Berlin: MSM-Studio für 3D-Audio-Mixes

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Stefan Bock von den Münchener MSM-Studios eröffnet mit Engineer Hans-Martin Buff eine Berliner Filiale des Mix- und Mastering-Studios: Ein professioneller 3D-Mix-Raum soll einheitliche Abhörbedingungen zur Beurteilung von Atmos-Mischungen schaffen. Auch externe Mischer sollen dort per Notebook unkompliziert das Speaker-Setup nutzen können.

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Die Münchener MSM-Studios haben sich seit ihrer Entstehung 1991 für Mix und Mastering sowie multimediale Projekte (u. a. Video-Postproduction) etabliert. Sie zählen laut Gründer Stefan Bock zu den ersten, die sich dem Thema Dolby Atmos widmeten (seit 2015). Engineer Hans-Martin Buff machte sich durch die Arbeit in den Paisley Park Studios von Prince in den späten 1990er-Jahren einen Namen, darüber hinaus arbeitete er etwa für No Doubt, die Scorpions, Mousse T. oder Peter Gabriel. »Ich bin seit sechs Jahren sehr auf 3D-Musik fokussiert, weil mich das als kreatives Werkzeug interessiert. Mittlerweile ist daraus eine Notwendigkeit entstanden, dass es theoretisch jeder macht. Allerdings ist nicht jeder, der Lautsprecher hat, ein Mischer. So haben wir uns gefunden – MSM und ich haben die gleiche Leidenschaft für 3D-Audio für Musik.« Seit Juli 2023 ist er Partner im MSM-Team.

Atmos-Studio zum Mix vor Ort und als Präsentations-Möglichkeit. Im Oktober eröffnet die Filiale in Berlin-Kreuzberg. Erfahrungsgemäß seien Hörer im Studio laut Buff von Atmos begeistert, allerdings sei es gleichermaßen schwierig, Leute in Studio jenseits ihres Wohnortes zu »entführen«. »Wir wollen damit Künstler und Labels in der Hauptstadt ›abholen‹ «, ergänzt sein Kollege Stefan Bock.

Im Hauptraum des Studios ist ein 9.1.4-Setup mit Amphion-Lautsprechern verbaut, die ihnen in Vergleichen besonders gut gefallen haben. Neun Amphion One18-Lautprecher befinden sich auf Ohrhöre, vier an der Decke. »Wir haben die Frontlautsprecher – Links, Center, Rechts – jeweils noch mit dem ›Bass 25‹-Bass-Modul ergänzt, dazu haben wir noch einen dezidierten Subwoofer für den LFE-Kanal.« Das Akustik-Design stammt von Jochen Veith und ist als Raum-in-Raum-Konstruktion ausgeführt. Gemischt wird »in-the-box«, bei Bedarf mit Fader-Controller. »Bei Atmos macht es nicht viel Sinn, mit viel Peripherie zu arbeiten. Wir nutzen ein Pro-Tools- und ein Pyramix-System.« Letzteres wird beispielsweise im Klassikbereich gern verwendet. Als Herzstück des Setups bezeichnet Bock einen Trinnov Altitude 32 Immersive-Sound AV-Prozessor, der als Abhör-Controller und Signalprozessor dient. »Über den Trinnov können wir neben dem selbstgemischten Studiosignal auch sämtliche andere Quellen – Blu-ray, Apple TV, was auch immer – durch dieselben Wandler mit der gleichen Lautsprecher-Einmessung hören.« Als universelle Schnittstelle für die DAWs nutzen sie mehrere Merging/Neumann Technologies Hapi-Interfaces.

Gast-Mischer sollen das Setup unkompliziert nutzen können. »Auch wenn wir die meiste Arbeit dort machen werden, wollten wir so aufgestellt sein, dass Gast-Ingenieure das Studio buchen, einfach ihren Laptop an die Peripherie hängen und loslegen können«, erklärt Buff. Über ein Neumann MT48-Interface lässt sich ein Notebook direkt per USB-Schnittstelle einbinden, so Bock: »Jemand, der sich aufsteckt, soll nicht groß Setups generieren müssen. Gleichzeitig hat das Atmos-Setup recht viele Kanäle. Es kann sein, dass sich jemand einloggen möchte, der den Renderer nicht bei sich nutzen will, sondern einen Renderer bei uns auf dem Rechner verwenden möchte.« Auch Remote-Mixing soll per Glasfaser-Anschluss möglich sein. Ein weiteres Szenario: »Jemand braucht eine Videozuspielung – dann kann unser Rechner bei Bedarf zum Video-Playback-Gerät werden und synchronisiert sich mit dem Audiorechner. Im Studio gibt es eine große Leinwand, samt 4K-UHD-Laser-Beamer.« Das eigne sich beispielsweise, um Videomaterial beim Mix von Live-Konzerten darzustellen. »In München haben wir ohnehin eine Videoregie, wo wir Farbkorrekturen, Color-Grading, Editing und Weiteres machen. Wir können ein Live-Konzert überall mischen und schneiden – wenn es jemand abnehmen muss, kann derjenige das nun auch in Berlin tun. Umgekehrt kann ein Label ein fertiges Produkt bei uns der Journalistenwelt präsentieren. Bislang existieren wenig Möglichkeiten, wo der Raum groß genug ist, sodass zehn, zwölf Leute das Ergebnis an ihrem Platz gut hören und beurteilen können. Uns war daher auch wichtig, den Raum groß genug zu bekommen.« Mit 7 m Länge, 5 m Breite und 3 m Höhe habe der Raum »ideale Maße für einen perfekten Dolby-Atmos-Referenzraum«, erläutert Stefan Bock. Der Arbeitstisch lässt sich aus dem Studio entfernen, sodass für eine Präsentation bei Bedarf ein leerer Raum zur Verfügung steht. Die drei weiteren Räume im Studio sind als flexible Pre-Production-, Video-, Büro- und Abhörräume gedacht.

Buff bei der Installation eines der hinteren Deckenlautsprecher
Buff bei der Installation eines der hinteren Deckenlautsprecher

Bewusst für Atmos komponieren und produzieren. Wie sieht die »Arbeitsgrundlage« bei Atmos-Mischungen im Moment aus? Derzeit mischt Hans-Martin Buff das aktuelle Album von Peter Gabriel für Atmos als eigenständigen Mix, der neben dem Stereomix speziell für das Medium entsteht. »Ich habe bislang nur einen der Songs als Stereomix gehört – und den auch nur zufällig. Ich wusste, dass ich nicht auf die Stereoversion als ›Vorbild‹ hören muss – ein Privileg im Pop-Bereich bei der Entstehung eines Atmos-Mixes.« Bislang sei Atmos ein »Begleitmix« zur Stereomischung, so das Dilemma: »Fast immer werden vorgemischte Stems geliefert, wo einem in der 3D-Gestaltung die Hände gebunden sind, wenn beispielsweise das Schlagzeug gebündelt ist. Die bessere Variante: Vorgemischte Einzelspuren werden mit Kompressor und EQ angeliefert, dazu die Effekträume auf separaten Kanälen. Dann ist der Mix-Aufwand größer, aber das Ergebnis ist auch besser.«

 Die beste Option sei die wie bei Peter Gabriel, mit dem rohen Ausgangsmaterial, als voller Mix für die 3D-Räumlichkeit. Ein mögliches Ideal, von dem der Mainstream-Pop allerdings noch weit weg sei, bestehe darin, von vornherein für Atmos aufzunehmen. »Das habe ich ein bisschen bei den Fantastischen Vier gemacht, bei den Liechtenstein Tapes. Da war ich bei der Aufnahme mit dabei und habe zum Stereo-Setup im ›Little Big Beat‹-Studio in Liechtenstein meine 3D-Setups gepackt – so hatte ich mehr Material beim Mix. Das war allerdings eine Erweiterung zu Songs, die für Stereo geschrieben waren – eine Neuaufnahme ihrer Greatest Hits. Der ultimative Schritt wäre, dass Künstler, Arrangeure und Produzenten schon während der Entstehung in 3D denken. Das ist noch ein Weg – dazu muss man erstmal wissen, was das bedeutet, und ein paar Beispiele haben. Man braucht erst einen Rahmen, bis man ihn sprengen kann.« Bislang gebe es noch wenige wirklich gute Mischungen für Atmos, »aber künftige Künstler werden kommen – und auch Instrumente dafür. Von Sound Particles existiert der ›SkyDust 3D‹, ein Pop-Synthie- und Sampler-Instrument, das Sounds nicht nur in Stereo, sondern wild in 3D bauen lässt.«

 Stefan Bock verweist auf die bereits vorhandenen Gegebenheiten: »Jeder, der Logic nutzt, hat automatisch einen Atmos-Renderer dabei. Wir werden eine Generation von Musikern erleben, die es nicht anders kennen«, prophezeit er. »Das wird für die so normal sein wie stereo für uns. Wenn du die Möglichkeiten hast, wirst du sie nutzen.« Bei bisherigem Material sieht er zudem eine »historische Chance in der Musikwelt«, wie er sagt. »Wir haben erstmalig – seit dem Schritt von Vinyl auf CD – eine Situation, wo die Labels ihre Archive aufmachen und noch mal neu mischen. Das machst du nicht alle zwei Jahre. Was wir heute tun, muss die nächsten 20, 30 Jahre Bestand haben. Das muss gut sein – ohne ein gutes Musikerlebnis sehen die Leute keinen Mehrwert in 3D-Audio.«

Vermessung der Positionierung
Vermessung der Positionierung

Auto-Innenraum als Atmos-Anwendung. Ein weiteres Anwendungsfeld sieht er bei Autos – sie bieten einen »fixen« Sweet Spot der Hörer. Aktuell hatte sich Dolby anlässlich der IAA in München im MSM-Studio eingemietet. »In vier Tagen haben wir gut 200 Leute durch das Studio geschleust, um Demos zu zeigen. Atmos im Auto ist ein Riesenthema – in allen Größen. Im Hof standen u. a. ein kleiner Hyundai mit sechs Lautsprechern und eine Mercedes S-Klasse mit über 30 Lautsprechern. Alle spielten Dolby Atmos ab. Ich war überrascht, wie viel Atmos aus sechs Lautsprechern kommen kann! Die machen einen richtig guten Job. Im Auto geht’s um Erlebnis – gerade auch, wenn autonomes Fahren kommt.« Die erwähnten unterschiedlichen Lautsprecher-Konfigurationen entsprechen der individuellen Skalierbarkeit des Atmos-Formats. »Da sehe ich auch unsere Aufgabe: Den Klang so übersetzen zu können, dass es für alle Atmos-Anwendungen funktioniert – nicht nur auf Kopfhörern.«

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