Doppelpack

Rupert Neve Portico 5211 Mikrofonvorverstärker im Test

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Rupert Neve gehört zu den wichtigsten Pionieren der Tontechnik – seit über 80 Jahren im Geschäft und unzählige Entwicklungen im Repertoire. Wenn dieser Mann also einen Mikrofonvorverstärker baut, kann man mit Sicherheit sagen, dass die Qualität auf allerhöchstem Niveau liegt. Dies ist auch beim neuen Portico 5211 der Fall, einem zweikanaligen Mikrofonverstärker, fabriziert in den USA. Laut Hersteller handelt es sich hier um eine überarbeitete Variante des Portico 5012. Der größte Unterschied, neben dem Gehäuse-Format, ist mitunter die variable Silk-Stufe.

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Hardware

Das Chassis ist im klassischen 19“-Rackformat mit einer Höheneinheit gestaltet. Mit einer Einbautiefe von knapp 19 cm bringt das Gerät 3,5 kg auf die Waage. Auf der Rückseite befindet sich links eine Kaltgerätebuchse inklusive Kippschalter für die Stromversorgung. Das Netzteil passt sich automatisch der zugeführten Spannung zwischen 100 und 240 Volt an. Rechts daneben findet man alle Verbindungen der Vorverstärker, wobei beide Kanäle über ein identisches Feature-Set verfügen.

Klar, ein Mikrofoneingang, ausschließlich als XLR-Buchse, ist vorhanden. Allerdings erscheint der dazugehörige Line-Ausgang in gleich zweifacher Ausführung. Neben dem herkömmlichen Ausgang ist nämlich eine weitere XLR-Verbindung eingelassen, die Line-Pegel, laut Beschriftung, mit „-6 dB“ ausgibt. Ziemlich praktisch, wie wir später in der Praxis noch sehen werden. Ein Besonderheit ist der Schalter namens „Ground Lift“. Dieser trennt die Masseverbindung zum Gehäuse für beide XLR-Ausgänge gleichzeitig auf. Alle XLR-Buchsen stammen vom Hersteller „Neutrik“ und sind einwandfrei verschraubt.

Werfen wir nun einen Blick auf die extrem robuste Frontplatte im typisch blau-anthraziten Design. Das fünf Millimeter dicke Aluminium wird zusätzlich durch einen Stahlaufsatz dahinter stabilisiert.  Die beiden Kanäle sind auch hier identisch aufgebaut. Auf der linken Seite befindet sich der Gain-Regler, der mit deutlich gerasterten Stufen von je 6 dB zwischen 0 und 66 dB Vorverstärkung ermöglicht. Gleich daneben ist der etwas kleinere Trim-Regler angebracht, dessen Regelbereich sich über +/- 6dB erstreckt.

Darüber ist eine Pegelanzeige, bestehend aus acht farbigen LEDs, eingelassen. Diese visualisieren den Ausgangspegel zwischen -10 dBu und +18 dBu (nach der Silk-Stufe bzw. direkt vor dem Übertrager). In direkter Nähe hat man hier auch Druckschalter für Phantomspeisung sowie Phasenumkehrung integriert.

Kommen wir zu den letzten beiden Bedienelementen. Zum einen ist dies der zuschaltbare Hochpassfilter, welcher mit einer Flankensteilheit von 12 dB/Oktave Frequenzen von 20 bis 250 Hz abschneiden kann. Zum anderen die schon von früheren Modellen her bekannte „Silk“-Schaltung, welche ebenfalls über einen Druckschalter aktiviert wird. Die Intensität und der Charakter der Silk-Stufe werden über den dazugehörigen Drehregler namens „Texture“ eingestellt.

Durch die Bank liegt hier eine erstklassige Verarbeitung vor. Auch die Drehregler verzichten komplett auf Kunststoff und haben einen festen Sitz auf ihrer Achse. Die vier Druckschalter in einem Kanal sind mit farbigen LEDs hinterlegt, die den aktiven Zustand visualisieren.

Regler für „Gain“, „Trim“, Hochpassfilter und „Texture“ der „RedSilk“-Stufe sind für beide Kanäle auf der Frontplatte zu finden.
Die Rückseite ist mit zwei Mic-Eingängen und vier Line-Ausgängen, jeweils im XLR-Format, ausgestattet.

Im Betrieb

Die Eingänge besitzen eine Impedanz von knapp 9 kΩ. Leider verzichtet der Portico 5211 auf dedizierte hochohmige Instrumenten-Eingänge, etwa um eine E-Gitarre oder einen E-Bass direkt anzuschließen. Für solche Fälle ist also eine vorgeschaltete DI-Box empfehlenswert. Für viele Interessenten mag dies einen nicht zu vernachlässigenden Wehrmutstropfen darstellen. Ebenso wurde auf ein Dämpfungsglied („Pad“) verzichtet. Dies fällt jedoch kaum ins Gewicht, denn betrachtet man die Gain- und Trim-Sektion, ist insgesamt ein sehr üppiger Vorverstärkungsbereich von bis zu 72 dB möglich. Auf „Unity Gain“ kann die Eingangsstufe bis zu +26 dBu verkraften, was den Amp also auch für Line-Signale eignen würde.

Direkt nach dem Zuschalten der Phantomspeisung misst ein Mikrofoneingang etwa 46 Volt. Gibt man dem Gerät noch ungefähr 30 Sekunden Zeit, erhöht sich diese Spannung langsam und landet exakt auf 48,0 Volt. Astrein! Allerdings führt das An- und Abschalten zu deutlich hörbaren Impulsen. Insofern sollte man zuvor immer die Abhöre stummschalten.

Im Gegensatz zum Shelford Channel oder dem klassischen 1073, besitzt der 5211 keine Eingangsübertrager. Somit ist der Klang vorerst etwas transparenter und sauberer. Die Färbung erfolgt dann größtenteils durch die Silk-Stufe bzw. den Ausgangsübertrager „RND-2042“.

Ist der Regler „Texture“ voll aufgedreht, ergibt sich eine spezielle Obertonstruktur.

Über das gesamte Frequenzspektrum fügt die Silk-Schaltung harmonische Obertöne der zweiten und dritten Ordnung hinzu. Besonders auffällig sind diese ab etwa 5 kHz und aufwärts hörbar, was dem Signal eben wortwörtlich einen „seidigen“ Schein verleiht. Das Audiomaterial erscheint dadurch griffiger, dichter und kraftvoller. Besonders gut weiß der PreAmp auf Gesang zu gefallen. Stimmen erlangen auf positive Weise deutlich mehr Durchsetzungskraft, ohne harsch zu wirken – Konsonanten erscheinen definierter. Auch perkussive Elemente, wie beispielsweise Drums oder auch einige Akustikgitarren, profitieren von den elegant abgeschliffenen Transienten.

Laut Hersteller soll die Silk-Stufe des 5211 stärker sättigen als im Vorgänger 5012, allerdings dürften diese positiven Artefakte gern noch auffälliger sein. Leider verfügt der 5211 über keine Ausgangsabsenkung, die es ermöglichen würde, mit höherem Eingangspegel noch mehr „Drive“ und Biss herauszukitzeln und den Pegel anschließend vor dem AD-Wandler wieder zu reduzieren. Stattdessen kann man jederzeit den zweiten, um 6 dB reduzierten, Line-Ausgang nutzen. So lässt sich stets eine Backup-Spur mit aufnehmen. Auch ein Recall ist somit etwas unkomplizierter.

Der eigens entwickelte „RND-2042“, auch im Shelford-Channel verwendet, sorgt als Ausgangsübertrager für den gewünschten Charakter. (Bild: Axel Latta)

Der Hochpassfilter greift nach dem Trim, aber vor der Silk-Stufe ein. Durch den passend gewählten Frequenzbereich und nicht zu starke Flankensteilheit lassen sich tieffrequente Nebengeräusche wie Trittschall oder Pop-Laute gezielt reduzieren, ohne dass das Signal zu stark bearbeitet wirkt.

Die Arbeitsweise ist sehr intuitiv und auch ohne Blick in die Bedienungsanleitung findet man sich schnell mit allen Komponenten zurecht. Die Wärmentwicklung ist relativ gering und stellt dank der großzügig dimensionierten Lüftungsbohrungen auf der Oberseite des Chassis keinerlei Probleme dar.

Fazit

Rupert Neve liefert mit dem Portico 5211 einen wunderbaren Vorverstärker mit vorbildlicher Verarbeitung und intuitiven Komponenten. Trotz Verzicht auf Equalizer und Kompressor, bietet der PreAmp erstaunlich flexible Möglichkeiten zur Klanggestaltung. Neben dem musikalischen Hochpassfilter spielt in erster Linie der Texture-Regler eine wichtige Rolle. In Zusammenarbeit mit der Gain- und Trim-Sektion lässt sich hier das gewünschte Maß an Sättigungsartefakten einstellen.

Und möchte man noch „mehr“, kommt der zweite Line-Ausgang, als Ersatz für die variable Ausgangsabsenkung, wie gerufen. Den fehlenden Instrumenten-Eingang allerdings werden so manche Tonschaffende vermutlich vermissen. Der Portico 5211 repräsentiert ein hochqualitatives Frontend, welches dem Signal professionellen Detailreichtum schon bei der Aufnahme mit auf den Weg gibt.


+++
sehr guter Klang

+++
großer Regelbereich, geeignet für Mic- und Line-Pegel

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erstklassige, robuste Verarbeitung

++
zweiter Line-Ausgang


kein Instrumenten-Eingang

Hersteller: Rupert Neve
Straßenpreis: ca. 1760,- Euro

www.rupertneve.com

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