Hi-Tech-Röhre

Lewitt LCT 840 und LCT 940 Großmembran-Röhrenmikrofone im Test

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(Bild: Dr. Andreas Hau)

Wer »Röhre« sagt, meint meist »vintage«. Der österreichisch-chinesische Hersteller Lewitt zeigt, dass es auch anders geht: Röhrenmikrofone mit modernem Anspruch und einem besonderen Feature: Lewitts Topmodell bietet Transistor- und Röhrenelektronik gleichzeitig.

Dass die Lewitt-Röhrenmikrofone nicht die hundertste Kopie des Neumann U47 oder AKG C12 sind, wird bereits beim Auspacken deutlich: Die Mikros haben ein ganz eigenes, modernes Styling. Der Body ist ein Quader von mit gebrochenen Kanten; an der Unterseite befindet sich ein Fortsatz, der die Ausgangsbuchse beheimatet und gleichzeitig als Verbindung zur mitgelieferten elastischen Halterung dient. In der Mikrofonfront eingelassen ist ein Schaufenster für die Röhre, die dort heimelig funkelt − unterstützt von einer gelblichen Hintergrundbeleuchtung.

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Vorstufenröhren wie die hier verbaute 12AX7 (=ECC83) glimmen nämlich von Haus aus nur leise vor sich hin – bei Tageslicht kaum zu sehen. Von wegen »Früher war mehr Lametta« − die jungen Leute von heute wollen Spektakel. Mehr Drama, Baby! Mit dem schwarzen Body in der etwas »gothic« wirkenden Spinnenhalterung verbreitet das Lewitt zudem so ein bisschen Batman-Ästhetik.

The Dark Knight Rises

Moment, war nicht von zwei Mikros die Rede? Richtig! Grundsätzlich haben das LCT 840 und das LCT 940 eine Menge Gemeinsamkeiten und sind äußerlich kaum voneinander zu unterscheiden. Beide sind Multipattern-Mikrofone und arbeiten mit einer 1-Zoll-Doppelmembrankapsel. Wie bei Röhrenmikros üblich, werden sie über externe Netzteile gespeist, und an diesen Netzteilkästen befinden sich auch die Pattern-Fernumschaltung sowie alle übrigen Bedienelemente. Während das LCT 840 die fünf Richtcharakteristiken Kugel, Breitniere, Niere, Hyperniere und Acht anbietet, erlaubt das LCT 940 noch zusätzliche Zwischen stufen, sodass insgesamt neun Patterns zur Auswahl stehen.

Passend zum Styling der Mikros sind auch die Netzteilkästen modern gestaltet. Wo andere Hersteller mit Hammerschlaglack und Bakelit-Knöpfen die »gute alte Zeit« heraufbeschwören, punkten die Lewitts mit zeitgemäßer Funktionalität. Die Richtcharakteristiken werden werden über einen Dreh- Encoder angewählt, der das jeweils aktive Pattern aufleuchten lässt. Ein bisschen wertiger hätte der Knopf für meine Begriffe schon ausfallen dürfen. Sagen wir mal so: Wer Tupperware mag, wird diesen Knopf lieben.

Zur Verbindung zwischen Mikro und Netzteil liegt ein acht Meter langes Kabel bei. Selbiges sollte man pfleglich behandeln, denn die multiplen Signalwege und Versorgungsspannungen erfordern mehr Leitungen als üblich. Es kommen XLR-Stecker mit elf Pins zum Einsatz. Da diese entsprechend dünn ausfallen, sollte man beim Aufstecken achtgeben, selbige nicht zu verbiegen.


Unsere Frequenzgangmessungen zeigen deutliche Abweichungen zwischen Röhren- und FET-Modus beim LCT940. Die Klangunterschiede verdanken sich also nicht allein der Röhrentechnik – prinzipiell können Röhrenschaltungen bis weit über den Hörbereich hinaus linear arbeiten -, sondern bewusster Klanggestaltung durch eine weiche Höhenabsenkung, welche die Höhenanhebung der Kapsel teilweise ausgleicht.

Der größte Unterschied zwischen dem LCT 840 und dem LCT 940 liegt darin, dass Letzteres noch einen zweiten Knopf am Netzteil hat. Und da wird mancher die Augenbraue lupfen: Es handelt sich um ein Poti, das stufenlos zwischen Transistor (FET) und Röhre überblendet. Oha! Im LCT 940 arbeiten nämlich zwei Elektroniken gleichzeitig. Lewitts CEO Roman Perschon erklärt: »Das Signal der Kapsel wird über einen FET-Impedanzwandler gewonnen und dann in zwei getrennten Audiopfaden aufbereitet.« Puristisch sind die Schaltungen also nicht: Auch im Tube-only-Modell LCT 840 finden sich etliche Halbleiter; die Ausgangssymmetrierung erfolgt jedoch ganz traditionell mit einem Übertrager.

Abgerundet wird die elektronische Ausstattung durch mehrstufige Schalter für Tiefenabsenkung (Low-Cut) und Vordämpfung (Pad), die ebenfalls am Netzteil aktiviert werden. Beim LCT 940 gibt es jeweils vier Schalterstellungen (linear und drei Low-Cuts bei 40, 150 und 300 Hz sowie Pad: 0, −6, −12 und −18 dB), beim LCT 840 gibt’s je drei Schalterstellungen (Linear, 40 und 300 Hz bzw. 0, −10 und −20 dB). Extra-Goodies sind eine automatische Dämpfungsfunktion, die ein geeignetes Pad-Setting aktiviert, wenn die Mikrofonelektronik übersteuert, sowie eine Clipping-History. Letztere Funktionen sind im Grunde unnötig, da der Grenzschalldruckpegel schon ohne Vordämpfung bei sehr hohen 140 dB-SPL liegt − wenn man nicht gerade Crash-Becken aus nächster Nähe mikrofonieren möchte, kommen lautere Signale in der Praxis nicht vor. Von begrenztem Nutzen ist auch die Tastensperre für alle Schaltfunktionen des Netzteils; das Tube/FET-Mixpoti des LTC 940 wird dabei nicht deaktiviert.

Praxis 

Neben einem hohen Grenzschalldruckpegel bieten die Lewitts auch sehr gute Rausch – werte. Das Eigenrauschen ist mit 12 dB-A angegeben bzw. 8 dB-A für den FET-Modus des LCT 940. Und weil Klang da anfängt, wo das Rauschen aufhört, können wir nun ganz entspannt lauschen.

Im FET-Modus klingt das LCT 940 tendenziell hell, die Höhen wirken etwas stärker betont als bei den Transistormodellen LCT 640 und LCT 540 (s. S&R 6.2011), was auch ein Vergleich unserer Messungen belegt. Überraschenderweise kommt es aber zu keiner Überbetonung der S-Laute; die Zischelneigung bleibt moderat. Insgesamt wirkt der Sound recht Hi-Fi-mäßig, hat aber noch genügend Fleisch in den Mitten.

(Bild: Dr. Andreas Hau)

Im Tube-Modus scheint das Klangbild ausgeglichener. Bässe, Mitten und Höhen sind sehr gut ausbalanciert. Trotz der gegenüber dem FET-Modus etwas milderen Höhen wirken die oberen Frequenzen weiterhin luftigfrisch. Anders als die nahezu deckungsgleichen Frequenzgänge von LCT 840 und LCT 940 im Tube-Mode erwarten lassen, klingen die beiden Testmikros nicht hundertprozentig identisch. Das Tube-only-Modell LCT 840 scheint gerade im Bereich der S-Laute noch ein bisschen weicher und geschmeidiger. Aber wir reden hier von Nuancen.

Als Vergleichsobjekt für moderne Röhrenmikrofone verwende ich gerne das AudioTechnica AT4060, das sich als Geheimtipp einen Namen gemacht hat, obwohl es hierzulande gar nicht mehr vermarktet wird (u. a. wegen der Hürden einer RoHS-Zertifizierung). Während das AT4060 mit starker Röhrenfärbung und markanten Mitten ganz gezielt die »Charaktersau« markiert, geben sich die Lewitts deutlich moderater. Auch im Röhrenmodus behalten sie eine gewisse Hi-Fi-Charakteristik; die Sprachkonsonanten wirken fein ziseliert. Andererseits ist die Röhrenfärbung schon etwas auffälliger als bei manchem Mikrofonklassiker der 50er und 60er, denn die wurden ja nicht für Rock & Roll, sondern für Rundfunkanstalten konzipiert. Mit einer moderaten Färbung sind die Lewitts, wie ich finde, gut aufgestellt für die heutigen Bedürfnisse.

Am LCT 940 lassen sich darüber hinaus auch die Zwischenpositionen nutzen, wobei es für mich ehrlich gesagt auch ein einfacher Umschalter getan hätte. Für Vocals hat mir der 100%-Tube-Modus durchweg besser gefallen, für Akustikgitarren, Piano und viele andere Instrumente würde ich in der Regel zum 100%-FET-Modus tendieren.

Weitere Klangvariationen erlaubt in vielen Anwendungen auch die Patternumschaltung. Zwar bleibt der Grundklang weitgehend erhalten, aber im Kugel-Modus werden die Höhen stärker betont, im Achtermodus rücken dagegen die Präsenzen in den Vordergrund. Dabei gefällt mir besonders die Ausstattung mit mehr als den üblichen drei Grundcharakteristiken Kugel/Niere/Acht. Denn oft erweisen sich gerade die Zwischenstufen im Bereich Breit- und Hyperniere als besonders wertvoll.

Die Pattern-Umschaltung erfolgt übrigens geräuschlos − ein eher seltenes Feature! Auch bleibt die Empfindlichkeit von 23 mV/Pa (−33 dB re 1 Pa) beim Patternwechsel nahezu konstant, sodass es zu keinen Pegelsprüngen kommt. Man kann also bedenkenlos Richtcharakteristiken durchprobieren, während der Sänger sich warmsingt, prinzipiell könnte man sogar während der Aufnahme nachjustieren.

Überhaupt sind die beiden Röhren-Lewitts für den Performer sehr angenehm. Der Nahbesprechungseffekt ist moderat, und seitlich der Haupteinsprechachse wird der Klang nicht so rasch matt, wie man es von billigeren Großmembranmikros kennt. Auch sind die Lewitts nicht sonderlich poppempfindlich. Das alles ergibt einen weiten Sweet-Spot, der dem Performer ein gewisses Maß an Bewegungsfreiheit erlaubt − und die sollte ein Sänger haben, schließlich geht es nicht nur darum, Schallwellen einzufangen, sondern Emotionen.

Was gibt’s zu meckern? Mal überlegen: Beim LCT 940 ist der Tube-Modus gut 2 dB lauter als der FET-Modus. Das erschwert eine vorurteilsfreie Klangeinschätzung, weil das Unterbewusstsein »ein bisschen lauter« oft in ein subjektives »klingt viel besser« ummünzt. Ansonsten hätte ich mir gewünscht, dass der Hersteller den Anwender über die Differenzen im Frequenzgang zwischen Tube- und FET-Modus aufklärt − die finden weder im Manual noch auf der Website Erwähnung.

Ich persönlich hätte mir die Klanggestaltung vielleicht auch anders herum gewünscht mit einem eher neutralen, linearen FET-Modus und einem etwas heller klingenden Röhrenmodus, da erfahrungsgemäß eine Röhrenelektronik mit Übertrager die oberen Frequenzen noch etwas weicher wirken lässt. Dennoch kann ich den Lewitt-Ansatz nachvollziehen, denn er trägt der Erwartungshaltung gerade jüngerer Anwender Rechnung, die Röhrenklang mit Omas ollem Dampfradio assoziieren (im Gegensatz zu Mamas Transistor-Küchenradio).

Aber auch wenn das Lewitt LCT 940 dem heutigen Clichédenken in Sachen Röhre vs. Transistor weiter Vorschub leistet, bleibt festzuhalten, dass es eine gute Sache ist, zwei etwas unterschiedliche Sounds zur Verfügung zu haben. Zumal beide Klangmodi überzeugen.

Das LCT 940 kann von Tube nach FET stufenlos überblenden. Am Netzteil befinden sich auch alle weiteren Schaltfunktionen, die geräuschlos arbeiten − sogar der Pattern-Wechsel! (Bild: Dr. Andreas Hau)

Fazit

Ich gebe zu, die Gotham-City-Hi-Tech-Anmutung und das Röhrenschaufenster haben mich anfangs etwas irritiert. Im Verlauf des Tests konnten mich die Lewitt-Röhrenmikros jedoch von ihren Qualitäten überzeugen: Sie sind hochwertig verarbeitet, bieten eine ausgezeichnete technische Performance und klingen durchweg »erwachsen«. Das LCT 940 punktet zusätzlich mit der Möglichkeit, zwischen Röhren- und Transistorelektronik zu wählen, ja sogar stufenlos überblenden zu können. Was auf den ersten Blick als Gimmick rüberkommen mag, erweist sich als sinnvolle Erweiterung des Klangrepertoires. Auch im Tube-Modus wird aus dem LCT 940 kein effekthaschendes Brutzelmikro; tatsächlich ist der Röhrenmodus tonal sogar ausgewogener als der FET-Betrieb. Insofern scheint mir das reine Röhrenmodell LCT 840 eine attraktive Alternative für alle, die bereits ein gutes Transistor-Großmembrankondensatormikro besitzen. Eigentlich kann man sich zum Preis des Topmodells auch fast schon ein LCT840 plus ein LCT 640 kaufen.

Auf den ersten Blick mögen die Lewitts erst mal teuer erscheinen. Sie klingen aber auch teuer! Insofern empfehle ich jedem, der in diesem Preisbereich unterwegs ist, die Lewitt-Röhrenmikros vorurteilsfrei anzutesten. Könnte sich lohnen.


+++
hohe Klangqualität
+++
sehr gute technische Werte
+++
Tube und FET-Schaltung (LCT 940)
++
saubere Verarbeitung

Low-Cuts z. T. falsch beschriftet

 

Hersteller/Vertrieb: Lewitt / Music & Sales

UvP/Straßenpreise LCT 840: 1.188,81 Euro / ca. 1.000,− Euro, LCT 940: 1.783, 81 Euro / ca. 1.500,− Euro

www.lewitt-audio.com

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