Mastered for iTunes

Das Udo-Lindenberg-Projekt

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In diesem Berich berichteten wir bereits über die Kanäle und Möglichkeiten, mit deren Hilfe man seine eigene Musik über die großen Portale wie iTunes vermarkten kann. Viele werden sich die Frage stellen, wie man seine Audiotracks für diesen Zweck mastern soll. Um Einblicke zu bekommen, durften wir einem Mastering-Team über die Schulter schauen, das mit einem aktuellen und prominenten “Mastered-for-iTunes”-Projekt beauftragt war: Udo Lindenbergs Œuvre.

Udo Lindenberg

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Udo Lindenberg veröffentlicht seit 1971 Platten, hat über vier Jahrzehnte immer wieder den Nerv der Zeit getroffen und wie kaum ein anderer die Menschen emotional erreicht. Sein Werk ist Zeitgeschichte − unterhaltsam, politisch, romantisch und tiefgründig zugleich. So etwas schaffen nur sehr wenige Künstler. Seine Arbeit umfasst mehr als 40 Platten (Live- und Studioalben, sowie DVDs), und ein Großteil seines Werkes wurde nun für die Programm-Initiative “Mastered for iTunes” neu gemastert.

“Udo Lindenberg Mastered for iTunes” ist bis dato das umfangreichste Projekt, welches in Deutschland in dieses neue Format gebracht wurde. Das Ganze geschah in Düsseldorf, in der Skyline Tonfabrik, wo uns Peter “Jem” Seifert und Kai Blankenberg Einblicke in den Prozess und die Hintergründe des Projekts geben. Außerdem erklären wir euch, was “Mastered for iTunes” bedeutet.

Kai und Jem Skyline

 

Beginnen wir am Anfang der Produktion: In welchem Format wurde euch das Material angeliefert?

Jem: Die meisten Master waren auf 1/4″-Analogbändern. Warner Music und Universal haben uns ihr komplettes Archiv zugänglich gemacht. Alle Bänder liefen auf 38 cm/Sekunde, teilweise mit Dolby A aufgenommen. Das war schon ein irrer Moment, als wir das erste 1/4″-Band aufgelegt haben: Ball Pompös von 1974, in dem Jahr bin ich geboren! Es lief einwandfrei ohne Abrieb und klang tierisch: Gänsehaut! Nach wie vor eine meiner Lieblings-Udo-Platten.

Wie habt ihr die Bänder digitalisiert? Und in welchem Dateiformat?

Kai: Digitalisiert haben wir alles mit einem Metric Halo ULN 2 in das von iTunes präferierte Format: 24 Bit/96 kHz/WAV. Für jedes Band hat Oliver Gregor (Rockruepel) die Bandmaschine optimal neu eingemessen. Beim Aussteuern der Wandler haben wir auf ca. 6 dB Headroom geachtet und haben ganz leise oder laute Bänder mit einem analogen Verstärker etwas angehoben oder abgesenkt. So haben wir einerseits sichergestellt, immer so nah wie möglich am Originalsound zu bleiben, und hatten andererseits immer einen vergleichbaren Pegel bei den Audiofiles, was für ein schnelles und strukturiertes Arbeiten wichtig war.

In welchem Zustand waren die Bänder?

Jem: Da waren wir wirklich überrascht! Wir hatten damit gerechnet, dass wir einige Bänder aufbacken müssen oder dass einige Bänder uns die Bandmaschinen verschmieren. Aber fast alle liefen tadellos und klangen richtig gut!

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Habt ihr das Material entrauscht, entzerrt oder irgendwie repariert? Oder ging es “nur” durch die Mastering-Kette?

Kai: Ja, ich habe hier und da mal minimal entrauscht, aber wir haben uns vorher darauf geeinigt, das nicht zu übertreiben, und ehrlich gesagt war es auch bei den meisten Mixen gar nicht notwendig. Manchmal haben wir hier und da mal Knackser weggemacht − gerade bei den Livealben gab es da ein bisschen was zu tun. Man kann es nicht richtig »repariert« nennen, aber mit dem Brainworkx Dyn EQ hab ich relativ viel gearbeitet. Damit hab ich öfters mal ein paar störende Vocal-Frequenzen weggezaubert. So präzise Tools hatten die halt damals beim Mischen und Mastern noch nicht.

>> Mastered for iTunes – So funktionierts <<

Welche Tools habt ihr beim Mastern benutzt, und wie sah eure Signalkette aus? Gab es Tools, die ihr immer benutzt habt, und welche, die nur sporadisch zum Einsatz kamen?

Kai: Bis auf den eben erwähnten dynamischen EQ eher so ganz “normale” Mastering-Geräte und -Tools. Also analoge EQs (Massive Passive, Fairman TMEQ) zum Öffnen des Sounds, digitale M/S EQs zum Resonanzen-Ziehen und Entmulmen. Und manchmal den Rockrüpel-Kompressor zum Dichtmachen, aber wenn es schon genug komprimiert war, ging es dann einfach ins digitale Limiting.

Was war euer Ansatz, das Material zu bearbeiten?

Jem: Udo hat ja in den 40 Jahren seiner Karriere über 40 reguläre Studio- und Livealben gemacht. Wir haben den kompletten Katalog unter soundtechnischen und künstlerischen Gesichtspunkten gesichtet und nach heutigen Maßstäben unter Einbehaltung der ursprünglichen Sound- und Produktionsidee neu gemastert. Es ging los, indem wir uns erst mal jeweils zwei Titel von Alben aus den verschiedenen »Epochen« vorgenommen haben.

Gab es Vorgaben?

Jem: Nein, gab es nicht. Wir haben uns Remasters anderer Künstler angehört, wie zum Beispiel die verschiedenen Remasters von Led Zeppelin (von Anfang der 90er bis hin zur aktuellen Mothership) oder auch die kompletten Beatles-Remasters, um zu hören, wie andere Material aus den 60ern, 70ern usw. in die “Neuzeit” transportieren.

Habt ihr die Klangergebnisse bei den Klassikern immer als gelungen betrachtet? Oder wurde da in euren Augen auch über das Ziel hinaus geschossen? Oder wurde zu wenig gemacht?

Kai: Die Beatles-Remaster von 2009 klingen wirklich fantastisch! Der ursprüngliche Charakter der Platten wurde beibehalten bzw. noch verstärkt, es klingt ein wenig voller und fast »analoger« als die ersten Veröffentlichungen auf CD. Bei Led Zeppelin gefielen uns die Remaster von 1992 besser, bei der aktuellen Mothership sind sie ein wenig übers Ziel hinausgeschossen, was die Lautheit angeht. Klingt schon ganz schön plattgebügelt, genauso wie das aktuelle Nevermind Remaster von Nirvana.

Wie entscheidet man, was dem Original gut tut und was ihm schadet?

Kai: Tja, das ist tatsächlich eine gute Frage … das haben wir dann auch gemerkt, weil ich erst mal ein wenig in die “falsche Richtung” marschiert bin. Ich hatte schon die ersten drei Alben gemastert, und es klang auch alles gut und »richtig« verglichen mit modernen Produktionen und hatte auch eine ähnliche Lautstarke. Aber irgendwann stellte sich so ein komisches Gefühl ein − beim Jem glaube ich früher und auch stärker −, aber ich dachte hier und da auch schon mal: “Na?! Sind wir da nicht ein wenig zu spitz und zu laut. Muss das sein?” Die originalen Bänder klangen gut, vielleicht etwas ungewohnt, wenn man heutiges Frequenzempfinden ansetzt, aber in sich sehr schlüssig. Mein Kollege Jens Dreesen hatte während der Findungsphase einige Titel von Daumen im Wind & Galaxo Gang gemastert, die dynamischer und näher am Originalsound waren und Jem sehr gut gefielen. Ich musste dann noch mal ein bisschen zurückrudern und habe alles ein wenig originaler angelegt − und es war die richtige Entscheidung!

Aufgrund der Fülle des Materials und wegen enger Deadlines haben wir nach den ersten 20 gemasterten Alben noch Michael Schwabe (Monoposto-Mastering) mit ins Boot geholt, der dann in seinem Studio gemeinsam mit Jem sieben Alben gemastert hat.

Unterscheidet sich das Mastern für “Mastered for iTunes” wesentlich vom herkömmlichen Master?

Kai: Da muss ich ehrlich sagen: wenn man den Pegel und den AAC-Konverter im Blick hat, nicht. Das Remastering von den Alben und dann das »Mastered for iTunes« sind ja auch zwei verschiedene Dinge. Bei Neuveröffentlichungen, die sehr auf Lautstärke angelegt sind, ist das komplizierter, weil bei »Mastered for iTunes« ein größerer Headroom verlangt wird.

Was haltet ihr vom Konzept “Mastered for iTunes”?

Kai: Tja, je hochwertiger die Musik beim Kunden ankommt, desto besser! Also 1:0 für iTunes, wenn man schon digital kauft. Aber die Bandbreiten sind da. Warum kann Apple nicht hochauflösendes Audio verkaufen? Das macht dann 1:1.

Jem: Die klangliche Verbesserung durch den neuen Encoder ist auf jeden Fall ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.

Sind die alten Überspielungen eher eine 1:1-Kopie der Master-Bänder gewesen?

Jem: Die ersten CD-Veröffentlichungen Ende der 80er waren 1:1-Überspielungen der Masterbänder. Im Jahre 2001 hat Warner ihren Katalog schon einmal von Wolfgang Michels remastern lassen.

Habt ihr etwas gelernt oder neue Erkenntnisse aus dieser Arbeit mitgenommen?

Kai: Ja, ich würde sagen, schon. Wenn es sich um ältere Aufnahmen handelt, würde ich es mit mehr »Demut vor dem originalenKlangbild«, bezogen auf die Klangästhetik der jeweiligen Epoche, beschreiben.

Jem: Große Freude hatte ich an den ausgiebigen Telefonaten mit Udos Toningenieur und Mitproduzenten aus den 70ern, Thomas Kuckuck, und mit Wolfgang Michels, der die Telefunken-Remasters 2001 gemacht hatte. Die beiden hatten viele interessante Details und auch lustige Geschichten parat und waren eine große Hilfe, ebenso Esther Hoppe (Udos Archivarin), die sich in Udos Repertoire auskennt wie keine andere.

Die Skyline Tonfabrik ist das MasteringStudio von Kai Blankenberg. Anfang 2010 zog die Skyline Tonfabrik in ihr neues Domizil im Herzen von Düsseldorf. Ein sechs – monatiger Umbau verwandelte das alte Hinterhof-Backsteingebäude einer ehemaligen Druckerei in eines der schönsten Tonstudios in Deutschland. Kai übernahm im Laufe der letzten Jahre das Mastering für eine Vielzahl der bekanntesten Künstler des Landes. Seine Arbeiten wurden mit unzähligen Schallplatten aus Edelmetall belohnt.


 

Peter”JEM” Seifert

Jems Karriere startete als Engineer für O.L.A.F. Opal. In dieser Zeit arbeitete der Rheinländer beispielsweise an Narcotic von Liquido, Reamonns Josephine oder aber für die Kultband Miles. Schließlich war er auch in die Produktion des Miles-Nachfolge – projekts Monta involviert und wirkte prägend an Alben für Madsen, Virginia Jetzt!, Klee oder Martin & James mit. Selber begeisterter Musiker, ist Jem auch als Mixer sehr gefragt. Dabei machte er sich sowohl im härteren Genre von den Guano Apes, Such A Surge, The Donots, Haudegen und Jennifer Rostock als auch im Pop-Bereich mit Produktionen für Juli und Sasha verdient. In letzter Zeit arbeitete Jem in Zusammenarbeit mit Andreas Herbig sowohl an Produktionen für bekannte nationale Größen wie Udo Lindenberg, Ich+Ich und Nena als auch an den Newcomer-Alben von Andreas Bourani und Royseven.
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