ADL verpflichtet

Presonus ADL 700 Channelstrip im Test

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Wer träumt nicht von einem »echten« Vollröhren-Vorverstärker? Und so ein bisschen Klangformung mit EQ und Kompressor wäre ja auch nicht schlecht. Mit dem ADL 700 präsentierte Presonus 2013 einen Channelstrip, der all diese Wünsche auf Top-Niveau erfüllen möchte.Presonus-ADL-700-Channelstrip

Mancher Stammleser wird sich dunkel erinnern: Erstmals in Erscheinung trat der ADL 700 im Messebericht 2008 (S&R 04.2008). In den Folgejahren hieß es stets, er sei unmittelbar vor der Auslieferung − dann verschwand er sang- und klanglos von der Bildfläche. Umso verwunderter war ich, den ADL-700- Channelstrip dieses Jahr am Messestand wieder anzutreffen − und sogar lieferbar!

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Tja, gut Ding will Weile haben. Und nach fünf Jahren Reifezeit müsste das Ding ja nun saugut sein, oder?

Ausgepackt

Wie der Kartonaufdruck verrät, wird der ADL 700 in China gefertigt. Das hat heutzutage nicht mehr viel zu bedeuten, denn, wie Apples iPhone und andere HiTech-Geräte beweisen, haben die Chinesen inzwischen ein beachtliches Qualitätsniveau erreicht. Die Fernostfertigung erklärt aber den vergleichsweise moderaten Preis von rund 1.900 Euro − der in S&R 5.2006 getestete Stereo-Preamp ADL600, der seinerzeit noch in USA gefertigt wurde, war bei vergleichbarem Schaltungsaufwand einige Hunderter teurer.

Das äußere Erscheinungsbild ist makellos. Auf einer massiven, anthrazitfarbenen Alu-Frontplatte sitzen formschöne Metallknöpfe, während in der Mitte ein goldgelb hinterleuchtetes Analog-VU-Meter prangt − nice! Das 19-Zoll-Gerät kommt mit zwei Höheneinheiten aus, baut aber sehr tief mit einer Gesamtlänge von 39 cm (inklusive Knöpfen) bzw. einem Einbaumaß von 36 cm. Wie bei allen Röhrengeräten sollte man im Rack einen Luftspalt einplanen, damit die Warmluft nach oben abziehen kann.

Der ADL 700 besteht aus drei Sektionen: Preamp, Kompressor und EQ. Die exquisite Röhrenvorstufe (s. Kasten »Aufbau«) wurde von Anthony DeMaria entworfen, seines Zeichens Chef der Edelschmiede Anthony DeMaria Labs. Das Preamp-Design des ADL 700 ist mit dem des ADL 600 weitgehend identisch. Es gibt drei Eingänge: Der Line-In und der Mikrofoneingang sind als XLR-Buchsen auf der Rückseite zu finden, der Instrumenteneingang liegt als leicht zugängliche Klinkenbuchse auf der Front. Der Eingangsumschalter bestimmt gleichzeitig die Impedanz des Mikrofoneingangs: 1.500, 900, 300 und 150 Ohm stehen zur Auswahl. Zu den wenigen Schwachpunkten des ADL 600 gehörte die relativ niedrige Eingangsimpedanz des Instrument-Inputs von nur 100 KiloOhm. Beim ADL 700 wurde deshalb eine zusätzliche FET-Eingangsstufe eingebaut, die die Eingangsimpedanz auf 1 MegaOhm heraufsetzt − ein weitaus geeigneterer Wert für Gitarren und Bässe mit passiver Elektronik. Im beiliegenden Manual ist übrigens von 100 MegaOhm die Rede, das war aber schlicht ein Druckfehler, der im PDF-Manual inzwischen behoben wurde. Ein weiterer kleiner Unterschied zum ADL 600: Der Low-Cut ist stufenlos von unter 20 Hz bis 200 Hz durchstimmbar; am Linksanschlag hat das Poti eine Schaltfunktion, um den Hochpass vollständig aus dem Signalweg zu nehmen.

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Die Verstärkung regelt nach wie vor ein Tandem aus Stufenschalter und Trim-Regler. Der Gain-Drehschalter deckt den Bereich von 30 dB bis 65 dB in 5-dB-Schritten ab, während der Trim stufenlos die Feinjustierung von ±10 dB vornimmt − leider ohne Mittenrasterung. Für sehr heiße Signale ist eine −20-dB-Vorabsenkung schaltbar. Der Line-Input ist sinnvollerweise um 12 dB weniger empfindlich als der Mikrofoneingang.

Anders als der Preamp arbeiten Kompressor und EQ nicht mit Röhren, sondern auf Transistorbasis. Doch kann ein Übermaß an Röhrenfärbung ein Gerät klanglich zu sehr festlegen, von daher ist der Mix aus Röhre und Transistor keineswegs ein fauler Kompromiss. EQ und Kompressor wurden übrigens nicht von Anthony DeMaria entworfen, sondern von Robert Creel, dem Presonus demnächst einen eigenen Channelstrip widmet, den deutlich preisgünstigeren RC 500 − vielleicht schon mal vormerken, wenn die Kohle für den ADL 700 nicht reicht.

Der Kompressor arbeitet auf FET-Basis. Wer nun aber gleich an den allseits geschätzten Klassiker von Urei/Universal Audio denkt, liegt falsch. Während der 1176 mit einem Kompressionsverhältnis von 4:1 erst anfängt, ist dies beim ADL 700 bereits die Endstation.

Auch ist das Ansprechverhalten ist längst nicht so ultra-schnell wie das des 1176. Mit Attack-Zeiten von 0,5 bis 10 ms und Release-Zeiten von 30 bis 500 ms liegt er eher im Bereich von VCA-Kompressoren. Tatsächlich ist er auch ähnlich parametrisiert. Anders als bei Vintage-Kompressoren wird das Signal nicht über Input- und Output-Regler an einen fixen Threshold herangeführt, sondern es kommt das heute übliche Regler-Set zum Einsatz: Attack, Release, Threshold, Ratio und Makeup Gain. Irgendwie eine ganz interessante Melange aus Vintage und Moderne.

Der EQ bietet vier halbparametrische Bänder mit fester Filtergüte. Bass und Höhen lassen sich zwischen Shelving- und Peak-Charakteristik umschalten. Die beiden Mittenbänder arbeiten stets als Glockenfilter. Die Einsatzfrequenzen sind jeweils in einem weiten Bereich mit großzügigen Überlappungen regelbar. Der Q-Faktor liegt fix bei 0,55 − d. h., es handelt sich um recht breitbandige Filter, die sich eher fürs Sweetening anbieten als für Klangkorrekturen.

Den Abschluss bildet der große Output-Knopf, der in erster Linie dazu dient, das Ausgangssignal für die angeschlossenen Geräte bzw. AD-Wandler zu reduzieren, wenn man z. B. die Eingangsstufe gezielt übersteuert. Allerdings kann der Output-Regler das Signal auch um bis zu 10 dB anheben. Leider fehlt eine Markierung bzw. Rasterung für Unity Gain. Nicht vergessen hat Presonus eine Link-Funktion, um zwei ADLs, genauer gesagt: deren Kompressoren, als Stereoeinheit miteinander zu verkoppeln.

Praxis

Die Vorstufe des ADL 700 ist in mancher Hinsicht untypisch für Röhrengeräte. In der allgemeinen Wahrnehmung gelten Röhren ja als Klangfärber, mit denen man dem Signal deftig eins überbrät und nonchalant eine Schaufel Dreck ins Gesicht schleudert. Viele Geräte jüngeren Datums nutzen Röhrenstufen gar ausschließlich für solch rustikalen Ringelpiez, was nebenbei die Kosten senkt, denn Lo-Fi ist schaltungstechnisch eine billige Nummer, selbst mit Röhren.

Der ADL 700 Preamp verfolgt einen konträren Ansatz. Er orientiert sich einerseits an der Studiotechnik der 50er und 60er, als es nicht um (bewusste) Klangfärbung ging, sondern darum, ein Maximum an sauberer Verstärkung aus den Röhren zu kitzeln. Gleichzeitig bringt der ADL 700 diesen Ansatz auf den aktuellen Stand der Technik und zeigt, was mit heutigen Schaltungskniffen möglich ist. Mit anderen Worten: Das Teil klingt außergewöhnlich sauber für ein Röhrengerät. Das Klangbild wirkt angenehm transparent und offen, gleichzeitig aber so entspannt und rund, wie es Transistortechnik nur selten hinbekommt. Ein gewisses Maß an Klangfärbung zeigt natürlich auch der ADL 700, doch ist es keine Pose, keine Schauspielerei, sondern der unverstellte, originäre Klangcharakter dieses Geräts.

Natürlich kann man den Eingang des ADL 700 bewusst übersteuern, um Signale anzuzerren, indem man am Gain-Schalter Gas gibt und den Pegel über den Ausgangsregler wieder einfängt. Seine Stärke ist das aber nicht. Die ADL-Zerre klingt etwas gläsern und brüchig. Zudem hat das Gerät einen enormen Headroom (maximaler Eingangspegel Line: +30 dBu, Mic: +10 dBu bzw. +30 dBu mit Pad, Instrument: +20 dBu; maximaler Ausgangspegel: +28 dBu); so leicht ist der ADL 700 also gar nicht ins Schwitzen zu bringen.

Für Bändchenmikros bietet der Presonus Channelstrip zwar jede Menge Gain, leider rauscht er aber bei hoher Verstärkung recht vernehmlich. Das Eingangsrauschen ist mit −123 dBu spezifiziert, demnach gut 6 dB über dem theoretischen Optimum, das besonders rauscharme Preamps tatsächlich erreichen können − allerdings sind das größtenteils Geräte auf Halbleiterbasis.

Auf die Arbeit mit Kondensatormikros hat das leicht erhöhte Eingangsrauschen jedoch keine Auswirkungen, denn hier dominiert ohnehin das Eigengeräusch der Mikrofonelektronik. Apropos Kondensatormikros: Die Phantomspeisung liegt mit 45,9 V und einem Kurzschlussstrom von 12,20 mA zwar knapp unter der Zielmarke, aber innerhalb der Toleranzen der Spezifikation.

Noch ein Wort zur Impedanzumschaltung: Wie ich schon mehrfach dargelegt habe, ist variable Eingangsimpedanz ein weitgehend unnützes Feature. Fast alle Mikrofone sind für Lastimpedanzen ab 1.000 Ohm spezifiziert. Unterschreitet man diesen Wert, verschlechtert sich der Klang im Allgemeinen: Dynamische Mikros klingen zunehmend mittiger, bei Kondensatormikros steigt der Klirrfaktor und der Grenzschalldruckpegel sinkt. Nach meiner Erfahrung sind die einzigen Mikros, die tatsächlich von einer abgesenkten Anschlussimpedanz profitieren, die Shure-Klassiker SM58 und SM57. Das gilt auch für den ADL 700, den ich in diesem speziellen Fall mit 300 Ohm betrieben habe, was die oberen Mitten der Shure-Mikros etwas entgratet. Für alle anderen Mikros sollte man den höchstmöglichen Wert einstellen, in diesem Fall 1.500 Ohm, und die übrigen Schalterpositionen ignorieren.

Passend zum Preamp ist auch der Kompressor auf natürlichen Klang ausgerichtet. Mit einer maximalen Kompressionsrate von 4:1 und Soft-Knee-Charakteristik ist Effektkompression definitiv nicht sein Ding. Was er dagegen sehr gut kann − und was man auch eher von einem Tracking-Kompressor erwartet −, ist unauffällige Signalverdichtung. Sehr gut gefallen haben mir Ratio-Settings im Bereich 1,5:1 mit flottem Attack und Release. So lassen sich Vocals und viele andere Signale bei der Aufnahme um 3 bis 4 dB vorkomprimieren, was den späteren Mix erleichtert, ohne den Gestaltungsspielraum für erneute Kompression nennenswert einzuengen.

Ähnliches gilt für den EQ, der sich übrigens vor oder hinter den Kompressor legen lässt. Die Filter greifen sehr weich und breitbandig, sind für Klangchirurgie also weniger geeignet als für kosmetisches Aufhübschen. Ob ihres natürlichen Charakters eignen sie sich sehr gut zur Optimierung der Klangbalance. Das Höhenband, das sehr weit hinauf reicht, klingt schön luftig, ohne Schärfe. Die Mitten-EQs sollte man eher dezent einsetzen − aufgrund der breitbandigen Wirkung genügt meist ein Pegelhub von wenigen Dezibel. Das Low-Shelf-Band eignet sich ausgezeichnet zum Ausgleichen des Nahbesprechungseffekts − für Sänger unterm Kopfhörer klingt dies angenehmer an als ein hoch angesetzter Low Cut. Dafür eignet sich das Hochpassfilter der Preamp-Sektion sehr gut zum (prophylaktischen) Entfernen von tieffrequentem Störschall. Während viele Preamps nur eine fixe Einstellung kennen (meist ca. 80 Hz), die bereits die Bässe des Nutzsignals »anfrisst«, kann man den variablen Low-Cut deutlich tiefer ansetzen, etwa auf 40 Hz, sodass Rumpeln und Trittgeräusche nebenwirkungsfrei unterdrückt werden.

Insgesamt finde ich den ADL 700 sehr praxisgerecht und angenehm in der Handhabung. An die Bypass-Schalter muss man sich indes erst gewöhnen, denn die zugehörige LED leuchtet, wenn die betreffende Sektion ausgeschaltet ist. Hmm? Auch hätte man den Ein-/Ausschalter etwas absetzen sollen, um Fehlbedienungen zu vermeiden. Aber das sind Kleinigkeiten, die die Freude an diesem hochwertigen Gerät nicht schmälern.

Aufbau

Der ADL 700 verwendet eine sehr aufwendige Vorstufe, die dem ADL 600 Stereo-Preamp entlehnt ist. Es handelt sich um ein echtes Vollröhren-Design mit einem vollständig halbleiterfreien Signalweg.

Höchst ungewöhnlich für einen Röhren-Vorverstärker ist die differenziale Eingangsstufe mit symmetrischer Spannungsversorgung von ±320 Volt (!). Das ist selbst für ein Röhrengerät sehr viel und erklärt den enormen Headroom. Die weiteren Stufen arbeiten dagegen single-ended mit +320 Volt, vermutlich, um das Klirrspektrum zu den geradzahligen Obertönen hin zu verschieben.

Insgesamt drei Doppeltrioden-Röhren kommen zum Einsatz, zwei russische 6922 (=ECC88) von Electro Harmonix in der Eingangsstufe und eine tschechische 12AT7 (=ECC81) von JJ Electronics in der Ausgangsstufe. Diese Typen werden bis heute gefertigt; die Ersatzteilbeschaffung ist daher unproblematisch. Ein- und Ausgang sind trafo-symmetriert. Der Eingangsübertrager stammt vom Nobel-Trafowickler Cinemag.

Kompressor und EQ sind zwischen Ein- und Ausgangsstufe des Preamps eingeschleift. Anders als die Vorstufe, arbeiten sie halbleiterbasiert und sind weitgehend in moderner SMD-Technik realisiert. Bei genauerem Hin – sehen weist der FET-Kompressor ein interessantes Detail auf: Er arbeitet mit einem modernen RMS-Level-DetektorChip (THAT 2252), der eigentlich für VCA-Kompressoren entwickelt wurde. Gewiss ein Grund, warum der Kompressor etwas präziser agiert, als man es von FET-Designs gewohnt ist.Presonus-ADL-700-Channelstrip-2

Fazit

Der ADL 700 ist ein seriöses Stück Audiotechnik, das fernab der üblichen RöhrenKlischees mit einem sauberen, offenen, natürlichen Klangbild überzeugt. Gleichwohl zeigt er gerade genug Färbung, um nicht als charakterlos zu gelten, und punktet mit einer Entspanntheit und Rundheit, die moderne Transistortechnik selten erreicht. Kompressor und EQ erweisen sich als kongeniale Ergänzung zur exquisiten Röhrenvorstufe. Ohne Effekthascherei polieren sie die gewünschten Klanganteile hervor. Mit chirurgischen Korrekturen ist der EQ überfordert, aber wozu auch? Wo kein Furunkel, da kein Skalpell: Der ADL 700 hat nichts zu kaschieren! Ein wunderbares Gerät, das man angesichts der hochwertigen Klang- und Fertigungsqualität durchaus als preisgünstig einstufen muss. Meine Empfehlung!

Hersteller/Vertrieb

Presonus/Hyperactive

UvP/Straßenpreis

2.290,— Euro / ca. 1.900,— Euro

www.hyperactive.de

+++ hochwertiger, transparenter Klang

+++ exquisite Röhrenvorstufe

++ saubere Verarbeitung, gute Bauteile

++ gutes Preis/Leistungs-Verhältnis

– für Bändchen nur bedingt geeignet

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