Ego Check Teil 1

Entscheidungsstrategien für Equipment und Produktion

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Warum „sammeln“ wir Plug-ins und Equipment, suchen ein immer noch besseres Tool, statt endlich Musik zu produzieren? Warum ziehen sich manche Produktionen endlos hin? Eine Gegenfrage: Stellt eine Strategie – das Warten auf perfektes Equipment, oder der Wunsch nach besseren Voraussetzungen – vielleicht eine Ersatzhandlung dar, und wann wird das zum Problem? Urban Elsässer, Diplom-Psychologe und studierter Musiker, vermittelt Strategien zur Problemlösung.

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Urban Elsässer hat klassische und Jazz-Gitarre in Deutschland und der Niederlande studiert, anschließend ein Jazz-Kompositionsstipendium. Später folgte ein Psychologie-Studium in Köln. (Bild: GUDRUN-HOLDE ORTNER)

Bis zur Veröffentlichung Ende 2008 wurde das Guns N’Roses-Album „Chinese Democracy“ –   14 Jahre nach Beginn der Produktion und geschätzten 13 Mio. Dollar Produktionskosten – als das teuerste Album verspottet, das nie fertiggestellt worden war. Hinter dem anvisierten Epos standen unzählige Musiker- und Produzentenwechsel. Was alles schieflief, bleibt der Fantasie überlassen – dennoch zeigt das Album auf, das eine Produktion durchaus problematisch sein kann. Das gilt auch beim Homerecording: Gute Entscheidungen sind nicht immer leicht, ob beim Kauf von Equipment oder dem passenden Arrangement.

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Urban Elsässer, 55, Diplom-Psychologe und studierter Musiker und Komponist, lehrt an der Popakademie in Mannheim das Fach Persönlichkeitsentwicklung, er betreut angehende Produzenten. Wir haben ihn nach den „zwischenmenschlichen“ Themen hinter der Musik befragt, im ersten Teil zum „Problemherd“ Equipment und Entscheidungsfindung. Woran liegt es, wenn wir meinen, immer noch mehr Equipment zu brauchen, um endlich die gewünschte Musik produzieren? Warum verdrängt die Suche nach Equipment manchmal das eigentliche Musikmachen? Wenn man sich konsequent den Fragen stellt, so Elsässer, kommt man oft an den Punkt: Was will ich eigentlich wirklich?

Mögliche Entscheidung im Arrangement? „‘Eine von mehreren Lieblingsideen opfern, damit die Grundidee stärker wird.‘“

S&R: Im Rechner werden mitunter 50 oder mehr Spuren aufgeschichtet und gefühlt tausend Plug-ins geladen. Früher musste man sich aufgrund der Equipment-Einschränkungen disziplinieren, Sounds und Ideen sofort im Arrangement festlegen. Heute kann man theoretisch unendlich viele Takes behalten. Von der mangelnden Konsequenz und „Entscheidungsschwäche“, sich alle Optionen offen zu halten, profitiert ein Song nicht immer. Wie kann ich mich als Produzent zu Entscheidungen disziplinieren?

Elsässer: Wenn es um einen „normalen“ Song geht, kann man beim Songwriting darauf achten, dass die unterschiedlichen Ideen nicht miteinander konkurrieren, sondern sich eine Idee durchsetzt und das Ergebnis transparent bleibt. Es gibt verschiedene Sinnsprüche, die hier passen – ein englischer lautet: „Du musst einen Liebling opfern, damit die Grundidee stärker wird.“ Das ist nicht einfach: Man denkt, die Idee war doch auch super – aber lässt sie im Ergebnis vielleicht lieber weg. Das halte ich für sehr wichtig – das fordert gerade beim Homerecording starke Disziplin – sich aus dem Prozess herauszunehmen und sagen: „Räume auf und gib vielleicht eine oder zwei ‚Lieblingsideen‘ dieses Songs auf.“

„Wie konsequent ist das, was ich da produziere?“

Wie kann ich das umsetzen, die Entscheidungsfähigkeit trainieren, die „richtigen“ Ideen aufzugeben?

Man sollte sich fragen: „Wie mache ich die Grundidee klar? Wie konsequent ist das, was ich da produziere?“ Für den Fall, das am Ende ein guter, transparenter Song stehen soll, der direkt vermittelt wird, folgt mitunter ein harter Entscheidungsprozess. Man muss sich immer das jeweilige Ziel vor Augen führen. Wenn man alleine arbeitet, bedarf es einer klaren Überzeugung – eine innere Instanz, die auch produktiv kritisiert, so dass ich mir selbst sagen kann: „Hey, die Idee muss raus“ – und mich davon distanzieren kann. Man sollte die Vielfalt zunächst zulassen und in einem zweiten Prozessschritt drüber schauen – und dann nochmal. Es geht darum, das Ergebnis immer aus verschiedenen Perspektiven anhören. Was auch funktionieren kann: Wenn man Stücke liegen lässt und mit Abstand nochmal hört, die Entscheidungen über  die Distanz trifft, also nicht mitten im Prozess. Ansonsten: Manchmal ist es einfacher, in einem gemeinsamen Prozess zu entscheiden. Viele Produktionen gewinnen durch diesen Selektionsprozess. Was wären die Beatles ohne George Martin? Oder die Red Hot Chili Peppers ohne Rick Rubin? Produzenten sind als Gegenüber zuständig und nehmen Entscheidungen mit ab.

Manchmal rückt die Technik stark in den Fokus …

Ich sehe das Thema selbst aus der Perspektive, dass wirklich gute Plugins einen auf andere Ideen bringen können: Wenn man super aufwendig gesampelte Streicher hat statt irgendwelchen schlechten Streicher-Sounds – das wirkt anders. Mit einem passenden Sound hast Du auf einmal Akzeptanz für diese oder jene Idee, während Du bei dem anderen Sound nur noch kotzen könntest. Die Inspiration kann anders sein.

„Wovor man Angst hat: Ist es der Mangel an Ideen? Besteht das Problem darin, etwas zu Ende zu bringen?“

Und wenn eigentlich alles nötige bereits vorhanden ist: Warum zögern wir eigentlich das Musikmachen manchmal hinaus, mit der Ausrede, immer noch bessere Werkzeuge zu brauchen? Wovor haben wir Angst?

Das ist dann ein Vermeidungsszenario. Da fragt sich, was man vermeidet, wovor man Angst hat: Ist es der Mangel an Ideen? Besteht das Problem darin, etwas zu Ende zu bringen? Es gibt Leute, die müssen einfach viel machen, aus einem Zwang heraus, und werden nie fertig mit einer Idee.

Kann auch die Angst vor der eigenen Courage eine Rolle spielen, der Gedanke, sich nicht festlegen zu wollen?

Ja. Damit geht die Angst einher, sich angreifbar zu machen. Du legst etwas fest, das geht nach draußen und das ist Dein Statement. Ich habe oft erlebt, dass Leute im Studio waren und drei Wochen später einer meint: „Nein, das will ich nicht, ich habe damals so schlecht gespielt.“ Da ist eine Momentaufnahme entstanden. Es kann sein, dass einer vor ein paar Monaten einen ganz anderen Eindruck hatte. Das ist ja bei allen Festlegungen der Fall – Du musst für diesen Moment geradestehen.

Wenn wir das Thema Entscheidungen generell betrachten: Woran kann es liegen, wenn wir uns nicht entscheiden können für ein bestimmtes Plugin, ein Mikrofon, einen Sound oder einen bestimmten Take?

Aus therapeutischer Sicht würde man von zwei Anteilen in der Persönlichkeit ausgehen: Der eine will, der andere will nicht. Was sichern diese beiden Anteile? Es braucht eine Prioritätshierarchie, weil sich die beiden Anteile sonst gegenseitig handlungsunfähig machen. Treibt ein Teil an und bremst ein anderer, weil er Dich vor etwas beschützen möchte? Das ist innere Teamarbeit. Man sollte sich fragen: Was brauchen die Anteile, damit sie in die gleiche Richtung steuern? Nehmen wir folgendes Beispiel: Jemand will ein Instrument kaufen, kann sich aber nicht entscheiden. Will vielleicht der „querschießende“ Anteil das Geld zusammenhalten und ihn vor einem Fehlkauf oder einer Enttäuschung bewahren, weshalb die Entscheidung hinausgezögert wird? Dann müsste man lernen, den Teil so mit einzubeziehen, dass er berücksichtigt wird – etwa, dass das Verlustrisiko überschaubar bleibt, das Gerät zurückgegeben werden kann oder verschiedene Kandidaten vorher unter den passenden Bedingungen getestet werden können. Was man im Hinterkopf behalten sollte: Das sind keine Wahrheiten, sondern Modelle, die helfen, die psychischen Grundstrukturen des Menschen zu verstehen.

Falsche Marketing-Versprechen bei neuem Equipment? „Marketing läuft über bewusste oder unbewusste Sehnsüchte: Wir wollen vielleicht etwas, das zunächst unerreichbar scheint.“

Beim Thema Equipment: Manchmal jagen wir dem Gedanken hinterher, immer das neueste, immer mehr besitzen zu wollen. Dabei sind wir auch empfänglich für Marketing-Versprechen von neuem Equipment, selbst wenn das Preis-/Leistungsverhältnis die Erwartungen eigentlich gar nicht erfüllen kann …

Marketing läuft über bewusste oder unbewusste Sehnsüchte. Wir sind alle Jäger und Sammler, wollen vielleicht etwas, das zunächst unerreichbar scheint. Da steckt auch das Lustempfinden dahinter, etwas damit machen zu wollen. Es ist auch nur zu menschlich, dass man etwas Neues will, neuen Input braucht und neugierig ist. Umgekehrt kann das Kaufen bei manchen Menschen auch eine Ersatzhandlung sein, die darüber die eigentliche Aufgabe verdrängen, bis hin zu Kompensation, dass jemand, der Probleme hat, sich damit ablenkt. Das ist bei Depressiven ein zentrales Thema: „Ich muss versorgt werden!“ Das zeigt sich dann dadurch – immer mehr, immer teurer, immer was Neues. In dem Moment, wo man sich das zuführt, ist das depressive Element nicht mehr so stark. Aber das ist nur eine Variante. Ich habe auch eine Zeit lang tierisch viel gekauft, bis mir das Geld ausgegangen ist. Dahinter steckte das Gefühl, am Thema „dranzubleiben“ und schlicht auch Spaß am Kaufen, das ist ja nicht immer nur negativ.

>> Ego Check Teil 2 – Gute Kommunikation zwischen Produzent und Musiker <<

Die „Sammler-Falle“? „Ein Kaufverhalten auf Suchtbasis ist vielen nicht bewusst. Für mich ist ein guter Indikator, ob es ins Geld geht, ob es einem dabei gut geht, ob man vereinsamt.“

Gerade unter Gitarristen wurde das Thema als „Gear Acquision Syndrome“, kurz „GAS“, benannt, das eine Sucht nach neuem Equipment formuliert. Der Steely-Dan-Gitarrist Walter Becker hat vor 20 Jahren im amerikanischen „Guitarist“ eine mögliche Lösungsstrategie erwähnt: Man solle sich einfach vorstellen, nach seinem Tod alle Gitarren auf den Rücken geschnallt zu bekommen und sie durch die Ewigkeit schleppen zu müssen; sozusagen eine anschauliche Idee, wie sehr Besitz auch belasten kann. Wenn ich merke, ich tappe langsam in die „Sammler-Falle“ nach ständig neuem, ohne dass ich mich davon freimachen kann – was kann ich dagegen tun?

Das hängt von der Ursache ab: Merke ich, ob es Kompensation ist oder ein normale Neugier, sich was Gutes tun zu wollen? Wenn ich in einen finanziellen Engpass komme und es trotzdem mache – die Schuldnerfalle – wäre ich dafür, zu überlegen: Was kompensiere ich damit? Und was brauche ich? Bin ich in einem Bereich, der normal ist? Das sollte man für sich klären und weiterdenken. Dann wird einem vielleicht bewusst, dass man da nicht von selbst rauskommt. Ich halte das schon für einen wichtiger Schritt, sich das einzugestehen: „OK, das hat vielleicht etwas zwanghaftes.“ Auf die Frage, was ich an Equipment brauche, schließen sich folgende Fragen an: „Wozu mache ich das? Was ist mein innerer Gewinn? Was will ich tatsächlich damit erreichen?“ Bleibt einem das lustvolle Erlebnis wirklich erhalten, dass man auch mit dem Equipment Lust hat, zu arbeiten? Das ist immer eine Skalierung. Bei einem  Suchtverhalten ist es schlicht nicht einfach und man braucht Hilfe. Wenn es in einem Übergangsbereich liegt, wo man möglicherweise Ängste kompensiert, reicht vielleicht ein gutes Gespräch mit einem Freund, oder ein paar Leute, die einem helfen, sich klar zu werden, in was man sich da hinein bewegt. Wenn es nur die Neugier ist, dann ist das toll und alles in Ordnung. Das ist das schwierige: Der Verlauf ist übergangslos: Man denkt vielleicht, alles ist gut und man erfreut sich an neuem Equipment, und dann kippt die Sammelleidenschaft  in eine andere Richtung. Oder andersrum: Du fragst Dich, „was treibt der da eigentlich?“ und auf einmal lebt derjenige auf. Ich habe schon einen Schüler gehabt, der viel gekauft hat, was ich für etwas übertrieben hielt, und der ist jetzt einer der bekanntesten Produzenten Deutschlands. In dem Fall hat es dann tatsächlich in den Beruf gemündet. Aber: Ein Kaufverhalten auf Suchtbasis ist vielen eben nicht bewusst. Für mich ist ein guter Indikator, ob es ins Geld geht, ob es einem dabei gut geht oder ob man sich dadurch sozial vernachlässigt.

Ein Nebeneffekt des Sammelns: Viel Equipment vermittelt auch einen Aufforderungscharakter: Es will benutzt werden, und das wird umso schwieriger, je mehr man besitzt …

Die Reduktion auf das Wesentliche hat oft auch etwas Heilsames – das geht dann in den Feng-Shui-Bereich. (lacht)

Lass uns mal auf des Recording-Prozess selbst blicken. Wenn jemand unglaublich viel Zeit und Aufwand in ein Projekt steckt; ab wann verfolgt derjenige noch legitime Ziele, ab wann sind es Ersatzhandlungen?

Das Leiden entsteht durch das Zwanghafte. Auf der anderen Seite: Bei einem Narzissten gilt Beharrlichkeit zum Beispiel als eine Qualität. Aber wo fängt das zwanghafte an, wo hört die Beharrlichkeit auf, so dass es nicht mehr freiwillig ist? Von außen betrachtet ist es ähnlich, wenn jemand Tagen, Wochen, Monate an einer Sache arbeitet. Burnout-Patienten empfinden einen Gewinn, sich zu verausgaben, arbeiten etwas ab, was vielleicht in ihrer Vergangenheit begraben ist. Hinter allen paradoxen Verhalten liegt ein gefühlter Gewinn. Man kann fragen, was das für eine Funktion für denjenigen hat. Und dann kann man verstehen, dass man nicht einfach sagen kann: „Mach mal langsamer, arbeite mal weniger.“ In der Therapie kommt das Konstrukt raus: Was findet statt – Beharrlichkeit,  Ausdauer, ein Gewinn – liegt es in der eigenen Entscheidung oder ist es ein Zwang? Die Übergänge sind fließend. Und ganz ehrlich: Ich bin mir nicht sicher, ob man da nicht die Grenze zu einfach zieht. Es hat immer mit subjektivem und objektivem Leiden zu tun, der Leidensfaktor ist ausschlaggebend: Ob der Körper sich meldet, die private Umgebung zusammenbricht, wie Motivation oder depressive Grundlagen auftreten – daran sieht man letztendlich, aus welchem Bereich das kommt.

Wie kann sich ein Perfektionist helfen, der nie ein Projekt fertig bekommt, weil er immer ein höheres Ideal anstrebt?

Da ist es wichtig, dass er erst mal kapiert, das er mittel- oder langfristig genau das produziert, vor dem er Angst hat: Je perfekter, umso höher ist der Aufwand, umso höher der eigene Verschleiß. Perfektionismus ist psychologisch betrachtet ein Autonomieversuch –  man will von anderen, von deren Kritik unabhängig sein, sich unangreifbarer machen. Psychologen würden dann Hypothesen aufstellen, warum derjenige nie fertig wird: In dem Fall die Frage, ob ein nicht abgeschlossener Autonomieversuch dahinter steht. Oder ob neurotische Hintergründe ausschlaggebend sind, weil man durch die Suche nach der Unabhängigkeit dem Thema Nähe und Distanz zu anderen ausweichen will? Beim Homerecording kann man ein Einzelkämpfer mit vielen Möglichkeiten sein. Es kann aber auch sein, dass derjenige zwischenmenschlichen Beziehungen ausweicht – er bindet sich lieber an eine Maschine, an die virtuelle Welt als an Mitmusiker. Jeder hat Grundbedürfnisse nach Bindung – wenn man sich allein einschließt, wie wirkt sich das aus, wie schränkt das mein Potenzial ein, wie erweitert es das Potenzial? Die Frage ist, wie sich derjenige in der Situation fühlt. Bei depressiven Menschen verstärken sich Rückzugstendenzen. Letztendlich ist Perfektionismus eine Reaktion, weil derjenige vielleicht etwas kompensiert. Daraus ergibt sich das Zwanghafte, und deshalb ist es auch so schwer, davon loszukommen.

„Gebe Dir in überschaubaren Bereichen den Spielraum, weniger perfekt zu sein.“

Du hattest erwähnt, dass es kontraproduktiv ist, einem Perfektionisten schlicht zu bedeuten, er solle auf die Bremse treten, weil er sich dadurch missverstanden oder nicht ernstgenommen fühlt. Wie kann ich so jemandem konstruktive Hinweise geben, damit der seinem tatsächlichen Ziel näherzukommt?

Man sollte den Leuten aufzeigen, was sie langfristig für einen Preis bezahlen. „Gebe fünf Prozent von Deinem Plan auf und halte die Angst aus, die dadurch entsteht.“ Sich zu überlegen: Wie würde das aussehen, fünf Prozent aufzugeben? Sich den entsprechenden Spielraum geben, weniger perfekt zu sein. Das kann darin bestehen, eben nicht zu 100 Prozent das gefühlte Equipment-Optimum gelten zu lassen, sondern eine Unschärfe zuzulassen. Das Budget grob bei einzelnen Posten zu beschränken. Oder zeitlich, wenn jemand nur auf den einen Bereich fixiert ist: „Nimm Dir am Tag eine halbe Stunde Zeit für was anderes – oder mach mal gar nichts, und halte eine entstehende Angst aus. Irgendwann verschwindet die Angst auch. Dann bekommt man vielleicht eine andere Sichtweise auf die Sache. Und natürlich die generelle Frage: „Was will ich wirklich? Um was geht es mir eigentlich?“

Beim Thema Identität: Wann kann es ein Problem sein, wenn ich mir etwas vormache – also meine Wünsche und Ziele beim Recording nicht zu meinen Ergebnissen und Fähigkeiten passen? Wann lohnt ein Reality Check?  

Ein Reality Check ist eine Spiegelung der eigenen Struktur, und da stellt sich die Frage, ob man da ehrlich sich gegenüber ist. Was darf ich sehen? Wie stark kann ich das zulassen? Auf der anderen Seite – es kann auch sein, dass jemand sich tatsächlich was vormacht, sich aber dabei wohlfühlt! Wenn er den Prozess genießt, die Zeit, die er damit verbringt, er damit glücklich ist – warum nicht? Dann würde ich ihn so lassen – was bringt es dann, die Bereiche zu hinterfragen? Wenn natürlich ein Leidensdruck entsteht und jemand ständig teure Komponenten anschafft, teure Produktionen macht, sich vielleicht dafür verschuldet, sieht es anders aus. Ich hatte mal jemanden kennengelernt, der sich für Equipment und Produktionen mit 80.000 Euro verschuldet hat, und am Ende ist kein Ergebnis da. Das ist dann nicht einfach. Die Leute vergessen manchmal auch den Kontext, weshalb manche Produktionen erfolgreich sind: Es gibt Glück, Schwierigkeiten, die eigenen Fähigkeiten und die Anstrengungen, die man investiert: Das sind Variablen, die sich gegenseitig bedingen, aber die muss man überhaupt erst mal wahrnehmen: Wie sieht meine Anstrengungsvariable aus? Inwiefern gehört Glück dazu – und woher kommt das? In welchem Umfeld bewege ich mich? In einer Großstadt wird man zwangsläufig mehr potenzielle Mitmusiker treffen als auf dem Land. Dazu gehört auch eine ganz klare Entscheidung, das wirklich zu wollen oder den Ort zu wechseln. Man kann das Glück nicht erzwingen, aber man kann sich vielleicht in die Szene begeben und hoffen, dass sich etwas ergibt. Das sieht man zum Beispiel gut in dem Nick-Cave-Film „20.000 Hours“ – man merkt, dass eine Persönlichkeit und auch viel Glück vorhanden waren. Der hätte trotzdem gute Musik geschrieben und es hätte ganz anders laufen können. Ich denke, wenn man die Faktoren abwägt, stabilisiert das einen auf die Dauer.

>> Ego Check Teil 2 – Gute Kommunikation zwischen Produzent und Musiker <<

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Klasse Artikel!!!
    Ein großes Thema und für jeden irgendwie zutreffend.
    Davon lebten ganze Industriezweige.

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  1. Gute Kommunikation zwischen Produzent und Musiker › SOUND & RECORDING

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