkunft merkt man dem Hi-X65 jederzeit an. Wer ein Faible für AKG-Kopfhörer der nobleren Sorte hat, wird den Hi-X65 lieben. Er hat dieselbe Klang-DNA bei nochmals gesteigerter Fertigungsqualität. Das äußert sich u. a. in einem äußerst präzisen Stereobild. Die Ortung ist plastisch, die Stereomitte messerscharf – sicher das Ergebnis eines gewissenhaften Abgleichs beider Treiber.

Obwohl auch der Hi-X65 sehr niederohmig ist, scheint mir sein Klang weniger stark vom Kopfhörerverstärker abhängig, als es beim geschlossenen Hi-X55 der Fall ist. Für eine optimale Anpassung sollte der Kopfhörerausgang eine mindestens acht Mal kleinere Impedanz haben als die Kopfhörerimpedanz. Bei 25 Ohm wären das rund 3 Ohm. Viele Kopfhörerausgänge sind jedoch deutlich hochohmiger. Die Kopfhörerverstärker in meinem Drawmer MC2.1 liegen – einer alten IEC-Empfehlung folgend – bei über 100 Ohm. Viele Audio-Interfaces haben Kopfhörerausgänge im Bereich 30 Ohm – eigentlich viel zu viel für einen 25-Ohm-Hörer. Der Hi-X65 klang dennoch an allen Ausgängen gut. Scheinbar ist er aufgrund der offenen Bauweise weniger auf eine optimale elektrische Dämpfung angewiesen als sein geschlossener Kollege Hi-X55. Die Impulswiedergabe wirkt stets sauber.

Natürlich gibt der Hi-X65 deutlich mehr Schall nach außen ab als der geschlossene Hi-X55, und natürlich schirmt der Hi-X65 auch weniger von der Außenwelt ab. Er scheint mir aber nicht so extrem offen wie etwa der HEDD HEDDphone oder der zuletzt getestete Focal Clear Mg. Außenschall wird vor allem in den oberen Frequenzen hörbar gedämpft; man könnte fast von einem halboffenen Kopfhörer sprechen. Wenn man Vorsicht walten lässt und den Pegel nicht allzu weit aufdreht, lässt sich der Hi-X65 durchaus auch fürs Musiker-Monitoring verwenden. Damit kann er zum Problemlöser werden für empfindliche Sänger, die mit geschlossenen Kopfhörern Intonationsschwierigkeiten haben. Eine offene oder halboffene Konstruktion hilft sehr bei der Wahrnehmung der eigenen Stimme. Die zwangsläufig damit einhergehende Neigung zu Übersprechen und Feedback relativiert sich insofern, dass man nicht übermäßig laut drehen muss, um sich »richtig« zu hören. Der primäre Einsatzbereich des Hi-X65 ist aber Mixing und Mastering. Mit seinem präzisen, transparenten Klang erlaubt er eine sichere Beurteilung von Klang und Stereobild.

Fazit

Auch der dritte von Austrian Audio vorgestellte Kopfhörer kann voll überzeugen. Der Hi-X65 ist ein offener, ohrumschließender Kopfhörer mit sehr guten Trageeigenschaften und einem hochauflösenden, sauberen Sound. Trotz einer leichten Betonung der Präsenzen und Höhenfrequenzen wirkt das Klangbild des Hi-X65 im Vergleich zu hochpreisigen Hi-Fi-Kopfhörern eher nüchtern. Genau das weist ihn als professionelles Arbeitsgerät aus! Die Stereodarstellung wird nicht effektvoll verbreitert. Der Hi-X65 blendet auch nicht mit jener verspielten Liebe zu winzigen Klangdetails, die dem Consumer ein »Wow!« abringen mögen, dem Profi aber den Blick aufs Ganze versperren. Im Mittelpunkt steht eine sichere Beurteilung des Klangmaterials, ohne Schönfärberei und ohne ins (Über-)Analytische abzudriften.

In seiner Klangbalance ist der Hi-X65 grundsätzlich nahe am geschlossenen Schwestermodell Hi-X55 – die generelle Ästhetik ist sehr ähnlich. Das ist günstig, wenn man zwischen beiden Modellen wechseln möchte, um die jeweiligen Vorzüge eines geschlossenen bzw. offenen Systems zu nutzen. Diese liegen beim Hi-X65 in einem noch transparenteren Klangbild. Ihre spezifischen Vorteile zeigt die offene Bauweise vor allem in den unteren Frequenzbereichen: Die Bässe und Tiefmitten werden trocken und ohne Nachschwingen wiedergegeben. Die Impulstreue ist sehr hoch; auch sind keine internen Resonanzen wahrzunehmen. Die hocheffizienten Treiber arbeiten sehr verzerrungsarm, zumal sie dem Kopfhörerverstärker wenig Leistung abverlangen. Mit einer Impedanz von nur 25 Ohm ist selbst an batteriebetriebenen Mobilgeräten eine mehr als ausreichende Lautstärke zu erzielen. Damit empfiehlt sich der Hi-X65 besonders für Mixing und Mastering unterwegs und im Studio.

Wie alle Produkte von Austrian Audio wird der Hi-X65 in Wien handgefertigt. Angesichts der hohen Fertigungsqualität sowie der sehr guten Klang- und Trageeigenschaften scheint der Preis von 349 Euro überraschend günstig.


Hersteller/Vertrieb: Austrian Audio / Sonic Sales
Preis: 349,– Euro
Internet: www.austrian.audio; www.sonic-sales.de

Unsere Meinung:

+++ transparentes Klangbild
+++ präzise Stereodarstellung
+++ hoher Tragekomfort
+++ hohe Fertigungsqualität
++ günstiges Preis/Leistungs-Verhältnis

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Hallo Austrian
    Ich habe den Hi x 55
    Jedoch hätte ich doch lieber die Abstimmung bzw. den Klang des Hi x 60.
    Welche Möglichkeit habe ich nun ?
    (Außer Neu kaufen)…zumal ich ein neuwertigen Hi x 55 mein eigen nenne ?
    (Welche frequenzlichen Korrekturen fehlen mir, um mein Hi x 55 wie den Hi x 60 klingen zu lassen) ?

    Bitte um Antwort. ?

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