Tradition und Moderne

Audio-Technica: AT5047 Studiomikrofon mit Vierfach-Kapsel im Test

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Audio-Technica-AT5047 im Test
(Bild: Dr. Andreas Hau)

Vor gut fünf Jahren startete Audio-Technica eine neue Mikrofonserie im Premiumsegment. Erstes Produkt war das AT5040 mit einer innovativen Vierfach-Kapsel. Ihm zur Seite steht nun die »Vintage«-Variante AT5047 mit klassischer Übertrager-Elektronik. Ohne aber die Innovationen des Schwestermodells über Bord zu werfen.

Wie das AT5040 wird auch das AT5047 in einem ebenso formschönen wie robusten Transportkoffer geliefert. Ein bisschen Luxus muss schon sein bei einer unverbindlichen Preisempfehlung von fast 4.000,− Euro. Visuell unterscheidet sich das AT5047 von seinem Schwestermodell, das weiterhin angeboten wird und etwa 500 Euro weniger kostet, durch eine durchgängige Oberflächengestaltung in klassischem Nickel-Matt.

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Inspektion

Wie gehabt bilden der große Mikrofonkorb und der Gehäusetubus einen Zylinder mit einem Durchmesser von 57 mm und einer Länge von 165 mm. Optische Raffinesse erfährt die Konstruktion erst durch die elegante, vorne offene Spinnenhalterung. Ein Fest für jeden Technikbegeisterten ist deren genialer Haltemechanismus, der das 592 g schwere Mikrofon mit einem hellen Klicken aufnimmt über einen rückseitigen Hebel lässt sich die Halterung sicher verriegeln.

Am gesamten Mikrofongehäuse ist keine einzige Schraube sichtbar; öffnen lässt es sich wohl nur mit Spezialwerkzeug. Zur Begutachtung des Innenlebens müssen wir uns daher mit Herstellerfotos und einem »White Paper« begnügen, das die Funktionsweise des AT5047 und die Unterschiede zum AT5040 erläutert. Wie das Schwestermodell arbeitet das AT5047 mit vier rechteckigen Membranen, die insgesamt eine Konstruktion von 35 x 60 mm ergeben. Die resultierende Membranfläche entspricht gut dem Doppelten einer üblichen 1-Zoll-Großmembrankapsel − was dem Rauschabstand zugutekommt, denn eine größere Fläche bedeutet mehr Nutzsignal. Gleichzeitig ist jede Einzelkapsel deutlich kleiner als eine Großmembrankapsel, was das Nachschwingen minimiert. Somit kombiniert diese Vierfach-Kapsel das exzellente Rauschverhalten einer Großmembrankapsel mit dem überlegenen Impulsverhalten einer Kleinmembrankapsel.

Die Mylar-Membranen des AT5047 sind mit nur 2 Mikromillimetern dreimal dünner als üblich; auch das soll der Impulstreue zugutekommen. Außerdem sind die Membranen in einem speziellen Prozess aufgebracht, bei dem die Leimdosierung über die Länge der Kapsel variiert wird. Als Resultat soll die Kapsel nicht eine Resonanzfrequenz haben, wie runde Kapseln, und auch nicht zwei weniger starke Resonanzen, wie andere Rechteck-Kapseln (z. B. von den nun wiedervereinten schwedischen Herstellern Pearl und Milab). Durch die spezielle Verleimung sollen sich die Kapselresonanzen über einen breiten Frequenzbereich verteilen, wodurch sie akustisch unproblematisch werden. Nachprüfen lässt sich das so ohne Weiteres nicht, aber die Theorie klingt schlüssig.

Interessant ist, dass Audio-Technica bei diesem Premium-Mikrofon auf Elektret-Technik zurückgreift, die man sonst vorwiegend bei günstigen Kondensatormikrofonen findet (berühmte Ausnahme: Mikrofone des dänischen Nobelherstellers DPA). Da es gewiss nicht um den Preis ging und Audio-Technica sowieso auch extern polarisierte Kapseln herstellt, darf man davon ausgehen, dass die japanischen Entwickler sich ganz bewusst für Elektret-Kapseln entschieden haben. Bei Elektret-Kondensatormikrofonen wird die elektrische Ladung nicht extern zugeführt, sondern ist permanent in der Kapsel gespeichert, in der namensgebenden Elektret-Schicht, die üblicherweise auf die Gegenelektrode aufgebracht wird (»Back-Electret«). Laut dem »50 Series White Paper« sieht Audio-Technica die Vorteile der Elektret-Technik im Wegfall des Gleichspannungswandlers für die Kapselpolarisation. Das spart Strom, den die Phantomspeisung ja nicht unbegrenzt zur Verfügung stellt. So bleibt mehr Energie für die Impedanzwandler-Elektronik. Gleichzeitig wird die Gefahr von Störgeräuschen durch den Spannungswandler eliminiert. Spannungswandler benötigen nämlich einen Oszillator, der (potenziell) in die Audioschaltung übersprechen kann.


Die Messungen zeigen ein sehr klangneutrales Mikrofon mit einem sehr besonderen Off-Axis-Verhalten

Direkt auf die Schallquelle ausgerichtet, reicht der Frequenzgang des AT5047 bis über 20 kHz — das schaffen sonst nur gute Kleinmembran-Kondensatormikrofone.
Schon 30 Grad außerhalb der Aufnahmeachse fallen die oberen Frequenzen steil ab; in der Vertikalen nochmals dramatischer als in der Horizontalen. Das ist eine gewollte Höhenabschattung, eine Art akustische Vignettierung
Zum Vergleich ein Neumann U 87 A: 30 Grad außerhalb der Aufnahmeachse fallen die Höhen nur leicht ab.
Ein Herstellerfoto des Innenlebens, das die »nackte« Vierfach-Membran und den Übertrager zeigt. Das Mikrofon lässt sich ohne Spezialwerkzeug nicht öffnen.

Schaltungstechnisch

Die Unterschiede zum AT5040 liegen vor allem in der Schaltung. Beim 5040 hat jede der vier Nierenkapseln einen eigenen Impedanzwandler. Je zwei dieser aktiv gepufferten Kapseln treiben eine gemeinsame Ausgangsstufe an, und jede Ausgangsstufe mündet in eine Seite des symmetrischen Ausgangs. Dadurch wird die per Phantomspeisung bereitgestellte Energie optimal genutzt: Das AT5040 erzielt eine extrem hohe Empfindlichkeit von 56 mV/Pa und einen Grenzschalldruckpegel von 142 dB SPL. D.h., der maximale Ausgangspegel beträgt über 25 dBu; das entspricht einer Signalspannung von fast 40 Volt Peak-to-Peak. Eine technische Meisterleistung! Aber genau darin liegt auch das Problem, denn die wenigsten Mikrofonvorverstärker können solche Pegel verarbeiten; je nach Bauweise übersteuert das AT5040 den nachfolgenden Preamp bereits bei moderaten Schallpegeln.

Ziel der Produktentwicklung beim AT5047 war deshalb, den Ausgangspegel auf ein sinnvolles Maß zu reduzieren. Das ist gelungen: Mit einer Empfindlichkeit von 35,5 mV/Pa ist es nur 2 Dezibel »lauter« als der allseits geschätzte Studiostandard Neumann U 87 A (28 mV/Pa). Interessant ist, wie diese Pegelreduktion realisiert wurde: Beim AT5047 werden je zwei Kapseln passiv summiert und münden in eine gemeinsame Impedanzwandler-Elektronik. Die beiden Impedanzwandler treiben dann beidseitig einen Ausgangsübertrager aus eigener Fertigung an. Mit 150 Ohm liegt die Ausgangsimpedanz etwas höher als beim AT5040, was laut Audio-Technica die Verträglichkeit mit verschiedenen Mikrofonvorverstärkern verbessern soll. Das Eigenrauschen ist um 1 dB höher als beim Schwestermodell, aber mit 6 dB-A immer noch extrem niedrig.

Den Grenzschalldruckpegel spezifiziert der Hersteller um 6 dB höher als beim AT5040. Das scheint ein bisschen gewagt, denn bei Erreichen der 148 dB SPL (bei 1 % Verzerrung) liegt der Ausgangspegel (trotz der etwas geringeren Empfindlichkeit) nochmals höher, bei 27,2 dBu. Das entspräche einer Ausgangsspannung (Peak-to-Peak) von knapp über 50 Volt! Angesichts einer Versorgungsspannung von 48 Volt erscheint das unwahrscheinlich (wenngleich nicht unmöglich). Sollte die Angabe dennoch stimmen, dürfte sie nur für 1 kHz gelten. Denn bei tieferen Frequenzen müsste der zierliche Ausgangsübertrager schon deutlich früher in Sättigung geraten. Das alles lässt sich freilich schlecht überprüfen, denn so hohe Schallpegel treten im normalen Recording-Alltag schlichtweg nicht auf. Und somit ist es eigentlich auch wurscht. Fakt ist, das Mikrofon ist sehr hoch aussteuerbar.

Halten wir fest: Im AT5047 steckt Spitzentechnik, die herausragende technische Werte erzielt. Bleibt allein die Frage, ob es auch gut klingt.

Audio-Technica-AT5047 im Test(Bild: Dr. Andreas Hau)

Praxis

Seit dem legendären Neumann U47 suggeriert die Zahl 47 in einer Mikrofonbezeichnung ein gewisses Vintage-Mojo. Das gilt selbst für die eigentlich eher nüchternen Japaner: Das AT4047 und dessen Multipattern-Pendant AT4047 MP unterscheiden sich vom beliebten Audio-Technica-Studiostandard AT4050 durch eine geschmackvolle Prise Retro-Klangcharakter. Auch in der 40er-Serie sind die 47er-Modelle mit einer Übertrager-Elektronik ausgestattet.

Wer nun vom AT5047 einen ähnlich großen Klangunterschied zum Standardmodell erwartet, sieht sich getäuscht. Zwar hatte ich kein AT5040 zum Direktvergleich, aber einen dezidierten Vintage-Charakter konnte ich beim AT5047 nicht ausmachen. Das AT5047 klingt sehr clean, linear und hochauflösend. Die Klangbalance ist äußerst ausgewogen. Meine Messungen zeigen eine minimal stärkere Präsenzanhebung bei 3 kHz und eine ebenso minimal geringere Höhenanhebung oberhalb 10 kHz, verglichen mit meinen Messungen des AT5040 anno 2012. Im Wesentlichen liegt der Frequenzgang aber in einem engen Schlauch von ±1,5 dB um die Nulllinie. Die Sollfrequenzgänge des Herstellers sind für beide Mikros identisch. Insofern dürfte es sich bei den Testmikrofonen um individuelle Abweichungen handeln. Leichte Messungenauigkeiten lassen sich bei aller Sorgfalt nicht völlig ausschließen, denn die große Vierfach-Kapsel bedingt stark abfallende Höhen außerhalb der Hauptaufnahmeachse.

Bei der Positionierung des AT5047 muss man daher sehr sorgfältig vorgehen. Das ist kein Designfehler, sondern ein Feature: Die rechteckige Vierfach-Kapsel fokussiert sehr stark. Schon in der Horizontalen ist die Off-Axis-Abschattung hoch − von Verfärbung möchte ich nicht sprechen, denn der HF-Roll-Off ist zumindest bis 10 kHz recht gleichmäßig. In der Vertikalen verstärkt sich der Effekt nochmals drastisch. Während gewöhnliche Großmembranmikrofone mit runder Kapsel bis 30 Grad außerhalb der Aufnahmeachse kaum einen Höhenabfall aufweisen, dämpft das AT5047 Höhenanteile außerhalb seines Fokusbereichs sehr deutlich. Dieses Verhalten kann − und sollte − man gewinnbringend nutzen.

Generell nimmt das AT5047 nur wenig Raumklang mit auf; Schallreflexionen insbesondere von Decke und Boden werden stark unterdrückt. Damit eignet sich das AT5047 sehr gut für Aufnahmen in problematischen Räumen. Oder auch für Gesangsaufnahmen in der Tonregie; bei geschickter Positionierung sogar bei angeschalteten Lautsprechern. Viele Sänger mögen ja die »Isolationshaft« in einer Gesangskabine nicht besonders und fühlen sich in der Tonregie deutlich wohler. Bislang musste man für solche Künstler zu einem Handmikrofon greifen; Bono von U2 singt bekanntermaßen seine Lead-Vocals am liebsten in der Tonregie mit einem SM58. Bei allem Respekt für den ehrwürdigen Shure-Klassiker: Es gibt besser klingende Mikrofone für Studio-Vocals. Nicht zuletzt das AT5047.

Audio-Technica-AT5047 im Test
Das Audio-Technica AT5047 im Direktvergleich mit Neumanns
beliebtem Studiostandard U 87 A
(Bild: Dr. Andreas Hau)

Eine andere Anwendung, bei der das besondere Richtverhalten des AT5047 Vorteile bietet, sind Aufnahmen von Singer/Songwritern, insbesondere singende Gitarristen. Mit singenden Pianisten konnte ich es nicht ausprobieren, aber auch hier sollten sich kreative Lösungen finden, Stimme und Instrument so weit voneinander zu trennen, dass man die Lautstärke- und Klangbalance umfassend nachjustieren kann. Idealerweise bräuchte man dazu zwei AT5047 (bei Piano statt Gitarre eher drei). Im Praxistest konnte ich aber schon mit einem AT5047 und einem »normalen« Großmembranmikrofon (ein Neumann U 87 A) eine gute Signaltrennung erzielen. Das AT5047 habe ich dabei für die Stimme verwendet, während das U 87 A die Gitarre abnahm. Geschickt positioniert, war das Übersprechen der Gitarre ins Gesangsmikro nur noch ein mittiger Klangteppich mit Radio-Sound, der die Sprachverständlichkeit nicht weiter störte. Das richtige Maß an Gitarrenbrillanz ließ sich dann über das zweite Mikro hinzuregeln.

Gerne hätte ich dieses Experiment mit zwei AT5047 fortgesetzt, denn neben dem besonders fokussierten Richtverhalten ist die zweite herausragende Eigenschaft das hervorragende Transientenverhalten, verbunden mit einem sehr weit reichenden Höhenfrequenzgang. Während gewöhnliche Großmembran-Kondensatormikrofone oberhalb 15 kHz rasch abfallen, reicht das AT5047 − wie ein gutes Kleinmembran-Kondensatormikrofon − bis über 20 kHz. Perfekt für akustische Saiteninstrumente und Percussion.

Steile Transienten stellen aber auch Sprachkonsonanten dar; deshalb ist das AT5047 auch ein erstklassiges Gesangsmikrofon – jedenfalls, wenn man ein natürliches Klangbild wünscht. Schmeichlerisch wie ein gutes Röhrenmikrofon ist das AT5047 nicht, dafür ist sein Klang zu trocken und detailreich. Es wirkt als Gesangsmikrofon aber keineswegs so »unbequem« wie die meisten Kleinmembran-Kondensatormikrofone. Sein Nahbesprechungseffekt scheint nicht aufdringlich, sondern fügt sich organisch ins Klanggeschehen ein, sodass der Performer mühelos mit dem Mikrofonabstand spielen kann.

Fazit

Das AT5047 ist ein ganz besonderes Mikrofon. Seine Vierfach-Kapsel kombiniert die hervorragende Impulstreue und den erweiterten Höhenfrequenzgang eines Kleinmembranmikrofons mit den positiven Eigenschaften eines Großmembranmikrofons, wie extreme Rauscharmut. Dabei ist sein Richtverhalten noch weitaus stärker fokussiert als bei einem gewöhnlichen Großmembran-Kondensatormikrofon mit 1-Zoll-Kapsel.

Bezüglich des Höhenabfalls außerhalb der Aufnahmeachse verhält sich die Vierfach-Kapsel ähnlich wie eine einzige, riesige Kapsel von 35 x 60 mm. Alles außerhalb des zentralen Fokusbereichs des AT5047 wird abgedunkelt. Bei einem Kameraobjektiv würde man von Vignettierung sprechen; die ist hier aber keine Unzulänglichkeit, sondern ganz gezielt herausgearbeitet. Denn sie macht das AT5047 zu einem Solistenmikrofon par excellence.

Was man indes nicht erwarten sollte, ist eine schmeichlerische Klangfärbung alleine aufgrund des Ausgangsübertragers. Das AT5047 klingt ähnlich linear und unverfälscht wie sein übertragerloses Pendant, das AT5040. Die geänderte Elektronik dient primär der Pegelanpassung, sodass das AT5047 besser mit verschiedensten Mikrofon-Preamps harmoniert.

Aufgrund seines »ehrlichen« Charakters eignet sich das AT5047 für Stimmen und Instrumente aller Art. In dieser Hinsicht ist es sehr vielseitig verwendbar. Nicht optimal ist es jedoch für Sänger, die sich beim Singen viel bewegen und für größere Klangkörper wie Chöre, Ensembles oder Instrumente mit einer gewissen räumlichen Ausdehnung wie etwa Harfe.

Somit ist das AT5047 gewissermaßen ein universeller Spezialist. Zielgruppe sind Studios und Privatanwender, die eigentlich schon alles haben: Das AT5047 ersetzt keinen der bekannten Studioklassiker, es bereichert aber selbst einen prall gefüllten Mikrofonschrank um einzigartige Aufnahmeeigenschaften.

Audio-Technica-AT5047 im Test(Bild: Dr. Andreas Hau)

 

+++
detailreiches Klangbild
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extrem rauscharm
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innovative Technik
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geniale Spinnenhalterung

zu schmales Aufnahmefeld für große Klangkörper

 

Hersteller/Vertrieb: Audio-Technica
UvP/Straßenpreis 3.999,− Euro / ca. 3.500,− Euro

www.audio-technica.de

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Danke Herr Hau. Dieses Mikro scheint sowas von gut zu sein, dass es geradezu danach ruft angeschafft und eingesetzt zu werden:-)

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  2. Danke, Herr Hau, für diese ausgezeichnete Besprechung: fundiert, seriös, informativ und gut zu lesen. Aber von Ihnen sind wir das ja gewohnt.

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