Kunstkopf

Kunstkopf ist nicht „nur“ das Titelthema der Sound&Recording-Ausgabe 1/2016, sondern auch eine sehr spannende Form von Aufnahmetechnik, die nach der Einführung vorrangig für Hörspiele zu Beginn der 1970er nun verstärkt wiederentdeckt wird. Denn man kann im Kunstkopf-Verfahren auch Musik aufnehmen bzw. zu diesem Zweck Sounds sammeln, denen eine spezielle Raum- und Stereo-Klangcharakteristik zu eigen ist.

Kunstkopf

Bei diesem modernen Kunstkopf sitzt die Membran des ungerichteten Kugelmikrofons im Gehörgang – ganz wie im echten Leben.

Der Begriff „Kunstkopf“ stand zunächst für ein (auf dem Kopf tragbares) Stereo-Mikrofon in Form eines Kopfhörers, das also der Anordnung der menschlichen Ohren nachempfunden ist. Inzwischen gibt es Modelle, bei denen der Kopf und die Ohrmuscheln gleich mit aus Kunststoff nachgebildet sind. So oder so fängt ein Kunstkopf-Mikrofon die aufgenommenen Sounds möglichst genau so ein wie ein Mensch an der entsprechenden Stelle im Raum sie hören würde. Bionische Mikrofonierung sozusagen – wer an einem besonders „natürlichen“ Sounddesign interessiert ist, wird an einem Kunstkopf-Mikrofon viel Freude haben. Und zugleich oder gerade deshalb klingen die 3D-Sounds seltsam eigenwillig, verglichen mit traditionelleren Tonstudio-Recording-Techniken. Diese Eigenschaften hat sich in den 70ern auch der Underground-Poet Rolf Dieter Brinkmann zunutze gemacht, als er mit der damals neuen Kunstkopf-Technik und einem tragbaren Recorder Aufnahmen seiner Spaziergänge durch Köln machte. So können wir neben seinen Kommentaren zu diesem und jenem am Wegesrand auch im 3D-Sound hören, wie er an eine Straßenecke uriniert. Ein Erlebnis – dank Kunstkopf.