In der Version 1 noch als einfaches Tool für das Erstellen schöner Akkordfolgen gestartet, hat sich Scaler mit Version 3.1 von einem reinen Musiktheorie-Plug-in zu einem umfangreichen Kompositions-Tool mit Multi-Track-Sequencer und Third-Party-Plug-in-Hosting entwickelt. Wir stellen die Software von Scaler Music vor.
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Überblick
Die Grundidee ist natürlich auch in der neuesten Version erhalten geblieben. Mit Scaler habe ich einen Kompositions-Assistenten an der Hand, der mich durch den Dschungel der Musiktheorie begleitet, Vorschläge unterbreitet und mir auch in verschiedensten Geschmacksrichtungen und Genres beinahe die Arbeit abnehmen kann, wenn ich das denn möchte. Doch die Software hat seit der ersten Veröffentlichung viel dazugelernt.
So analysiert sie nun beispielsweise MIDI- und Audiomaterial, erkennt Tonarten und Akkorde und schlägt passende Progressionen und Akkorde vor. Die Datenbank umfasst mittlerweile über 1.000 vorgefertigte Chord-Sets, kategorisiert neben Genre und Stimmung auch nach bekannten Künstler*innen wie Carl Cox. Diese kann man direkt verwenden oder als Basis für weitere kreative Arbeit nutzen. Ich empfinde das als interessante Möglichkeit, beim Komponieren ausgetretene Pfade zu verlassen und sich von etwas Neuem inspirieren zu lassen – egal, ob man als Tastenvirtuose oder Gitarrenkomponist mit den angepassten Anzeigen an die Arbeit geht.
Neu ist auch die deutlich erweiterte Arbeitsumgebung. Statt nur Akkorde zu generieren, ermöglicht Scaler 3 nun die Erstellung kompletter Arrangements direkt im Plug-in mit dem optionalen Sync zur Host-DAW. Der integrierte Multi-Track-Sequencer auf der neuen „Arrange Page” funktioniert wie eine Mini-DAW: Mehrere Instrumentenspuren lassen sich übereinander schichten und verfügen über einen eigenen Mixer mit Pan-, Volume- und Mute-/Solo-Funktionen.
Drittanbieter-Plug-ins direkt integrieren
Scaler kann bereits seit der ersten Version eingebaute Klangerzeuger ansteuern, die sich mit den Jahren sowohl in ihrer Anzahl, als auch Qualität verbessert haben. Aber am Ende möchte man natürlich die Sounds der eigenen Sammlung verwenden. Scaler 3 kann nun auch externe VST- und AU-Instrumente sowie Effekte direkt hosten und sein Lieblings-Synthesizer-Plugin oder Sample-Engine einfach in Scaler laden. So hört man sofort, wie die arrangierten Akkordfolgen mit dem gewählten Sound klingen. Pro Spur lassen sich dazu auch zusätzliche Audio-Effekte einsetzen. Das ist für das Entwickeln von Akkordfolgen sicherlich eine Hilfe und lässt einen noch konkreter am Arrangement arbeiten. Da ich Scaler aber eher direkt in der DAW verwende, kann ich dafür auch die MIDI-Outs der Software verwenden. Trotzdem finde ich es eine sehr gute Erweiterung, mit der sich dies nun auch direkt in der Software umsetzen lässt.
Intelligente Kompositionshilfen
Die überarbeitete Benutzeroberfläche gliedert sich in drei Hauptbereiche: „Browse“ (zum Finden von Akkorden und Tonarten mit vielen Vorschlägen und fertigen Sets), „Create“ (mit zahlreichen Kompositionshilfen) und „Arrange“ (zur Erstellung der Songstruktur).
In der „Create“-Ansicht findet sich mit „Explore“ ein visuelles Tool zur Akkorderkundung. Die Akkorde sind in konzentrischen Kreisen angeordnet: Je näher sie am Zentrum sind, desto harmonisch verwandter sind sie zur gewählten Tonart. Die angebotene Auswahl ändert sich durch die Einstellung zur Stimmung oder zum Genre. Der normale „Circle of Fifths“ visualisiert zusätzlich auf bekannte Weise die Akkordbeziehungen und ermöglicht schnelle Substitutionen oder Erweiterungen.
Das „Dynamic Scale System“ passt die Tonleiter automatisch an den zuletzt gespielten Akkord an. So bleiben harmonische Beziehungen auch bei komplexen Modulationen nachvollziehbar.
Eine schöne Möglichkeit, sich von der eigenen Akkordfolge durch Angebote der Software inspirieren zu lassen, sind die neuen „Colors“. Sie bieten verschiedene Klangfarben auf Basis der ursprünglichen Folge an. Diese Variationen können nach eigenen Vorlieben angepasst werden. Und es gibt viele weitere Tools, die einem die Vielfalt der Akkorde auf dem Silbertablett servieren. Das ist sehr praktisch, kann aber bisweilen auch überwältigend sein.
Motions: Vom Akkord zur Melodie
Mit Scaler 3 können statische Akkorde durch sogenannte „Motions” in lebendige musikalische Phrasen verwandelt werden. Diese von professionellen Musiker*innen eingespielten Patterns umfassen Arpeggios, Basslinien, Melodien und rhythmische Figuren. Jede Motion lässt sich per MIDI-Editor nachbearbeiten, stufenlos quantisieren oder durch Modifier wie Transposition, Density und Range variieren.
In einen freien User-Track lassen sich schließlich ganz eigene Melodien einfügen, womit wir nun fast eine komplette DAW in Scaler vorfinden.
Mit den vorgefertigten Phrasen bewegt man sich natürlich in einem Bereich, in dem man darauf achten muss, sich nicht zu viel von der Software abnehmen zu lassen und am Ende ein Stück zu „komponieren“, das nur aus fremder Kreativität gespeist ist. Aber als Inspirationshilfe oder um einmal schnell gehaltene Akkorde mit dem eingebauten und sehr flexiblen Arp zu verwandeln und zu hören, ob es funktioniert, bekommt man hiermit schnell ein Ergebnis.
Version 3.1 bringt Live Sync und mehr
Das kürzlich erschienene Update erweitert den Funktionsumfang um weitere Features. „Live Sync” synchronisiert Akkordfolgen über mehrere Scaler-Instanzen hinweg – ideal beim parallelen Arbeiten mit mehreren Plug-ins, auch in anderen DAWs und mit der Standalone-Version.
Neu ist auch die „Bass Follow Track“-Funktion, die automatisch die tiefste Note jedes Akkords für den Bass verwendet. Anpassungen können dabei detailliert gemacht werden.
MIDI- und Audiodateien zur Akkorderkennung lassen sich nun auch per Drag & Drop importieren (natürlich nur Material ohne Kopierschutz) und die Timeline unterstützt jetzt die freie Positionierung von Akkorden.
Technische Details und Verfügbarkeit
Scaler 3 liefert über 50 interne Sounds von Pianos über Synthesizer bis zu orchestralen Instrumenten mit und läuft als Plug-in auf allen gängigen Plattformen, sowie als Standalone-Version.
Der Intro-Preis liegt momentan bei 79 Euro, später werden es rund 99 Euro sein, für Besitzer*innen von Scaler 2 kostet das Upgrade 29 Euro. Eine 14-tägige Testversion mit vollem Funktionsumfang steht zur Verfügung. Eine iOS-Version ist bereits angekündigt.
Fazit
Scaler 3 entwickelt sich vom Nischentool zur interessanten und leistungsstarken Produktionsumgebung. Die Kombination aus intelligenter Harmonieanalyse, flexiblem Multi-Track-Sequencing und Third-Party-Plug-in-Integration macht es zu einem vielseitigen Werkzeug für Einsteiger*innen wie Profis. Besonders die visuelle Aufbereitung komplexer Musiktheorie senkt die Einstiegshürde und hilft, schnell und unkompliziert komplexe Ideen umzusetzen oder sich inspirieren zu lassen. Allerdings muss man sich mit der Software etwas auseinandersetzen, bis alles richtig gut von der Hand geht und man alle angeboten Funktionen zu nutzen weiß. Zum Glück gibt es dafür eine Reihe von Tutorials auf YouTube. Und wem das alles zu viel ist, der nutzt Scaler nur, um die passenden Akkorde zu finden, zieht sie per Drag-and-drop in die DAW und arbeitet dort wie gewohnt weiter.