UAD-basierter Deluxe Gitarrenverstärker

UAD Fender `55 Tweed im Test

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Die Universal Audios PR-Abteilung hat sich mit einem witzigen, aufwendigen Video ganz schön viel Mühe gegeben, uns ihr neuestes Plug-in schmackhaft zu machen. Die Frage ist, ob das Plug-in solche Werbung nötig hat, oder ob die Macher bei diesem Produkt einfach nur besonders stolz auf ihr Werk sind. Wir klären das!

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(Bild: Universal Audio)

Gitarren-Amps im UAD-Sortiment sind ein alter Hut, allerdings haben die Amerikaner bis jetzt immer ihre europäischen Spezialisten von Brainworx oder Softube machen lassen. Nun haben sich die UA-Entwickler nach ihren digitalen Studiogeräte-Adaptionen erstmalig selbst an einen Gitarrenverstärker getraut. Erfreulicherweise haben sie sich dabei Zeit genommen, denn ein Plug-in mit einem 55er 5E3 Deluxe »wide-panel« als Vorbild schürt hohe Erwartungen.

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Etwas Geschichte

Damit jeder weiß, womit wir es hier zu tun haben, muss kurz etwas ausgeholt werden. Leo Fender war ein Genie: Stratocaster, Telecaster, Jazz Bass, Precision Bass und dann noch die ganzen Amps. Allesamt Meisterwerke, die von Anfang an so zeitlos und »perfekt« waren, dass sie seit 50, teilweise über 60 Jahren fast unverändert gebaut oder zumindest auf höchstem Niveau gespielt werden. Dabei war Leo Fender noch nicht mal selber Gitarrist oder Bassist. Aber er hatte neben seinem technischen Talent offensichtlich gute Ohren. Sowohl beim Abstimmen seiner Instrumente und Verstärker als auch beim Zuhören der Rückmeldungen der Musiker.

Er hielt stets einen engen Kontakt zu denjenigen, die seine Sachen spielten und auf der Bühne ihr Geld damit verdienten. Viele davon wurden als Beta-Tester mit seinen Prototypen in den Ring geschickt und gaben für den Techniker wertvolles Feedback. Wenn die Musiker sagten, dass etwas zu schrill, zu dünn, zu dumpf oder zu leise klingt, dann wurden Tone-Caps getauscht, andere Spulenwicklungen ausprobiert, Tonestacks überarbeitet, Chassis-Konstruktionen überdacht usw. Nur so ist zu erklären, dass Leo Fender mit so vielen Produkten einen Volltreffer landen konnte.

Ok, etwas Glück und fähige Mitarbeiter werden auch eine Rolle gespielt haben. Zudem die Tatsache, dass Fenders Produkte sehr bezahlbar und alleine schon deswegen weit verbreitet waren, und zwar genau zu der Zeit, als verstärkte Gitarren und Bässe grade erst aufkamen und dann unsere Musik gründlich revolutioniert haben. So wurden sowohl der allgemeine Sound als auch unterbewusst unsere Hörgewohnheit maßgeblich von Fender beeinflusst, unsere Ohren wurden durch unzählige Aufnahmen mit Fender-Gear auf diesen Sound geeicht!

Was ist jetzt ein Tweed Deluxe?

Dieser kleine Kombo war eines der ersten Produkte mit dem Fender-Schriftzug. Schon 1946 hat Leo Fender erste Versionen dieses Verstärkers gebaut, damals noch mit einem Gehäuse, das an einen alten Röhrenfernseher erinnert. Über die Jahre hat er die Schaltung immer weiter verfeinert, in den 50ern kamen zudem seine passenden Solidbody-Gitarren dazu.

Besonderen Ruhm hat die Mitt-50er- Schaltung mit dem Namen »5E3« erlangt, auf welcher auch die beiden »golden units« basieren, welche UA für dieses Plug-in ausgewählt und auseinandergenommen hat. An sich handelt es sich um einen kleinen, simplen Amp: fünf Röhren, 12AX7 und 12AY7, in der Vorstufe, zweimal 6V6GT in der Endstufe und eine 5Y3GT-Gleichrichterröhre, macht zusammen 15 Watt. Es gibt 2 Kanäle mit jeweils 2 Eingängen und eine gemeinsame 1-Knob-Tonregelung, die zwischen Vor-und Endstufe angebracht ist. In dem offenen Tweed-Gehäuse ist ein 12″ Jensen Alnico- Lautsprecher verbaut, meistens ein P12R, manchmal auch ein P12Q.

Der Deluxe wurde ein beliebter Amp für den verbreiteten Country und Blues, sowohl für Gigs als auch für Aufnahmen, und nicht nur für Gitarristen, sondern prinzipiell für alles, was man verstärken musste. Er war nicht zu leise und nicht zu groß, zudem war er unkompliziert und leicht aufzunehmen − Mikro davor und fertig. Mit den Anfängen des Rock’n’Roll wurden die 15 Watt allmählich etwas zu leise, wodurch der Verstärker weiter aufgedreht werden musste und nun in die Sättigung fuhr. Durch eine glückliche Fügung klang das bei dieser Schaltung besonders musikalisch − die Geburt der verzerrten Rockgitarre!

Den Deluxe-Sound kennt jeder, nicht nur durch die bekannten User Neil Young, Mike Campbell, The Edge, Jimmy Vaughn, Pete Anderson, Daniel Lanois, Billy Gibons, Larry Carlton oder Little Walter Jacobs. An dieser Liste kann man auch die Vielseitigkeit dieses Amps ablesen. Egal ob Singlecoil oder Humbucker, Solid- oder Hollowbody oder Blues- Harp, dieser kleine Kasten ist beim Instrument nicht wählerisch, er klingt prinzipiell immer gut.

Geht das überhaupt digital?

Eigentlich nicht … Fürs Digitalisieren sind die grade aufgezählten Feinheiten noch nicht alles, was für ein ganzheitliches Modeling wichtig ist. Der Klang eines Amps wird auch durch seine Gehäusekonstruktion und seinen Speaker bestimmt, dessen Eigenschaften und Nichtlinearitäten genauso komplex und schwer einzutüten sind wie die von Trafos, Röhren usw. Vermutlich deshalb hat sich Universal Audios R&D-Abteilung ungewöhnlich lange Zeit für dieses Prestigeobjekt genommen, denn es wurde über 2 Jahre daran gearbeitet.

Neben der Analyse von Vor-, Endstufe, Tonestack, Übertrager, Speaker und Gehäuse wurden sogar die tonbeeinflussenden Eigenschaften der Hitzeableitung oder der Lautsprecher- Pappe analysiert. Alternativ zum »Stock«-Speaker P12R wurden auch noch zwei für diesen Amp bewährte Alternativen gemodelt, ein Greenback 25 Watt sowie ein JBL D120F »Hi-Fi«-Speaker. Zu guter Letzt musste neben dem eigentlichen Amp auch noch eine Mikrofon-Abnahme ins Model einfließen, weil wir den virtuellen Amp ja auch irgendwie hören müssen. Dafür wurde er mit zwei Mikros im Nahfeld abgenommen, wobei insgesamt fünf ausgewählte Mikrofone bereitstehen: 60s Beyerdynamik M160 (Bändchen), 62er Sennheiser MD421, 67er Neumann U67, vintage Shure SM57 und als einziges neues Mikro ein Royer R-121 (Bändchen). Deren Impulsantworten können im Plug-in mithilfe eines kleinen 2- Kanal-Mixers samt Pan, Hochpassfilter (82 Hz, 18 dB/Oct) und alternativer angewinkelter »Off-Axis«-Position zusammengemischt werden, wobei für Phasengleichheit schon gesorgt wurde.

Das Auge hört mit,…

…deshalb ist es schön, wenn das GUI nicht nur übersichtlich und zweckmäßig ist, sondern auch einen Hauch des »Vintage-Vibes« und der Studio-Atmosphäre auf den Bildschirm bringt.

Und wie ist er geworden?

Für diesen Test musste extra die Abgabe- Deadline etwas überzogen werden, da es leider nicht möglich war aufzuhören, über dieses virtuelle Ton-Monster zu spielen. Schon seit einigen Jahren ist das Niveau der Gattung »Amp-Sim« sehr hoch. Man muss aber trotzdem immer ein bisschen Zeit und Arbeit investieren, um solch ein Plug-in aus der Reserve zu locken. Etwas dem persönlichen Geschmack Zuträgliches ist trotz 1.000 Presets manchmal sehr gut versteckt, aber wenn man mit etwas Geschmack und Gehör an den Knöpfchen dreht, kommt irgendwann meistens was Gutes dabei raus.

Oder man gewöhnt sich nur dran? Egal … Bei diesem Plug-in war es etwas anders: einstöpseln und schon am Ziel! Es klingt wie ein klassischer Fall fürs Phrasenschwein, aber es ist wirklich unmöglich, aus dem Amp keinen guten Sound zu bekommen. Mit »gut« ist aber schon fast »perfekt« gemeint. Fehlen tut sowieso nichts, aber vor allem wird dem Ton etwas hinzugefügt. Die Gitarre wird veredelt und klingt wie ein vorteilhaft gealtertes Meisterwerk des Instrumentenbaus − interessanterweise aber bei allen Gitarren, die man anschließt.

Man nehme z. B. eine Fender-Style Singlecoil- Gitarre. Zusammen mit diesem Inbegriff eines klassischen Fender-Amps ergibt das ein matched Pair. Das ist DER Sound, den man eigentlich immer haben will, wenn es um einen »vollen«, anspruchsvollen, dynamischen Ton gehen soll. Man spielt ein paar Töne und denkt, man hätte eine Clapton- Platte laufen, fertig gemastert und alles. Tone erst mal auf 12 Uhr geparkt, kann man bei kleineren Vol-Einstellungen (< 3) komplexe, makellose Clean-Sounds erleben, für welche Fender-Amps berühmt geworden sind. Dreht man das Volumen etwas rauf, kommt man in eine Zwischenwelt aus besagtem Clean und süßem, blühendem Overdrive. Je nach Output der Pickups, Anschlagstärke und Gitarren- Vol ermöglicht dieser dynamische Grenzbereich mit musikalischem, schnellen »breakup« eine weitere Dimension fürs Gitarrenspiel. Der Amp wird zu einer Art Instrument, das mitspielen will und die Gitarre mal knurren oder singen lässt, wobei kleinste Nuancen des Anschlags wie auf einem Präsentierteller hervorgehoben werden. Bei einer Humbucker- Gitarre geht diese Dynamik naturgemäß etwas zurück, der Ton aber wird noch angefettet.

Eine weitere Spielwiese eröffnet die Arbeit an den überschaubaren Parametern. Sowohl die Vor- als auch die Endstufe können nur mit den paar vorhandenen Knöpfen getrennt und in kontrastreichen Abstufungen ordentlich gekitzelt werden, wobei der Gleichrichter noch eine Portion Kompression und Wärme dazu tut. Heraus kommen Überlagerungen komplexer Oberton-Layer, die bei Extremstellungen aller Regler bis zu fuzzigem Distortion für singende Leads reichen, beim Zurückregeln per Gitarren-Volumen aber auch wieder den Rückzug antreten. Bei weiterer Vertiefung der Settings entpuppt sich die kleine Schaltung als eine einzige Interaktion. Die beiden Volumes beeinflussen sich gegenseitig, auch im Frequenzspektrum und egal wo man grade eingestöpselt ist. Der Tone-Regler schraubt gleichzeitig an Bässen und Höhen und versorgt zudem durch seine Lage hinter der Vorstufe bei höheren Settings die Endstufe mit Extra-Gain, rationales Knöpfchendrehen ist also fehl am Platz.

Hinzu kommen die sechs Input/ Patch-Optionen (siehe links, Abb. 4), welche bezüglich tonaler Balance und Gain weitere Varianten bereitstellen. So ist der Amp zwar simpel, aber alles andere als eintönig. Im Gegenteil, für die überschaubare Anzahl an Parametern bietet sich eine enorme Klangpalette.

Dank UAD wurde die Flexibilität des kleinen Amps aber noch weiter gesteigert. Vor allem die beiden Bonus-Lautsprecher sind eine sinnvolle Erweiterung zum Bass- und Höhenreichen »american clean«-Sound des Jensen P12R. Durch den Greenback kann der Deluxe auch als Rocker sein volles Potenzial entfalten, indem der klassische Brit-Rock-Speaker für OD-Sounds die Höhen entschärft. Zudem liefert der GB seinen begehrten warmen, vollen Low-End und griffige Mitten-Charakter. Freunde crunchiger Rhythm-Sounds werden daran ihre helle Freude haben, aber auch fürs Solieren ist der GB25 willkommen.

Der JBL D120F mit einem leichten Peak in den oberen Mitten ist eine etwas spezielle Option. Der leicht näselige, für Clean-Sounds etwas zu belegte Sound kommt gut, wenn man einen möglichst »holzigen«, markanten Sound will. Zu guter Letzt gibt uns UAD mit der Mikrofon-Sektion noch ein weiteres Werkzeug für den Feinschliff. Wie schon bei Softubes gelungenen Marshall Plug-ins wurde auch hier auf eine dröge Liste unzähliger Impulsantworten verzichtet und versucht, die eigentliche Mikrofonierung als wichtigen Teil des Gesamtsounds zu virtualisieren. Leider war UAD dabei nicht ganz so konsequent wie Softube, die sich eigens dafür klugerweise eine Recording-Legende zuhilfe genommen haben. Das Fehlen zumindest eines guten Raummikros ist beim Deluxe etwas schade, denn damit hätte man wie bei den UAD-Marshalls noch für die Extraportion Atmosphäre und Charakter sorgen können. Ein Mikro von hinten hätte dem Vintage-Amp auch gutgestanden. Zudem ist die Mikro-Sektion nicht zu deaktivieren. Einerseits ist dies nachvollziehbar, da Kabinett und Lautsprecher ein wichtiger Bestandteil des Deluxe- Sounds sind, andererseits hat der eine oder andere dennoch gute Speaker-Simus wie z. B. Two Notes Torpedo, die er gerne mit dem Amp ausprobiert hätte. Für einen Raummikro-Klang ist man so dringend auf ein gutes Hall-Plug-in mit anständigen Early Reflections angewiesen (Tipp: Ocean Way Studios Plug-in, passend zum Neumann U67 …), wobei die Einbindung mit mehreren Plug-in- Instanzen oder über Panorama-Routing etwas Extraarbeit kostet.

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(Bild: Universal Audio)

Kann man auf ein zugemischtes Raummikro verzichten, ist die verfügbare Nah-Mikrofonierung aber völlig ausreichend. Man kann noch anmerken, dass einige der Mikros teilweise etwas geglättet erscheinen. Das MD421 klingt z. B. obenrum etwas zurückhaltender als in der freien Natur, und ein echtes Ribbon- Mic würde aus dieser kurzen Distanz untenrum deutlich mehr Unruhe stiften. Aber egal, jedes der fünf Mics bietet brauchbare, charakteristische Eigenheiten, die den Amp jeweils aus einem etwas anderen Winkel beleuchten. Umso größer sind außerdem die Soundoptionen durch das beliebige Zusammen mischen zweier Mikros.

Fazit

Dieser Amp war mit Sicherheit nicht einfach zu modeln, da in dieser kleinen Schaltung nahezu alles in gegenseitiger Wechselwirkung steht. Aber es hat offensichtlich geklappt, und zwar (fast) perfekt! Auch wenn das Original für einen AB-Vergleich leider nicht vorhanden war, so wurde schon beim ersten Anspielen klar, dass es sich bei diesem Plug-in um einen herausragend guten Amp handelt. Warm, dynamisch, und nach Belieben glasig bis knurrend, so könnte man den Deluxe-Sound beschreiben. Die Bandbreite ist beeindruckend und kann z. B. durch das Vorschalten eines Zerrers bis ins unendliche gesteigert werden. Wäre noch ein gutes Room-Mic im Paket gewesen, wäre alles perfekt, aber auch so ist es kaum zum Aushalten. Für Gitarristen mit UAD-Plattform ein »must have«, zumal es in der UAD-Auswahl der einzige Amp für DEN Fender-Sound ist.


Fender ’55 Tweed Deluxe

Hersteller/Vertrieb Universal Audio

Preis 199,—— Euro

www.uaudio.com

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