Ein Blick in die Manufaktur des Boutique-Herstellers

Zu Besuch bei Mikrofon-Hersteller Royer Labs

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Als wir im Januar 2016 zur NAMM-Show in Kalifornien waren, machten wir nicht nur in Chino bei Manley Halt, sondern besuchten auch die Manufaktur von Royer Labs in der Empire Avenue in Burbank. Dort führte uns Rick Perrotta, President of Royer Labs, durch die kleine und sehr familiäre Produktionsstätte des amerikanischen Boutique-Herstellers.

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Wer glaubt, Royer Labs sei ein großes Unternehmen, mit Hunderten von Mitarbeitern und einer riesigen Produktionsstätte, der liegt so was von falsch! Es handelt sich hier um ein wirklich kleines Firmengebäude, welches in einem Gewerbegebiet in Burbank liegt. Zur Mittagszeit wirkt hier alles sehr verlassen, und fast hätten wir die Hausnummer 2711 gar nicht gefunden. Kein Schild, keine Klingel, kein Hinweis darauf, dass sich hinter der Tür ein weltbekannter Mikrofonhersteller befindet. Lediglich das Bellen von Hunden, die zu President Rick Perrotta und Director of Sales Kevin Parker gehören, wie sich später herausstellte, machten uns darauf aufmerksam, dass hinter der Tür wohl doch Leben herrscht. So brauchten wir auch keine Klingel. Kevin öffnet uns die Tür, bittet uns hinein, und schon werden wir von den Firmenhunden sehr herzlich begrüßt.

Danach gibt es erst einmal einen Kaffee, zum Start der Tour. Dazu führen uns Kevin und Rick in den gemeinsamen Aufenthaltsraum für alle Mitarbeiter, den Rick als »Multifunktions- Raum« bezeichnet, in dem viele Projekte besprochen und neue Ideen gesponnen werden. Anschließend beginnt die Führung.

Hintergrund

Ursprünglich entwickelte David Royer Kondensatormikrofone. Doch vor 20 Jahren sah das Unternehmen darin kein rentables Geschäft und stoppte die Produktion. Rick musste David damals versprechen, dass man eine zweite Firma gründen würde, um seine favorisierten Kondensatormikrofone herzustellen, sobald Royer eine erfolgreiche Firma sei. So kam es später zur »Wiederbelebung« von Mojave Audio, eine Firma, die David Royer bereits im Jahre 1985 gründete. Das erste Royer R-121 wurde zu Beginn übrigens noch mit Mojave Audio gelabelt, der Firmenname ist also älter als der von Royer. Kevin Parker erzählt, dass David damals mit seinem Motorrad und dem ersten Bändchenmikrofon in seiner Socke herumgefahren sei, um es den Leuten zu zeigen.

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Rick erinnert sich: »Wir hatten damals eine kleine Werkstatt und arbeiteten bereits sechs Monate daran, ein großartiges Produkt zu entwickeln. David zeigte uns immer wieder Kondensatormikrofone, und irgendwann habe ich ihm gesagt, dass es nicht funktionieren wird und wir die Firma schließen müssten. David geriet aufgrund seines Autismus in Panik. Er braucht immer ein Ziel, hinter dem auch ein Zweck steht, und den sah er jetzt nicht mehr. Er ging nach Hause und kam nach einer Woche mit der ersten rohen Version des R-121 an. Wir haben unsere Partner angerufen und gefragt, was sie davon halten würden, wenn wir nun Bändchenmikrofone herstellten. Sie stimmten zu und »Bingo«! David fing an, den Übertrager und die Geometrie des Bändchens zu entwickeln, beschaffte die Magnete, und mein Bruder Chris, der als Mechanical Design Engineer arbeitet, designte das Gehäuse des R-121. Das war im Jahr 1997!«

David Royer hatte zu dieser Zeit einen Mentor namens Bob Speiden, der ein Mikro fon namens SF-12 produzierte. »SF« steht hier für Speiden’s Folly. Als sie dann Royer gründeten, stimmte Bob Speiden zu, das Mikrofon in einer neuen Version über Royer zu produzieren.

Datenbanking

Erster Stopp der Führung ist Ricks Büro. Auf seinem Monitor ist ein CAD-Programm geöffnet, dass ein künftiges Royer-Produkt zeigt. Ich habe ihm jedoch versprochen, kein Wort darüber zu schreiben. Dennoch fand ich es sehr überraschend, mit welchem Vertrauen er uns durch das Gebäude führte. Rick öffnet eine Excel-Liste und erklärt, dass jedes einzelne Mikrofon, das Royer seit dem ersten Tag produziert, in einer Datenbank gelistet wird. Dort werden die Empfindlichkeit des Mikrofons, die Resonanzfrequenz und die Induktivität des Übertragers registriert. Außerdem wird festgehalten, wann das Mikrofon hergestellt und versandt wurde, ob es neu ist oder umgebaut bzw. repariert wurde. Auch die Käufer der Mikrofone, zumindest die, die ihr Produkt registriert haben, sind hier verewigt. »Viele Mikrofone die bei uns zur Reparatur ankommen, stammen von jungen unerfahrenen Engineers, aus Schulen, einem Equipment-Verleih oder offenen Studios, bei denen viele Personen Zugang zu den Mikrofonen haben. Die meisten Schäden entstehen durch Unerfahrenheit.

Rick zeigt uns ein unbearbeitetes Gehäuse, wie es die Firma für Luft- und Raumfahrttechnik anliefert. Alleine diese Teile kosten Royer 300,− Dollar pro Mikrofon .
So sieht ein Gehäuse mit fertigem Finish aus. Hier bekommt die Gravur gerade ihre Farbe, und das Royer-Logo wird platziert.
Hier wird Industriekleber auf die beiden Neodym-Magnete aufgetragen.
Ein Bändchen — hier bereits gefaltet — wiegt lediglich ein Tausendstel von einem Gramm!

Tontechniker hingegen, die ein Mikrofon von ihrem eigenen Geld bezahlt und es selbst registriert haben, achten auch darauf und gehen vorsichtig damit um. Diese Kunden schicken ihre Mikros sehr selten zurück. Unsere Mikrofone gehen mit großen Acts wie den Rolling Stones oder Maroon 5 auf Tour. Die dortigen Engineers wissen so gut mit den Royer-Mikrofonen umzugehen, dass sie selbst in einem für Bändchenmikrofone schwierigen Umfeld nicht kaputtgehen.«

Auch angemessene Paare werden in der Datenbank geführt. Wenn Empfindlichkeit und Resonanz zweier Mikrofone identisch sind, können beide zusammen als Matched Pair vertrieben werden. Die Mikrofonpaare weisen deshalb auch keine fortlaufende Seriennummer auf. Sie werden erst nach der Produktion durch den Vergleich in der Datenbank zusammengeführt. Bändchen-Paare klingen sehr beständig und weisen eine geringere Exemplarstreuung auf als beispielsweise Kondensatormikrofone. »Der einzige Faktor, der den Klang ändert, ist die Empfindlichkeit, und die ist davon abhängig, wie locker oder stramm das Bändchen gespannt ist. Sie variiert zwischen 1 und 2 dB, was ein sehr geringer Wert ist«, so Rick. Wenn man sich also noch zu seinem einsamen Royer-Mikrofon ein passendes hinzuzukaufen möchte, ist das dank dieser Datenbank kein Problem.

Design-Entwicklung

»Wenn wir mit der Entwicklung eines neuen Produkts starten, arbeiten wir zuerst in einer CAD-Design-Software«, erzählt Rick. »Das reicht uns, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie das Produkt am Ende aussehen soll. Später erstellen wir daraus ein 3D-Modell, und wenn alles passt, fertigen wir den Proto typen des Gehäuses an. Erst dann, wenn alles stimmt und tausend Mal gecheckt wurde, geben wir das Mikrofon in die Produktion. Wir versuchen, immer einen Schritt voraus zu denken, um zu wissen, was wir als Nächstes auf den Markt bringen müssen. Es gibt so viele mögliche Varianten von einem Bändchenmikrofon. Du kannst es mit Röhre oder Phantomspeisung oder in verschiedenen Farben herstellen.

Unsere Produkte sind im Grunde handgefertigt, und die Herstellung ist sehr teuer. Alle maschinellen Prozesse werden hier in den USA durchgeführt, mit Ausnahme des R-101, dessen Gehäuse in China produziert wird. Alleine der Preis für die Produktion der Gehäuse ist aufgrund der maschinellen Metallbearbeitung bzw. der Zerspanungstechnik enorm. Sie werden von einer Firma aus der Luft- und Raumfahrt mit sehr geringen Toleranzen produziert und kommen in einer rohen Form bei uns an. Danach inspizieren wir jedes einzelne Teil, die alle mit einer Seriennummer versehen sind. Nachdem wir die Maße der Teile gecheckt haben, werden sie in ein Ultraschall-Bad getaucht. Dann schicken wir sie weiter zum Plandrehen. Je nach Typ werden sie dort mit einer Kupferlegierung, einer chemischen Vernickelung oder einem matt-schwarzen Chrom überzogen. Wenn sie zurückkommen, werden sie erneut auf Risse überprüft.«

»Wir haben lange nach einem alternativen Prozess gesucht, um die Gehäuse herzustellen «, erzählt Rick und zeigt uns ein paar Prototypen, die nicht in die Serienproduktion gegangen sind, darunter Mikrofone, die auf dem R-121 basieren und in einem Stück gegossen wurden. »Die Gehäuse dieser Mikrofone wurden wirklich gegossen. Deshalb werden auch keine zusätzlichen Halterungen benötigt, denn sie sind im Gehäuse integriert und besitzen zusätzlich einen Trittschallfilter sowie einen Popschutz.« Der Grund, warum Royer die gegossenen Mikrofone nie auf den Markt gebracht hat, war das Design. »Es sieht zu ungewöhnlich aus, meinte unser Marketing- Team, und außerdem war die Produktion doch nicht so günstig, wie wir dachten«, gesteht Rick mit einem Lachen!

Das Herz des Mikrofons

Rick ist in seinem Element und erzählt weiter: »Die Industrie hat Gott sei Dank die superstarken Neodym-Magnete entwickelt, die mit bloßer Hand nur durch ein Drehen zu trennen sind. Wenn wir die beiden Magnete in einen Wandler einsetzen, ziehen sie sich natürlich gegenseitig an und wollen zusammenkommen. Wir müssen also versuchen, sie auseinanderzuhalten. Um sie im Wandler zu befestigen, nutzen wir einen Industriekleber und einen kleinen Trick«, den Rick uns leider nicht verrät.

»Das Herzstück des Mikrofons ist natürlich das Bändchen. Das Material ist so dünn, dass man mit keinem Tool messen kann, ob es beispielsweise die richtige Stärke besitzt. Der einzige Weg, wie wir das herausfinden können, ist, es zu wiegen. Anhand des Gewichts wissen wir dann, ob es die entsprechenden Dimensionen und Proportionen aufweist.

Das Bändchen wird eingesetzt ...,
... zwischen den Magneten justiert, und die Wandler werden für den Zusammenbau vorbereitet.
Rick zeigt auf den Oszillator, der am Punkt der Resonanz die Form des Oszilloskops verändert.
So sieht ein Wandler mit zentriertem Bändchen aus.
Dieser Wandler besteht aus vier Magneten. Die Magnete sind in dieser Konstellation zusammengesetzt, denn je kürzer der Weg zwischen der Front und der Rückseite des Bändchens ist, desto akkurater ist der der Frequenzgang des Mikrofons.
So sieht das Netzteil eines Royer SF24 von innen aus. Die Widerstände kommen aus Deutschland und die Kondensatoren aus Japan. Die Übertrager stammen von einer lokalen Firma namens Jensen Transformers. Die gesamte Verkabelung ist Teflon-ummantelt.

Bevor das Bändchen in den Wandler eingebaut wird, wird es erst einmal eng gefaltet. Das geschieht bei den meisten Aluminiumbändchen zwischen zwei Blättern aus Glassin. Das Problem bei dieser Methode ist, dass man an der Kontur der Anhebungen und Absenkungen, dort, wo das Metall gebogen wurde, nicht von der Kaltumformung profitiert. Deshalb haben wir unsere eigene Faltmethode entwickelt, die sehr präzise ohne Glassin arbeitet und dennoch das Bändchen nicht zerreißt. Das Bändchen ist nämlich wirklich sehr fragil.«

Das Einsetzen ist der Punkt, bei dem die meiste Geduld und künstlerische Fähigkeiten gefordert sind. Zuerst wird das Bändchen etwas gezogen bzw. gelockert. Bei diesem Prozess wissen die Royer-Mitarbeiter bereits aus Erfahrung, wie weit sie das Bändchen dehnen können, ohne dass es reißt. Die Position des Bändchens im Wandler ist von mehreren Punkten abhängig. Das Bändchen muss beispielsweise parallel zu den Magneten liegen, ohne diese an den Seiten zu berühren. Außerdem müssen der Abstand zu den Magneten auf jeder Seite identisch und die Spannung sehr präzise sein. Wie locker oder stramm das Bändchen sitzt, wird mit einem elektronischen Messgerät festgestellt. »Durch den Anstieg der Impedanz«, sagt Rick, »die wir einer Frequenz zuordnen können, wissen wir, wie straff oder locker das Bändchen zwischen den Magneten gespannt ist. Dort gibt es einen Bereich, in dem das Bändchen perfekt sitzt. Zwei bis drei Tage, nachdem das Bändchen in den Wandler eingespannt wurde, entspannt sich das Bändchen weiter. Dadurch entsteht eine kleine Abweichung, die wir genau kennen und vorher berücksichtigen.«

Zuerst wird das Bändchen in einer Halterung am oberen Rand so eingespannt und zentriert, dass es nicht die Magnete berührt und perfekt zwischen ihnen im gleichen Abstand sitzt. Beim Einspannen muss man vorsichtig sein, denn wenn man die Halterung zu fest anspannt, bleiben unerwünschte Druckstellen auf dem Aluminium zurück. Das Bändchen würde am Einspanner hängenbleiben, und man müsste von vorne mit einem neuen Bändchen beginnen.

Danach wird das Bändchen mit einem Oszillator verbunden, um es mit Signal-Spannung zu versorgen, über die man die Resonanz messen kann. Dreht man die Spannung hoch, beginnt das Bändchen zu vibrieren. Am Punkt der Resonanz verändert das Oszilloskop seine Form. Anhand der Oszillatorfrequenz, die in Abhängigkeit zur Resonanz steht, wird dann der Wert der Resonanz ausgemacht. Zum Schluss werden zwei Dämpfungsschichten mit sehr feinen Löchern vor und hinter dem Bändchen befestigt. Sobald das Bändchen nun zu vibrieren beginnt, entsteht an dieser Stelle ein gewisser Druck, und es bildet sich eine Luftblase. Das führt dazu, dass das Bändchen aufhört zu schwingen, sobald die Schallwelle stoppt.

Die Leiterplatte eines Royer 122 MKII: ein paar FETs für den Eingang, ein paar Transistoren für den Output sowie Switcher für das 15-dB-Pad und das 100-Hz-Hochpassfilter.
Diese Röhre verbaut Royer in ihren Röhrenmikrofonen. Sie entspricht militärischen Anforderungen und wurde vor 35 Jahren hergestellt. »Wir haben den Weltvorrat dieser Röhren aufgekauft«, so Rick. »Damit können wir bis ins nächste Jahrtausend Röhrenmikrofone herstellen.«
Jedes Mikrofon wird in dieser Kammer mit einem Referenzmikrofon verglichen, bevor es in den Vertrieb kommt.
Royer versucht immer nur so viele Mikrofone zu produzieren, wie es Kaufanfragen gibt. Grund: In den USA müssen Steuern auf das gesamte Inventar gezahlt werden.

»Jeder Wandler und jede Leiterplatte werden getestet, bevor sie in die Produktion gehen«, erläutert Rick. »Wird nutzen ein System, das das Rauschverhalten und jeden weiteren Aspekt der einzelnen Komponenten feststellt. Die Mikrofone werden dann in einer schallisolierten Kammer mit dem dort platzierten Referenzmikrofon verglichen, und der Computer spuckt uns einen Ausdruck mit allen relevanten Parametern des Vergleichs aus. Nach diesem Test hört David Royer in jedes einzelne Mikrofon hinein. Das macht er bereits seit dem ersten Tag! Wenn das Mikrofon seinen Test besteht, ist davon auszugehen, dass das Mikrofon auch in Ordnung ist!«, sagt Rick mit breitem Grinsen. »Danach kommen die Mikrofone in unser Lager. Von hier aus werden die Mikrofone dann in die Studios weltweit verschickt! «

Grounded Company

Der Besuch bei Royer hat uns gezeigt, dass hinter dem Logo des Boutique-Herstellers ein sehr bodenständiges und sympathisches Team steckt. Hier werden Träume gelebt, aber nie abseits der Realität. Die langjährige Erfahrung des Teams ist in jedem Detail der Produktion zu spüren. Hier wird auf Qualität gesetzt, die natürlich auch bezahlt werden muss. Doch der Preis ist absolut gerechtfertigt!

Wir verabschieden uns und machen uns auf den Weg nach Anaheim, wo wir die Truppe am nächsten Tag erneut auf der NAMM-Show treffen. Rick, Kevin und Mitarbeiter Adam stehen am Royer-Stand zwischen Menschentrauben und präsentieren ihre Mikrofone. Hier ist irgendwie mehr los als in der Empire Avenue 2711 in Burbank …

Was wir bei unserer Besichtigung nicht sehen konnten, sind die von Royer ausgelagerten Prozesse zur Herstellung der Mikrofongehäuse. Deshalb hat uns Royer diese zwar etwas älteren, aber dennoch sehr interessanten Bilder zur Verfügung gestellt, die die Herstellung eines Mikrofongehäuses sehr genau dokumentieren:

Ein fertiges Royer R-121. Hier zeigen wir euch, wie es entsteht

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