Studiotipps: Kniffe, die die Welt verbessern

Der Sound geht kaputt, wenn man ihn aufnimmt

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Vor Kurzem hatte ich ein interessantes Gespräch darüber, dass der ganze »Hardware-Müll« ja furchtbar wäre. Alleine, wenn man eine Spur vom Hardware-Synthesizer in den Rechner holen will, muss man ja die ganze Zeit warten! Und alle Einstellungen sind weg, wenn man den Song mal eben schnell wechseln will. Wie macht man das überhaupt bei einem Live-Auftritt? Und warum schweigen die Fachzeitschriften zu diesem Thema?

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(Bild: Matthias Zerres)

Bevor ich da irgendwo zwischenkam und etwas erklären konnte, bekam ich das größte Dilemma zu hören: Während Synthesizer-Plug-ins nach einem Bounce zur Audiodatei immer identisch erklängen, würde das analoge Signal durch die Aufnahme als Audiodatei qualitativ schlechter. Beim Direct-Monitoring ist noch alles okay, aber diese Qualität sei vorbei, sobald man das Signal auf der Festplatte verewigt hat und von dort abspielte.

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Hoffentlich wird da kein neuer dubioser Geschäftszweig draus: »Audiofestplatten mit der Garantie, dass die dort gespeicherte Dateien wirklich identisch klingen«. Einige treue Leser werden sich bei solchen Dingen wehmütig an den Pengetank Rebitter (Testbericht in KEYBOARDS 04.1999) zurückerinnern … Und nein, die Fachzeitschriften schweigen das Thema nicht tot, spätestens mit dieser Folge Studiotipps gibt es dazu eine einfache Antwort!

Das Gespräch ging dann in der Richtung weiter, was man denn nun kaufen oder einstellen müsse, damit der Hardware-Synthesizer die klangliche Qualität auch nach der Aufnahme behielte. Heute habe ich beinahe nur eine Antwort: Nichts kaufen, sondern einfach mal den Pegel vergleichen. Ganz sicher ist die Aufnahme ein bisschen leiser als das Direct-Monitoring, und alleine dort ist das Übel zu suchen.

Unser Ohr ist leider ungenau, wenn es um Lautstärken geht. Oft denken wir nur, dass der Sound schlechter ist, wir ziehen schlicht die falschen Schlüsse. Man mag darüber schmunzeln, dass sich jemand gleich neue Audiohardware kaufen möchte, obwohl nur der Pegel falsch eingestellt ist. Es ist heute beinahe normal, dass selbst Einsteiger-USB-Soundkarten fürs Homerecording schon besser klingen als manche teuren Wandler von früher. Ebenso verhält es sich mit den Mix-Tools, die uns alleine durch die Grundausstattung einer DAW zur Verfügung stehen.

Wenn der Frequenzgang wirklich ein Problem wäre, könntest du diesem Effekt sicher mit einem einfachen EQ entgegensteuern. Zu hohes Rauschen ließe sich mit einem einfachen Gate, der Automation oder ein paar manuellen Schnitten eindämmen. Aber das wird es als Lösung alles nicht sein, denn es war ja eine eher generelle Wahrnehmung, dass das Signal insgesamt schlechter würde.

Früher gab es das 

Die Antwort hätte ich vor vielen Jahren aber ganz anders gegeben. Damals, als 24-Bit-Wandler noch neu waren, ging es beispielsweise auch darum, wie man ein analoges Studio so rauschfrei bekommt, dass sich die neuen Wandler überhaupt lohnen. Wenn man wirklich mal die Stille auf dem Main-Mix im Rechner normalisierte, dann rasselten da die Wandler diverser Effektgeräte nervend vor sich hin, nur weil irgendwo vielleicht noch ein bisschen zu hohes Grundrauschen auf dem Send anlag oder irgendwelche Einstreuungen dafür sorgten, dass die integrierten Gates eines Hallgerätes oder digitalen Hardware-Synthesizers beispielsweise offen blieben. Tagelang haben wir damals die komplette Verkabelung getauscht, Pegel optimiert und immer wieder gemessen, bis es denn endlich so weit war, dass an den Wandlern wirklich saubere Signale ankamen!

Ich hätte also ganz andere Tipps parat gehabt: Kauf bessere Wand ler und bessere Vorverstärker. Achte auf die Verkabelung, eventuell klaut dir eine billige DI-Box ein bisschen Qualität? Allerdings hätte es auch schon damals schlicht und einfach die Lautstärke sein können!

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VUMT von www.klanghelm.com kostet nur schmale 8,— Euro und ist ein beinahe unverzichtbares Helferlein im digitalen Mix. Die Anzeige zeigt dir nicht nur Signalspitzen an, sondern erlaubt mit etwas Übung oder im Vergleich zu einer zweiten Instanz auch ein Einschätzen und Bewerten der leisen Passagen — ganz wie früher am analogen Mischpult.

VUMT

Klanghelm hat mit dem VUMT eine Simulation einer analogen Pegelanzeige auf den Markt gebracht, die wenig Platz auf dem Bildschirm braucht und sich daher zum einfachen Vergleichen zweier Signale gut eignet. Es ist kein Problem, zwei Instanzen nebeneinander auch auf kleineren Bildschirmen unterzubringen. Natürlich bringen auch viele andere Plug-ins eine ähnliche Anzeige mit, du kannst diese Experimente also auch mit einem Plug-in deiner Wahl nachstellen.

Eine gute Pegelanzeige hilft beispielsweise bei der Frage, ob ein bestimmtes Kompressor-Plug-in besser als ein anderes klingt. Es geht schließlich nicht nur darum, den Spitzenpegel beider Plug-ins gleich laut einzustellen, sondern beide Signale so einzupegeln, dass diese auch in den leisen Passagen identisch laut sind. VUMT gefällt mir hier sehr gut, denn die Anzeige hat eine Trägheit, die das Einstellen solcher dynamischen Pegel recht einfach macht.

Kompressoren und ihr Regelverhalten ohne solche Hilfen zu vergleichen ist schwierig. Digitale Kompressoren lassen das Signal oft unbearbeitet bei gleichem Pegel passieren und senken die Lautstärke ab, wenn sie eingreifen. Bei manchen Vintage-Legenden und ihren Simulationen im Rechner muss man jedoch den Eingangspegel anheben, damit überhaupt eine Kompression stattfindet. Das Signal wird dadurch lauter, was unsere Ohren normalerweise mögen und was dazu führt, dass wir der Kompression schnell einen positiven Effekt zusprechen.

Im Direktvergleich mit einem digitalen Kompressor, der das Signal auf den ersten Blick nur leiser macht, wird der analoge Kandidat sofort gewinnen. Gleicht man die Pegel an, sieht das eventuell ganz anders aus.

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Welcher klingt besser? Wenn man nur die Optik bewertet, ist schon klar, welcher Kompressor unbewusst gewinnt. Aber stimmt es wirklich? Dadurch, dass wir beim Waves zuerst die Lautstärke anheben müssen, klingt der auf Anhieb auch gleich besser. Die Threshold-Absenkung des kostenlosen 1175 aus dem ReaJS-Plug-in von www.reaper.fm/reaplugs sorgt dafür, dass er einen absolut schlechten Start im Direktvergleich hat. Zumindest, bis wir den Pegel angeglichen haben …

Blitzschneller Mix

Ein Aha-Erlebnis in dieser Form hatte ich vor Jahren, als ich in einem analogen Studio mittig auf der Konsole einen Urei-Clone entdeckte, der scheinbar keine Funktion hatte. Der zeigte nur den Ausgangspegel des Master-Faders und schien ansonsten keinerlei Sinn zu haben.

Irgendwann ging es um das Einstellen des Drumsets, und ich bemerkte, wie der Toningenieur immer wieder auf die Eingangs-Anzeige dieses Kompressors schaute. Als Kompressor taugte das Gerät laut ihm nichts, aber die Pegelanzeige war wohl genial. Er hatte sich im Laufe der Zeit diverse Verhältnisse gemerkt und konnte die einzelnen Mikros des Drumsets damit in Rekordzeit abstimmen.

Beispielsweise stellte er das Hochpassfilter der Bassdrum so ein, dass die Pegelanzeige sich niemals oberhalb eines bestimmten Wertes befand und achtete darauf, dass die Overheads bei durchgängigem Spiel einen bestimmten Grundpegel nicht unterschritten.

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Wenn du es wirklich wissen willst, benutze zwei Instanzen von VUMT, eine vor der Bearbeitung mit dem EQ und eine danach. Gleiche nun den Pegel der zweiten Instanz an die grafische Anzeige an, und bewerte dann das Klangresultat. Ohne den Vergleich ist es kaum möglich, eine echte Aussage über den Gewinn oder Verlust zu machen.

Klappt auch im Rechner

Mit dem VUMT lassen sich solche Experimente ganz einfach im Rechner nachbilden. Ein Beispiel wäre etwa eine Bass-Spur, die im Vergleich zur unbearbeiteten Spur einen leichten Lo-Cut besitzt. Einzeln abgehört klingt die unbearbeitete Version vielleicht sogar besser, denn sie wird eventuell etwas lauter sein.

Wenn du jedoch die Pegelspitzen ignorierst und dich nur auf die minimalen Ausschläge des Plug-ins konzentrierst, wirst du beide Spuren sehr schnell angeglichen haben. Oftmals ist das ernüchternd: Was vorher ein gravierender Unterschied war, ist danach kaum zu hören!

Positive Verfälschung?

Zumindest mir geht es so, dass ich viel zu schnell alle möglichen Plug-ins und Effekte im Mix verteile. Der Synthesizer setzt sich nicht durch? Alles klar, da drehe ich in den Mitten etwas auf! Im Endeffekt verfälsche ich eventuell durch das Anheben der Frequenzen nur den Klangcharakter und mache das Signal insgesamt lediglich ein wenig lauter.

Die Klangverfälschung fällt mir dabei nicht negativ auf, denn schließlich sagt mir mein Ohr, dass der Klang jetzt besser ist. Mit VUMT sind solche Dinge schnell entlarvt: einfach eine Anzeige vor und nach dem EQ schalten und mit dem integrierten Lautstärkeregler die Anhebung ausgleichen.

Wenn der Klang wirklich die Bearbeitung brauchte, wird das Signal immer noch besser klingen. Wenn der Klang jedoch lediglich etwas lauter werden sollte, fällt der komische Frequenzgang jetzt vielleicht sogar unangenehm auf.

Fazit

Im normalen Studioalltag bleibt für solche Experimente oft keine Zeit, aber ich möchte dich trotzdem ermutigen, in diesem so simplen wie wichtigen Feld eigene Erfahrungen zu machen. Es muss ja nicht immer gleich der Kauf einer neuen Soundkarte sein, wenn der Mixpegel nicht zum Direct-Monitoring passt. Aber im Alltag optimieren wir so viele Signale beinahe selbstverständlich und halten diese grundlegenden Dinge für Kinderkram. Auch wenn heute im Rechner beinahe alles möglich ist, so sind es doch zuerst die einfachen Dinge, die ein solides Fundament im Mix schaffen! Viel Spaß beim Ausprobieren!

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