Klassische und moderne Vocal-Effekte aus dem Rechner

iZotope VocalSynth im Test

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Der amerikanische Plug-in Entwickler iZotope hat sich im Bereich der Manipulation und Bearbeitung von Audiosignalen schon lange einen Namen gemacht. Während Lösungen wie das Mastering-Plug-in Ozone oder die Restaurationssuite RX eher den technischen Bereich abdecken, bieten Stutter Edit und Iris kreative Optionen zur Verfremdung und Neuerstellung von Klängen an. In der Reihe der Kreativwerkzeuge ist nun auch die Neuerscheinung VocalSynth zu finden, die auf die Bearbeitung von Sprache und Gesang spezialisiert ist.

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(Bild: Stephan Lembke)

Für iZotope ist der VocalSynth nicht das erste Plug-In, das sich im Bereich der synthetischen Klangbearbeitung bewegt. Diesmal zielen die Effekte jedoch ganz klar auf ein konkretes »Instrument« ab − die menschliche Stimme. Dabei soll die umfangreiche Palette der Gesangs- und Spracheffekte durch verschiedene Sound-Engines abgedeckt werden. Egal ob Autotune-Effekte à la T-Pain, den klassischen Moog-Vocoder-Sound, Sprachsynthese wie im Speak&Spell von Texas Instruments oder der akustische Talkbox-Effekt − all diese charakteristischen Klänge sind im VocalSynth vereint.

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Überblick

Das Herzstück des VocalSynth stellen die vier unterschiedlichen Sound-Engines dar. Zur Wahl stehen ein Vocoder, eine Talkbox- Simulation, ein Polyvox Harmonizer und die Sprachsynthese-Engine Compuvox. Alle Engines bieten umfangreiche Einstellmöglichkeiten, mit denen nicht nur die klassischen Klänge der Emulationen, sondern auch moderne und neuartige Sounds möglich sind. Zudem ist eine Tonhöhenkorrektur integriert, die neben Autotune-Effekten auch zur natürlichen Pitch-Correction genutzt werden kann. In der Voices-Sektion werden bis zu drei zusätzliche Stimmen auf intelligente Weise zum Grundton hinzu generiert. Im Mixer ist das Verhältnis der parallel arbeitenden Sound- Engines zueinander einstellbar und kann mit dem Eingangssignal kombiniert werden. Eine umfangreiche Effektsektion, bestehend aus Verzerrung, Filter, Lautsprecher-Simulation, Beat-Repeater und Delay, rundet den erstellten Klang im Plug-in ab.

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Praxis

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(Bild: Stephan Lembke)

Der Einsatz des VocalSynth gestaltet sich denkbar einfach. Grund ist der eingebaute Wavetable-Synthesizer, der die automatische Erzeugung des Trägersignals für Vocoder, Compuvox und Talkbox übernimmt. So können die sonst üblichen MIDI-Routings und Sidechain-Verknüpfungen erst mal ignoriert werden − der VocalSynth produziert den entsprechenden Effekt direkt auf der Spur, auf der das Plug-in in mono oder stereo eingesetzt wird.

Je nach Engine werden zehn unterschiedliche Wavetables angeboten, die auf den gewünschten Gesangseffekt abgestimmt sind. Der Umfang der Klangauswahl ist stimmig und deckt die klassischen Basissounds des jeweiligen Effekts ab. Gerade beim gleichzeitigen Erzeugen mehrerer Stimmen (durch die Voices-Sektion) werden die Klangunterschiede des Basismaterials deutlich hörbar. Allerdings sollte man bei der automatischen Generierung der mehrstimmigen Klänge auf die Tonart und das Tongeschlecht des Eingangssignals achten. Diese müssen in der Pitch- Correction-Sektion korrekt gewählt sein, damit die intelligente Harmonisierung funktioniert. Ohne Pitch-Correction werden lediglich die entsprechenden Intervalle wie bei einer einfachen Transposition erzeugt. Die Parameter zur Anpassung der Klänge einzelner Engines sind übersichtlich gehalten. Bei Polyvox können in erster Linie die Formanten und die Reaktion der Engine auf das Eingangssignal eingestellt werden, wodurch man den Charakter einer Stimme leicht verändern kann. Besonders beim mehrstimmigen Einsatz ist es dank »humanize« möglich, recht glaubwürdige Harmonie stimmen zu erzeugen.

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Die integrierten Wave tables bieten bei allen Sound-Engines eine ausreichende Klanggrundlage, damit man direkt mit dem Synthetisieren der Stimme loslegen kann. (Bild: Stephan Lembke)

Die restlichen drei Engines bieten jeweils drei anwählbare Grundcharaktere an. Im Vocoder wird damit bestimmt, wie deutlich die Sprache auf dem Trägersignal zu verstehen ist. Hier reicht es von seichteren Modulationen bis hin zur klaren Sprachverständlichkeit à la Expo 2000 von Kraftwerk. Eine weitere Anpassung und Veränderung der Vocoder- Bänder wird über die zusätzlichen drei Parameter »shift«, »contour« und »scale« vorgenommen. Die Basismodi »read«, »spell« und »math« der Compuvox-Engine weisen sehr unterschiedliche Klänge auf, die man mit drei verschiedenen Stimmen assoziiert. Zudem ist ein Bit-Crusher für die weitere »Digitalisierung« der Stimme vorhanden. In der Compuvox-Engine sind die Wavetables besonders gut gelungen und weisen eine hohe Klangvielfalt auf.

Die Talkbox bietet neben einem Sättigungs-Effekt eine gut greifende Bearbeitungsmöglichkeit für die Formanten der Stimme an. So kann deren Grundcharakter schnell verändert und auf die genutzte Wavetable abgestimmt werden. Der Klang einer Talkbox wird auf eindrucksvolle Weise simuliert, allerdings hat dies in Form der Latenz auch seinen Preis. In Pro Tools arbeitet die Talkbox mit einer Latenz von 2.048 Samples, bei Bedarf kann in den Einstellungen des VocalSynth aber auch eine »Low-Latency Talkbox« aktiviert werden. Diese reduziert die Verzögerung auf immer noch beachtliche 512 Samples und stellt für eine Echtzeit-Performance keine wirklich optimale Lösung dar. Im Test sticht die Mischbarkeit der verschiedenen Engines als ein sehr positives Feature heraus. Damit werden einzigartige Stimmensounds möglich, die sich bisher nur durch aufwendige Verkettungen mehrerer Plug-ins erstellen ließen.

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Alles auf einen Blick — das User-Interface überzeugt durch seine klare Struktur; für das XY-Pad zur Automation zweier wählbarer Parameter muss die Ansicht umgeschaltet werden. (Bild: Stephan Lembke)

Die anschließende Effektsektion ist optimal auf die Stimmbearbeitung abgestimmt, und die Qualität der Effekte ist, wie aufgrund anderer iZotope- Veröffentlichungen zu erwarten war, hoch. Hier fällt besonders der »shred«-Effekt auf. Hinter der Bezeichnung verbirgt sich ein Beat-Repeater, der auf einfache Weise Remix- Effekte erzeugen kann. Allerdings macht es Sinn, diese zu automatisieren, um nicht im völligen Klangchaos zu enden. Doch auch hierfür hat iZotope eine Lösung parat. Über einen Display-Umschalter gelangt man an das integrierte XY-Pad, dessen Parameter frei zugewiesen und damit dynamisch automatisiert werden können. Bis auf die Lautstärke- Regler der Voices-Sektion stehen dabei alle stufenlos regelbaren Parameter des Plug-ins zur Auswahl. Für interessante und modulierende Klänge ist das XY-Pad ein Muss!


Classic Vocal Effects

Für interessierte Leser möchte ich an dieser Stelle einige Beispiele anführen, in denen populäre Gesangseffekte zu hören sind. Diese stellen die Grundlage für die Sounds dar, die mit dem VocalSynth von iZotope nachempfunden werden können.

Cher: Believe (Autotune)

Daft Punk: One More Time (Autotune)

Imogen Heap: Hide And Seek (Harmonizer)

Emmy Rossum: Slow Me Down (Harmonizer)

Kraftwerk: Autobahn (Vocoder)

Queen: Radio Ga Ga (Vocoder)

2Pac: California Love (Talkbox)

Bon Jovi: It’s My Life (Talkbox)

Paul Lansky: Idle Chatter (Compuvox)

Radiohead: Fitter Happier (Compuvox)


MIDI Control und Sidechain

Neben der automatischen Bearbeitung des Eingangssignals bietet iZotope auch die manuelle externe Steuerung von VocalSynth über den MIDI-Eingang des Plug-ins an. Dabei wird die Voices-Sektion deaktiviert, und VocalSynth reagiert auf die eingehenden MIDI-Noten, um die entsprechenden Harmonien zu erzeugen. Gerade, wenn eine Gesangsspur bearbeitet werden soll, die zu einem MIDI- basierten Backing-Track läuft, ist dieser Modus optimal. So kann beispielsweise die Klavier-Spur (oder jedes beliebige polyfone Harmonieinstrument) als Orientierung genutzt und ein Duplikat der MIDI-Daten als Steuersignal zum Plug-in geroutet werden. Monofon funktioniert dies übrigens auch, steuert dann natürlich jedoch nur die Hauptstimme, und es sind keine Harmonien verfügbar.

Für die volle Flexibilität ist zudem ein Sidechain-Modus vorhanden. Wird dieser aktiviert, kann jedes beliebige Audiosignal von VocalSynth manipuliert werden. Lediglich die Polyvox-Engine bleibt dabei aufgrund des nicht benötigten Trägersignals außen vor. VocalSynth ist also nicht nur ein Klangerzeuger, sondern kann auch wie ein herkömmliches Vocoder-Plug-in verwendet werden. Gerade dieses Feature öffnet auch Gitarristen die Tür zu Sounds à la It’s My Life (Bon Jovi) oder Generator (Foo Fighters), die mithilfe der Talkbox- Engine erstellt werden können.

Fazit

Der VocalSynth ist ein einzigartiges Plug-in, das viele Funktionen zur synthetischen Klangverfremdung einer Stimme in sich vereint. Besonders hervorzuheben sind hierbei die Compuvox- und Talkbox-Engine. Diese sind auf dem Plug-in-Markt nicht so weit verbreitet wie Harmonizer (Polyvox) oder Vocoder, und der Klang dieser Bausteine des VocalSynth überzeugt! Allerdings ist die Latenz der Talkbox (auch im Niedriglatenz-Modus) für eine Live-Performance nicht optimal.

Die zusätzlichen Features sind umfangreich und bieten eine »All-in-one«-Lösung für das Sounddesign von Stimmen und Gesang an. Das XY-Pad ermöglicht eine dynamische Kontrolle, und so lassen sich im Handumdrehen modulierende Sounds erstellen.

Wem das immer noch nicht flexibel genug ist, der kann das Plug-in als Modulator für seine eigenen Sounds einsetzen und damit die Klangpalette individuell erweitern. Für moderne Elektro-Sounds und auch für kreatives Sounddesign lohnt sich damit definitiv der Blick in Richtung iZotope VocalSynth.

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Umfang der Klangbearbeitungsmöglichkeiten

+++

Klangqualität und Flexibilität aller Engines

++

MIDI-Steuerung und Sidechain- Modus

+

Struktur und Bedienbarkeit

hohe Latenz der Talkbox-Engine


Vocal Synth

Hersteller/Vertrieb iZotope

UvP/Straßenpreis 200,— Euro

www.izotope.com

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