Ultra | Violet Recording

Studioszene D – Zimmer mit Aussicht

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Wie kann man in Zeiten, in denen immer weniger Geld für Musik fließt, als Musiker überleben? Filmkomponist Gary Marlowe hat darauf eine Antwort: Gemeinsam mit dem Komponisten Daniel Hoffknecht gründete er die Filmmusik-Allianz “zimmermitaussicht”

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Große Soundtracks, Musik für internationale Werbefilme, Scores mit Hollywood-Flair … all dies würde man an diesem Fleckchen Erde nicht vermuten. Wir befinden uns im kleinen bayerischen Dorf Schleching, am südlichsten Zipfel des Chiemgau: Die Grenze zum österreichischen Tirol ist in Spuckweite, und was sich in diesem Flecken Erde an Alpenmassiv auftürmt, ist so pittoresk wie gewaltig. Bei so einer Bergkulisse ist man verführt, an Stubnmusi und bayerische Kapellen zu denken. Aber weit gefehlt: Die Musik, die hier entsteht, spielt auf internationalem Level. Sie stammt vom gebürtigen Berliner Gary Marlowe. Der Komponist und Produzent arbeitet neben Berlin, Triest und Los Angeles neuerdings meistens in Schleching … wo er sich gerade das maßgeschneiderte Studio „Ultra | Violet Recording“ gebaut hat. Ein paar Meilensteine seines Schaffens gefällig? 2013 Finalist der Jerry Goldsmith Awards mit „Sogar die Nacht“, der Kinofilm „The Old, the Young and the Sea“, das TV-Drama „Jedes Jahr im Juni“ (Erstausstrahlung: 02.10.2013, 20:15 Uhr, ARD), 2012 Tracks mit Nine Inch Nails und Moby für die UNESCO-Webserie „Inside the Stones“ … mehr findet man auf www.garymarlowe.com. Seit geraumer Zeit arbeitet Gary mit Daniel Hoffknecht zusammen.

Daniel kennt man als Studio- und Livegitarristen von Tim Bendzko und als Komponisten für Filme wie „Fliehkraft“ oder „Der Untergang der Wikinger“. Der 31-Jährige studierte in Berlin und Dresden Gitarre. Genregrenzen gibt’s für ihn aber keine. Seine Rock-, Jazz-, Klassikoder auch HipHop-Einflüsse machen ihn zum gesuchten Gitarristen, Songwriter, Arrangeur und Produzenten (u. a. Sido, Flomega oder Sofi de la Torre). Kennengelernt haben sie sich auf einer Filmpremiere. Statt nach einem freundlichen Partyplausch auseinanderzugehen, schmiedeten sie die Filmmusik-Allianz „zimmermitaussicht“, die bei Bedarf auch auf die Talente anderer zurückgreift − wie beispielsweise Nico Berthold und Hans-Martin Buff zum Mischen in Berlin und Bayern, Manel GilInglada in Barcelona, Orchestermusiker in Italien oder Komponisten in London und Los Angeles. Entweder arbeiten die beiden gemeinsam in Garys Schlechinger „Ultra | Violet Recording“ oder in verschiedenen Berliner Partnerstudios. Oft auch an beiden Orten parallel: „Auf diese Art können wir schneller Ergebnisse liefern als einzelne Komponisten“, steht auf ihrer Webseite zu lesen …

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Wenn’s eng wird am Markt, setzen die meisten Musiker eher auf Dumpingpreise denn auf Zusammenarbeit. Wie kam es denn zu eurer Allianz? Gary: Gemeinsam mit anderen ist ein Künstler viel stärker und kommt weiter. Das Problem bei Einzelkämpfern ist ja symptomatisch: Da sitzt du − typisch Komponist − alleine in deiner Bude, findest deine Musik entweder großartig oder verzweifelst daran. Der Austausch findet erst mit dem Kunden oder dem Publikum statt. Zu zweit weiß man viel schneller, woran man ist. Daniel und ich haben uns über verschiedene Konzepte unterhalten. Dabei spielten auch Entwicklungen in der Branche eine Rolle, wie die Knebelverträge, die Komponisten vorgelegt werden. Teilweise ist unfassbar, was einem da angeboten wird.

Wo liegen für euch die Vorteile einer Zusammenarbeit? Daniel: Mir gefiel schon immer die Idee, mit anderen zusammen im Team zu arbeiten, voneinander musikalisch wie menschlich zu profitieren. So etwas funktioniert aber nur sehr selten beim Komponieren. Wir haben schnell gemerkt, dass wir da einfach gut zusammenpassen. Gary: Wir ticken eben ähnlich. Für uns findet die Musik zuerst im Kopf statt − nicht auf einer klassischen Klischees entsprechenden, wilden Session. Wir sprechen lange über den Film, überlegen uns Herangehensweise, Instrumentierung − und dann legen wir los.

Wie wird denn aus dem Duo eine Allianz? Daniel: Indem jeder seine Infrastruktur eingebracht hat. Wir haben schnell gemerkt, dass unsere befreundeten Musiker, Arrangeure und Orchestratoren gut zusammenpassen. Da funktioniert’s nicht nur auf der professionellen, sondern auch auf der menschlichen Ebene.

Ultra | Violet Recording ist kein klassisches Mietstudio, das man auf längere Zeit durchbuchen kann — wohl aber mit den Diensten von Gary Marlowe und Daniel Hoffknecht als Komponisten, Produzenten und Instrumentalisten.

Ist es denn relevant, wo man heute arbeitet? Gary: Ich denke, wir haben eine große Chance, uns als europäische Komponisten und Produzenten zu begreifen. Wenn man eine Handschrift hat, muss man keinem Trend mehr hinterherhecheln. Das leider sehr deutsche Dogma, dass alles so klingen muss wie „Hollywood für Arme“, entfällt einfach. Ich lebe gerne in Europa, fühle mich hier kulturell gut aufgehoben und fange an nachzudenken, was unsere Stärken sind, die wir auch auf internationaler Ebene offensiver ausspielen können.

Auf eurer Webseite findet man auch relativ unbekannte Filme, die ihr vertont habt … Daniel: Ich bin immer froh, wenn Filme nicht nach dem typischen Standard-Tatort aussehen. Manchmal stoßen wir auf Abgänger der Filmhochschule, die noch nicht professionell abgebrüht sind, sondern den Drive eines 20-jährigen Rock’n’Rollers besitzen. Die Regisseure entscheiden sich nicht bewusst für oder gegen etwas, sondern machen einfach … und entwickeln dabei eine Wucht und Bildsprache, die mich anspricht. Für solche Projekte muss ich einfach Musik machen, auch wenn ich damit kaum Geld verdiene.

Gary, welche Überlegungen haben denn beim Bau des Studios eine Rolle gespielt? Gary: Es ist Unfug, sich heutzutage ein universelles Mega-Studio hinstellen zu wollen. Wenn man einen speziellen Sound braucht, mietet man sich das passende Studio … das ist heute erschwinglicher denn je. Für Filmkomponisten gibt es eine Ausnahme: Wir brauchen exzellente Räume für Orchestersound. Und es gibt nur eine Handvoll Räume auf Weltklasse-Niveau. In Triest hat einer unserer Partner einen fantastischen Raum, in dem wir gerne kleinere Ensembles aufnehmen. Mein eigenes Studio ist in Sachen Workflow recht individuell − ein sehr kommunikativer Hybrid aus speziell auf mich abgestimmter „Composers Suite“ und einem klassischen Studio. Wichtig ist mir auch eine sehr persönliche Instrumentensammlung. Wenn jemand Lust auf ein spezielles Instrument und dessen Sound hat, kann er das hier haben. Auch zum entspannten Mischen, mitten in den Bergen und ohne den Stress der Metropolen, ist mein Studio sicher eine gute Adresse.

 

Hier geht’s zur Website von “zimmermitaussicht.”

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