Schiff Ahoi! Die Musik-WG auf der Spree

Das Studioschiff MS Heiterkeit in Berlin

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(Bild: André Rauhut)

Die Kreativ-Metropole Berlin hat zweifellos einige spannende und außergewöhnliche Recording-Locations zu bieten. Das schwimmende Studio der Band Treptow ist jedoch kaum zu toppen …

Die traurige Tatsache zuerst: Die MS Heiterkeit ist kein Mietstudio. Wer in den Genuss kommen möchte, hier zu arbeiten, sollte sich im Dunstkreis der bekannten Berliner Event-Agentur All Around Music oder der (noch) nicht ganz so bekannten Band Treptow bewegen. Vor knapp 20 Jahren haben sich die »All Around Music«-Macher Toshi Rösner und Anja Naumann-Jenssen mit dem Kauf des historischen Ausflugsdampfers MS Heiterkeit einen Traum verwirklicht und hier ihren Firmensitz eingerichtet. Die eng befreundete Band Treptow betreibt seit 2014 das unter Deck gelegene Studio.

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Auch wenn das Schiff ausdrücklich kein Mietstudio ist, entstehen hier jedoch nicht ausschließlich Treptows eigene Produktionen: Dank enger Vernetzung mit zahlreichen Labels und Rundfunksendern steht das Schiff immer häufiger für kleine, exklusive Events wie etwa Listening-Sessions, Seminarrunden oder Podcast-Produktionen zu Verfügung. Diverse Künstler aus Treptows Umfeld mieten sich für Songwritings, Jams sowie Probe- und Aufnahme-Sessions ein und begeistern sich allesamt für die außergewöhnlich chillige Umgebung. Kein Wunder, befindet man sich doch nur wenige Fahrradminuten von den größten Berliner Night-live-Hotspots entfernt und genießt gleichzeitig authentische Ferienstimmung.

Treptow-Sänger und Studio-»Kapitän« Philipp Taubert beschreibt die MS Heiterkeit, ihre »Crew« und ihre »Passagiere« als »bunte Musik-WG − eine lockere Runde unterschiedlichster musikalischer Couleur mit der gemeinsamen Vorliebe für das Besondere«.


Eigenwilliger kann ein Studio nicht untergebracht sein:

Das 35 Meter lange Studioschiff verfügt über eine Lounge und ein Büro im Oberdeck. Das Deck selbst bietet sich (zumindest im Sommer) als herrliche Chill-Out-Area an. Das Studio befindet sich im Unterdeck und gliedert sich in einen Aufnahmeraum und die Regie im Bug.

Die Outboard-Abteilung: Röhren-Preamps und Channelstrips von SPL und TL Audio fallen ins Auge. Dazu gibt es Kompressoren von DBX und Focusrite. Unten im Rack erkennt man einen selbstgebauten SSL-Buscompressor-Clone. Preamps, Outboard und die 28 DAW-Ins/Outs lassen sich beliebig über ein großes, symmetrisch verkabeltes GhielmettiSteckfeld zuordnen. Hier kommen auch die Signalwege vom Aufnahmeraum an.
Das Studioschiff besitzt zahlreiche Mikros für alle Gelegenheiten. Philipp schätzt das Neumann U89: »Ein sehr wandlungsfähiger Sound.«
Im Aufnahmeraum ist reichlich Platz für Instrumente und Amps. Gitarrist Philipp steht auf Orange, Bassist Schuwe bevorzugt Marshall.
Atmosphäre pur: die Lounge im Oberdeck

Recording unter Deck

Besonders ist das Studioschiff allemal: Der im Jahre 1904 vom Stapel gelaufene Ausflugsdampfer wurde im Krieg beschädigt, ging auch mal unter, wurde wieder auf- und umgebaut, ausgemustert und schließlich erneut zum Leben erweckt. Die MS Heiterkeit ist somit eine echte Zeitzeugin des äußerst wechselvollen 20. Jahrhunderts.

Der Umbau zum Studio erfolgte zu Anfang der 2000er. Mit viel Eigenleistung entstanden dabei im Unterdeck ein »Raum-in-Raum«-konstruierter Aufnahmeraum sowie eine angeschlossene Regie. Wer in einem Schiff baut, entscheidet sich ganz bewusst gegen konstruktiv perfekte Lösungen. Philipp: »Der Charme der MS Heiterkeit sollte unbedingt erhalten bleiben. Und letztlich ist sie eben auch ein Schiff. Sicher, man könnte heute hier vieles technisch perfekter gestalten, aber als Mietstudio im klassischen Sinne wären zwangsläufig Verpflichtungen entstanden und wir hätten ganz andere Anforderungen gegenüber potenziellen Kunden erfüllen müssen. So haben wir die Freiheit, unser Klientel ganz und gar selbst auswählen zu können. Wer hier arbeiten möchte, stört sich nicht an niedrigen Decken, Noppenschaum-Ambiente oder »besonderer« Akustik. Wer hierher kommt, kennt uns und will auch genau das, was wir bieten können.«

»Weniger ist mehr«, ergänzt Lukas. »Sowohl in unserer Musik als auch bei unserer Aufnahmeumgebung und den Produktionsmitteln schätzen wir Reduktion statt Überfluss. Es darf gerne sperrig und unvollkommen sein.« Schuwe: »Wir sind in erster Linie Musiker und keine Technik-Nerds. Die spannenden Dinge passieren bei uns meist vor den Mikros. Und wir experimentieren gern. Man kann mit dem Sound des Schiffes selbst arbeiten und echt verrückte Sachen machen, etwa zum Re-Ampen den Amp in den Maschinenraum stellen und Mikrofone an den unmöglichsten Stellen im Schiff verteilen. Und ein kräftiges Stampfen auf den Schiffsboden hat schon so manch fettes Bassdrum-Sample hervorgebracht …«

www.studioschiff.de


Treptow

Die Band Treptow — benannt nach dem Berliner Stadtbezirk, in dem sich das Studioschiff befindet — ist das musikalische Baby von Sänger, Texter und Gitarrist Philipp, Bassist Schuwe und Drummer Lukas. Der Titel des Debütalbums Besser Selbst Als Gar Nicht darf durchaus als Leitmotiv des Trios verstanden werden: Die zehn kantigen Liedermacher-Rocksongs sind selbst geschrieben, selbst produziert, im Selbstverlag erschienen und — selbstverständlich — auf dem Studioschiff entstanden. Live konnte man Treptow bisher schon als Support für Haudegen, Jesper Munk und Nena bewundern.

Mehr Infos unter: www.treptow-musik.com

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Hallo Leute, hallo Toshi, viele Grüße aus Funky Snaketown (Schlangen) aus der Lippischen Amateur-Musikszene sendet euch Achim Woite. Eine tolle Idee mit dem schwimmenden Tonstudio!!!

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