Sound-Origami

Sound Design – Faltungshall als kreativer Effekt

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Mittlerweile haben die meisten DAWs ihren eigenen Faltungshall gleich mit an Bord; Apple hat mit dem Space Designer in Logic vorgelegt, es folgten unter anderem Reverence in Cubase/Nuendo, Space in Pro Tools, Open Air in Studio One usw., und selbst in Samplern wie NIs Kontakt ist seit Jahren ein eigener Faltungshall integriert. Jedoch lassen sich diese Tools außer für Hall auch noch für ganz andere Zwecke missbrauchen, nämlich als komplexe Soundmanipulatoren, und genau das wollen wir uns in dieser Ausgabe einmal genauer anschauen.

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Neben ihren algorithmischen Brüdern haben sich seit einigen Jahren Convolution Reverbs zum zweiten Standard-Tool für das Verhallen von Signalen gemausert. Wurden sie zwar schon zu Beginn ihres Erscheinens für ihre hohe Soundqualität und ihren klanglichen Realismus gelobt, stellte allerdings der hohe CPU-Verbrauch oftmals ein Problem dar. In heutigen Zeiten, in denen jedoch jeder halbwegs potente Rechner zig Convolution-ReverbInstanzen gleichzeitig berechnen kann, haben sie, was die praktische Nutzbarkeit angeht, mit ihren algorithmischen Kollegen gleichgezogen und sie sogar teilweise verdrängt.

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Grundlegende Funktionsweise

Im Gegensatz zum algorithmischen Reverb der, laienhaft gesprochen, den Hall aus einem Haufen von mathematischen Formeln und Berechnungen generiert, verwendet der Faltungshall eine andere Herangehensweise. Der Ursprung seiner Räume liegt in einer Art Fingerabdruck; einer sogenannten »Impulse Response« (IR), welche als ganz normale Audiodatei (z. B. WAV) gespeichert wird. Man spricht hier auch von »IR-Files«, von Aufbau und Funktion her sind sie jedoch mit »normalen« Audiodateien identisch. Diese Dateien sind in der Regel nicht sehr lang, denn sie entsprechen dem Nachhall des Raumes, deren Fingerabdruck sie enthalten; das kann der Bruchteil einer Sekunde sein bis hin zu mehreren Sekunden. Die Aufnahme dieses Fingerabdrucks entsteht, indem mehrere Mikrofone an bestimmten Stellen im Raum aufgebaut werden und dann der Raum entweder durch einen sehr lauten Impuls (z. B. Pistolenschuss) oder durch einen Sinus-Sweep, der über einen sehr linearen Lautsprecher ausgegeben wird, »angeregt« wird. Für die Sinusmethode wird anschließend noch ein weiterer Arbeitsschritt benötigt und zwar das Deconvolving, bei dem eine spezielle Software den Sinus-Sweep wieder aus der Ausnahme herausrechnet und das finale IR-File generiert.

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Da es sich bei den IR-Files ja um ganz einfache Audiofiles handelt und so ziemlich jedes Faltungshall-Plug-in es erlaubt, eigene IR-Files zu laden, drängt sich natürlich direkt die Frage auf, warum man nicht einfach irgendwelche anderen Audiofiles lädt. Und genau das ist der Ansatz, den wir verfolgen werden. Wenn man nämlich einige grundlegende Regeln beachtet, dann ist so ein Faltungshall ein Soundtransformations-Tool erster Güte, mit dem sich extrem spannende Ergebnisse erzielen lassen. Folgendes sollte man dabei beachten:

1. Die Filelänge ist entscheidend. Die Dateilänge bestimmt nicht nur maßgeblich, wie rechenintensiv der Faltungshall ist, sie bestimmt auch den Charakter der Transforma – tion. Dateilängen bis zu ca. 0,5 Sekunden drücken dem Sound einen ganz klaren Stempel auf. Bei Sounds von mehreren Sekunden Länge bekommt man eine klare »Hallfahne«; auch wenn diese in der Regel nicht nach einem typischen Hall klingt.

2. Vor allem Files mit tonalen Anteilen können sehr starke Resonanzen hervorrufen. Daher sollte man vor dem Abhören sicherheitshalber die Lautstärke seiner Boxen reduzieren. Auch ein nachgeschalteter EQ ist sehr sinnvoll, um die resonierenden Frequenzen zu bändigen.

3. Convolution-Plug-ins lassen sich oft nicht in Echtzeit editieren; die meisten Parameter, zumindest die, die direkt auf das IR-File einwirken, quittieren dies mit Knacksern oder starken Latenzen. Wer den Klang also in Echtzeit noch weiter formen will, sollte dafür zusätzliche Effekte verwenden.

Sound Design – Faltungshall als kreativer Effekt

Rauschen

Im ersten Beispiel schauen wir uns Weißes Rauschen an. Verschiedene Noises, und vor allem Weißes Rauschen, eignen sich hervorragend dazu, eine hallartige Klangwand zu generieren. Man kann vielleicht sogar schon so weit gehen, dass man sich aus Noise-Signalen seinen eigenen, rudimentären Hall »schnitzen« kann. Wir nehmen also eine simple Aufnahme, die einige Sekunden Weißes Rauschen enthält; falls gerade keine zur Hand ist, generieren wir sie mit einem Testtongenerator oder einem Synthesizer. Nun formen wir das Rauschsignal, in dem wir es auf die gewünschte Länge schneiden, einen Fade-Out anfügen (ein extrem kurzer Fade-In sollte, auch wenn keine Einschwingphase gewünscht ist, trotzdem vorhanden sein) sowie das Signal filtern und EQen. Gerade bei Weißem Rauschen kann man, falls nicht speziell gewünscht, gerade im Höhenbereich großzügig Signalanteile wegfiltern. Es macht Sinn, einfach mehrere Längen und Varianten vorzubereiten und diese dann in den Convolution Reverb zu laden, um einfacher vergleichen zu können. Das Ergebnis wird eine mehr oder weniger präsente und breite Wand/Hallfahne sein. Natürlich eignen sich auch andere Rauscharten für derartige Versuche; je nach Geschmack muss hier eventuell auch gar nicht mehr so viel gefiltert werden.

Standardwellenformen

Bleiben wir kurz bei Testsignalen und widmen uns einfachen Wellenformen wie einer Sägezahnwelle. Diese lassen sich wunderbar rhythmisch zerhacken, wenn man wenige Wellendurchläufe einer solchen Wellenform aufnimmt, einen Drum-Loop als Eingangssignal für den Convolution-Hall wählt, das Wellenformschnipsel als IR-File lädt und dann den Dry/Wet- bzw. Mix-Anteil des Convolution auf 100 % Wet stellt. Bei komplexeren Wellenformen und Loops (dieser sollte möglichst dynamisch sein, um mehr Modulation zu erzeugen) lassen sich so interessante MorphEffekte erzielen. Bei tonalen Eingangssignalen sind diese Arten von IRs nicht ganz so flexibel einsetzbar, da sie sehr prägend sind; ein reduzierter Mixanteil kann aber auch hier helfen.

Synthnoises

Wer einen komplexen Synthesizer oder gar ein Modularsystem sein Eigen nennt, der hat eine perfekte Quelle für IR-Samples griffbereit. Einfach eine Anzahl wirrer Britzel-, Zap-, Swoosh- und Kawumm-Sounds erzeugen, und mal schauen, wie gut sich diese als IR-File eignen. Manche Synthesizer besitzen gar eine Random-Funktion, die allerhand merkwürdige Signale ausspuckt. Alternativ kann man auch einfach mal die Preset-Listen seiner diversen Synthesizer nach Effekt-Sounds durchsuchen und diese sampeln; etwas Brauchbares findet sich garantiert.

Filtereffekte

Jetzt nehmen wir eine IR einmal selber auf und widmen uns einem Filtereffekt. Dazu benötigen wir eine Papprolle, wie man sie beispielsweise als Innenleben einer Rolle Küchenpapier findet. Wenn wir diese nun vor einem Mikrofon anschlagen, sodass sich ein kurzes, klares »Plöpp« ergibt, und diese Aufnahme dann als IR-File verwenden, erhalten wir einen Effekt, der entfernt an ein Bandpassfilter erinnert. Eine Variante mit etwas mehr Charakter wäre, unser Papprollensignal noch durch eine Sättigungsstufe zu schicken. Prinzipiell sind der eigenen Fantasie natürlich keinerlei Grenzen gesetzt, weshalb es sich lohnt, einfach mal verschiedene Alltagsgegenstände aufzunehmen, um zu schauen, ob man daraus nicht interessante IRs generieren kann. Hier direkt noch ein Vorschlag: Ein großes Glas oder einen großen Becher mit Wasser füllen und nun entweder direkt mit den Lippen oder mithilfe eines Strohhalms so in das Wasser pusten, dass sich ein einzelnes, sattes »Blubb« bildet. Während eine solche IR bei perkussiven atonalen Eingangssignalen lustige, rhythmische Blubbereien erzeugt, kann sie bei tonalem Input ebenfalls für eine schöne Filterung sorgen.

Die Parameter des Faltungshalls

Auch mit den internen Regelmöglichkeiten der verschiedenen Faltungshall-Plug-ins lassen sich interessante Dinge anstellen. Jedes mir bekannte Convolution-Plug-in erlaubt es, die Hall-Länge innerhalb eines bestimmten Bereiches einzustellen, womit sich zu lang geratene Sounds bequem feintunen lassen. Deutlich interessanter ist allerdings der Parameter, mit dem sich im Falle des Reverbs die Raumgröße einstellen lässt. Mit seiner Hilfe lässt sich das IR-File quasi pitchen, was ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Viel Spaß beim Experimentieren

 

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